Journalismus & Glosse
König Kunde

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"König Kunde"
Veröffentlicht am 19. Januar 2017, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
König Kunde

König Kunde

Vorbemerkung

Endlich ein kundenfreundlicheres Ambiente für die Kunden. An der Rücksichtslosigkeit der Banken ändert sich aber nichts.










Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: G.v.Tetzeli

König Kunde

Ich geb’s zu: Zur Bank gehe ich etwa so gerne wie zum Zahnarzt. Mein Konto führt eine Direktbank, meine Überweisungen erledige ich online. Und würden die Banken ihre Geldautomaten nicht als Köder im Vorraum ihrer Filialen postieren, ich setzte keinen Fuß hinein. Ich bin ein Filialmuffel. Und ich bin in bester Gesellschaft: Seit Jahren streichen deutsche Institute ihre Filialnetze zusammen, weil die Kundschaft ausbleibt. Die Commerzbank will das ändern – und testet seit kurzem in Frankfurt einen Prototypen für die Filialen der Zukunft. Wenn der Testlauf gelingt, sollen bald bis zu 500

Standorte in ganz Deutschland in die so genannte „City-Filiale“ umgebaut werden. Drinnen sieht es wie in einer Start-Up-Garage aus: Auf dem Wandposter joggt eine Commerzbankerin im Kapuzenpulli durch die Landschaft. Die Berater sitzen an Stühlen im „Community Table Look“ und genießen die „Lounge-Atmosphäre“ unter der hohen Decke. Bei so viel Gründerkitsch muss man fast befürchten, dass die Samwer-Brüder mit einer Idee für das neue große Internet-Ding um die Ecke biegen. Tun sie aber nicht – die Testfiliale steht schließlich nicht in Berlin, sondern im Frankfurter Ostend. Mit gerademal rund 60 Quadratmetern fällt die schöne neue Bankenwelt ziemlich

überschaubar aus. Filialmuffel wie ich werden hier zur leichten Beute, so wie das Gnu, das ans Wasserloch muss, wo die Löwen lauern. Denn die Bank will mit ihren neuen Repräsentanzen nicht nur mehr Kunden auftun, sondern auch mehr Geschäft machen. Wer die Türschwelle erst einmal überschritten hat, steht in unmittelbarer Nähe der Bankberater, die – das verspricht die Bank – rund „97 Prozent der Angebotspalette der Commerzbank“ anbieten. Ich persönlich sorge nur ungern dafür, dass sich Banken durch meine Investition haltlos bereichern. Dabei will ich eigentlich nur ein Prozent des Angebots, nämlich das Geld aus dem Automaten. Um mich und andere Filialmuffel zu

überzeugen, fahren die Bankmogule in ihrer Testfiliale schweres Geschütz auf. Oder, wie es in der Pressemappe heißt: „Lifestyle und Gefühl bestimmen das Design“. Der Bodenbelag im „Holz-Look“ soll die „Wohlfühlatmosphäre“ verstärken. Auch vom „gesprayten Claim als moderner Interpretation des Corporate Brand“ ist die Rede. Was übersetzt heißen soll, dass jemand in mühsamer Kleinarbeit die Worte „Die Bank an Ihrer Seite“ an eine Backsteinwand gemalt hat, womit die einstige Underground-Kulturtechnik des Graffiti wohl endgültig im Mainstream arriviert ist. Apropos arriviert: Sogar der Kaffee kommt aus wiederverwertbaren Mehrwegbechern, die wie Einwegbecher aussehen. Eigentlich

nur konsequent, schließlich fahren die Leute heute Geländewagen, die den Asphalt nur dann verlassen, wenn ihnen der Mechaniker auf der Hebebühne die Reifen wechselt; oder sie tragen hochgebirgstaugliche Outdoor-Jacken beim Parkspaziergang. Aber die Behauptung, „Lässigkeit ist das neue Premium“, die geht mir dann doch zu weit – wer will schon, dass die Bank mit dem eigenen Geld lässig umgeht? Zum Glück bietet die Bank auch für diesen Fall ein Killer-Feature, das mir als Filialmuffel besonders gefällt: Nach Feierabend wird der Beratungsraum mit einem knallgelben Gitter von der SB-Zone abgetrennt. Überhaupt, wie kann man einen einfachen Bankschalter nur Selbstbedienungsareal nennen? Wenn die

Banker im goldenen, knallgelben Käfig sitzen, kann ich unbehelligt den Bankomaten aufsuchen, und das sogar schon spätestens ab 18 Uhr.

Dann ist nämlich Feierabend mit der individuellen Überredungskunst.

Mag die neue Filiale der Commerzbank noch so modern aussehen, manche Dinge ändern sich wohl nie. Zum Glück, oder Unglück.

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Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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CHM3663 Was für eine herrliche Persiflage! ;-)
Lifestyle ist sowieso schon so ein Unwort - und dann noch bei der Bank! ;-)
Dass ich nicht lache! ;-)
Mir würde der Kaffee jedenfalls bei denen nicht schmecken, die ich generell als Lumpen, Verbrecher und Wegelagerer bezeichne. ;-)
Aber wie Du richtig erkannt hast, bleibt uns "Muffeln" ja zum Glück immer noch ein Ausweg, uns nicht die letzten Cents aus der Tasche ziehen zu lassen...;-)
Herzlichen Dank für die humorvolle Vorstellung dieses idiotischen Projekts und viele liebe Grüße,
Chrissie
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