Unsterblichkei
Auf meinem Acker, Tod geweiht und halb vertrocknet, hab ich́s gewagt zu säen, ein Beet mit schwarzen Rosensträuchern, welche prächtigst gedeihen, in dieser sterbenden Erde und mich gänzlich umgarnen, mit sanft kühlenden Schattengebilden.
Aus dem starken Holz ihrer wildwüchsigen Stämme formte ich der Kreuze sechshundertsechzehn und versenkte sie umgekehrt im Mutterboden meiner Herkunftszelle.
Reich an Tagen, gepeinigt vom Verfall der Sinne entweichen meinem Munde nur noch klagend Gesten in unkontrollierten
Zuckungen, denn der Sorgen Vielzahl an Gebrechen schonen nicht den gewollten Weitergang.
Heimisch ist́s in meiner Alltagsgruft, regiert vom Herzschlag Jenseitiger Flüstergeräusche, und Augen bleiben flimmernd steh´n, wo nackte Schädel prangern am Kamin.
Das Rückenmark verhärtete sich bereits vor Jahren, dass es nur noch gelegentlich gelingen mag, jene Ausdruckslosen Häupter abzustauben und garstiges Mehrbeingetier aus ihrem Inneren zu vertreiben.
Wie betäubend schön und anmutig doch der Tod sein kann, denn gesehen hab ich ihn oft genug und nichts in der
Daseinsphäre vermag es, mich heranzuführen diesen Knochenunrat zu beseitigen.
Lange ist es her, das ich zu Gast gebeten habe, und Menschen, kommen mir nicht ins Haus, da all zu sehr sie gebeutelt sind von der Unbescheidenheit, welche sich entwickelte zum Aderlass der Humorlosen Gesellschaftsdichte.
Hat man nicht alles, ist man nichts von höherer Bedeutung und alles kann niemals jemand besitzen, erst recht nicht das, was ich verleihen kann!
All die unvollkommenen, trostlosen Gesichter gekrümmter Erdenwesen, ausgebeutet an jedem verdammten Lebenstag, in ihrer geschändeten Gestalt
verharrend, ganz gleich ob jung oder Steinalt, denn alle diese Krüppel gehen unberührt an meiner Wenigkeit vorbei, obwohl ich doch leibhaftig vor ihrer Nase stehe, aber trotzdem nicht auffallend in meinen dunkelsten Tönen.
So oft, dass mein Gehirn es kaum noch einer Zahl zuordnen kann, sprach ich doch laut genug der Worte puren Sinn, in einer gigantischen Metropole, die einst zur vollendeten Schönheit heran wuchs, jedoch heute unweigerlich kriechendem Gewürm zum Opfer gefallen ist.
Ich kann sie wie blinde Affen, durch die Dunkelfelder ihrer Apokalyptischen Seelengänge schleichen sehen, und doch
bleibt irgendwie die Menschlichkeit in weiter Ferne verschollen, auch wenn die weise gesprochenen Wortläufe geblieben sind.
Kann nur noch sadistisch belächeln, eure vergebliche Suche nach dem eigentlichen Sinn, über eure krankhafte Besessenheit abgründiger Realitäten.
Größer und größer wuchern die Kreuze auf meinem Felde und der Rosen mächtige Schatten ziehen sich mehr und mehr, wie ein Hagelschauer über Gemütsirritierte Körperwanderer.
Sind sie dann letzten Endes doch gefasst und bekennen sich der Sterblichkeit ihrer nutzlosen Hüllen, warten gierig zischend die Flammen unter
Tage.
Seit Anbeginn ein brutaler Kämpfer, Leidender und unerkannter Verzehrer eigener Sündenpfuhle, auf dem kurzen dreckigen Pfad ins Greisental.
Überschwänglich genossen, der verbotenen Süße verwelkender Orchideen, kein Wille um abzuwinken düsterste Triebe.
Verlangen, Besitzen, koste es, was es wolle, im diesseitigen Jammerwald erfrorener Herzen.
Gier und Neid, Hass und Gewalt, Leben und sterben sind einerlei, aber für Jedermann allgegenwärtig.
Bin ich auch verdammt bis aufs Blut, da ich nicht wahr haben will, dass
unsterbliche Glied im Menschentum, die wandelnde Seele, so erkenne ich doch mit tödlicher Sicherheit das unabwendbare Schicksal, welches alle samt miteinander teilen dürfen.
Angst rieche ich, Trauer verspüre ich, hoffnungslos wird jede Suche nach mir, wenn ihr erkennt, das vergebens bleibt, was ihr schmerzlichst ersehnt.
Der schwarzen Blüten Pracht wird nie vergehen, solange euer Drang, mich eines Tages doch zu finden nicht erlischt und verendet, in den Schatten meiner Rosensträucher.
Bildmaterial und Text
© Gebeine 2017