Eine Nacht. Eine einzige verdammte Nacht. Eine Nacht, die sich ewig in meinem Gehirn einbrennen wird. So eine Vision hatte ich noch nie gehabt. Sie war bis jetzt die realste die ich hatte und ich als Jaribi, als Hellseher, muss das wissen. Noch jetzt bin ganz benommen, von den verschiedenen Situationen und Gefühlen, die sich über die ganzen Territorien von Cantella ausgebreitet hatten, über Berroselle, Kleinberroselle, Surrejona, Panthalena, Kaelfan und sogar mein Heimatreich Xaruyll. Doch ein Territorium war nicht von dieser Aura umgeben. Ein Gebiet gab es nicht mehr in meiner Vision, das Schattenreich. Ich frage
mich inständig, warum mir der Einblick in dieses Land verschlossen blieb. Es gab zwei Möglichkeiten, der oder das, der mir diese Vision aufgehalst hatte, wollte, dass ich das nicht sehe, was da passierte oder es gab dieses Territorium in der Zukunft nicht mehr. Aber warum sollte das Schattenreich verschwunden sein? Die Gefühle waren so voller Glück und Zufriedenheit, es war die perfekte Welt, mit dem perfekten Reichshexer. Ja, ein Hexer, mit tiefschwarzen Tätowierungen, die vom bloßen Ansehen mit Macht gefühlt waren, als gäbe es nichts stärkeres mehr auf dieser Welt und gleichzeitig so schön waren, dass man seinen Blick von diesem Körper nicht abwenden konnte. Seine Haut war auf und auf mit geschwungenen
Elementen, Ornamente und Gebilde voll, die ein großes ganzes Ergaben. Natürlich war er nicht ganz nackt, doch um seine Stellung, seine Macht zu zeigen, hatte er so wenig wie möglich an. Dieser Mann, der das zukünftige Reich regieren sollte, hatte blaue Augen, so hell und herausstechend, dass sie so einen wunderschönen Kontrast zu seiner Körperkunst bildeten. Ich wusste, dass unser Land schon so lange auf so einen Reichshexer gewartet hatte. Langsam ging die Sonne im Westen des Landes auf und ließ das unversehrte Reich, das Reich wo nur Tiere regierten in gelbes Licht fallen. Ich bin Ruyll, der Reichshexer von Xaruyll. Wir haben uns jahrelang, nein sogar jahrhundertelang gegen die Menschen, die das
Reich erobern wollten, die glaubten wir Tiere wären nichts wert, gewehrt. Schlachtfelder auf unseren Wiesen, unsere Pranken, Hufe, Krallen, Zähne und Schnäbel in ihrem Fleisch. Und wir haben nicht verloren, unser Land ist noch immer unser Land. Die Menschen haben aufgegeben gegen uns zu kämpfen, weil sie wissen, dass sie keine Chance haben. Die meisten Tiere hier sind Jaribi und sehen es vorher, wenn die gierigen Menschen angreifen wollen. Ja, wir haben gelernt uns zur Wehr zu setzen und jeden Menschen anzugreifen, der durch unser Land spaziert. Doch in der Vision waren wir eins mit den Menschen. Wir spielten gemeinsam, regierten unter dem Reichshexer und waren glücklich. Auch wenn ich auf meine Vorhersehungen vertraute, glaubte ich nicht,
dass so ein Reich irgendwann existieren würde. Zu viele falsche Leute sitzen auf den Thron in den Territorien außerhalb von Xaruyll. Zu viele schlechte Menschen, die es wollen, das Glück zu zerstören, die nur Macht riechen und Macht wollen. Die falsche Seite regiert zurzeit Cantella. Wir, das Elfenreich Kaelfan und Xaruyll, stehen im neutralen Zusammenhang mit der Person die ganz Cantella beeinflusst. Unsere Länder sind Ausnahmezustände, doch ich rieche es, dass wir uns bald wieder auf einen Kampf einstellen müssen. Ein Kampf, den wir wahrscheinlich nicht gewinnen werden. Ich bin ein Tiger, die Königsgattung in Cantella, beziehungsweise in Xaruyll. Es gibt
nicht viele von uns, die meisten sind mit mir verwandt. Ich weiß nicht wie lange wir leben werden, denn es wird immer knapper. Welche Rasse wird dann als Reichshexe oder Reichshexer bestimmt? Adler oder vielleicht sogar streunende Hunde? Kaum hatte ich den Gedanken auch nur in meinem Kopf gebracht, wurde ich von einem dieser überrascht. Langsam stand ich von meinem von mir gewärmten Stein auf und knurrte ihn einladend an. Er machte einen leichten Knicks und setze sich dann auf den taunassen Grasboden vor dem Stein. „Was hast du mir zu berichten?“, fragte ich entschlossen, ohne auf den verwirrten Blick von ihm einzugehen. Ich sah Angst in seinen schwarzen Augen,
aber da war noch etwas. Etwas Hoffnung und Mut. „Sprich!“, forderte ich ihn noch einmal auf, um endlich zu wissen, was er zu sagen hatte. Endlich fand der Hund seine Stimme: „Jemand ist in unserer Territorium eingebrochen!“ Ich wusste nicht, warum er dann hier war. Es gab hin und wieder immer dumme Menschen, die versuchten Xaruyll zu betreten und dafür mit dem Tod bestraft wurden. Wut kam in mir hoch, dass ich nur wegen so einer Kleinigkeit meinen warmen Felsen verlassen hatte. Darum machte ich es mir wieder gemütlich und achtete nicht mehr auf den streunenden Hund. Dieser wurde immer nervöser. Er bewegte sich hoch und ging auf und ab. Es machte mich wahnsinnig und darum
knurrte ich. „Prinz Ruyll, darf ich sprechen“, versuchte er meine Aufmerksamkeit zu erregen und zugleich höflich zu wirken. „Noch so etwas Interessantes, wie, dass jemand unser Territorium betreten hat? Du weißt genau, dass jeder Mensch unverzüglich zur Strecke gebracht wird. Ich weiß es, du weißt es, die Wachen die an der Grenze Lauer liegen wissen es auch und der ach so gute König von Cantella weiß es ebenso. Also was ist es, sprich, ich hatte einen nicht so guten Schlaf und darum bin ich etwas Müde, also sprich schnell!“, redete ich daher und blickte den verwunderten Hund nicht einmal an. Dieser war stehen geblieben, doch er setzte sich nicht mehr auf seine
Hinterbeine. „Die Person, die unser Territorium betrat, flüchtete wieder in ihr Reich, doch sie hat uns etwas dagelassen, das nicht von dieser Welt zu sein scheint!“, sprach er schnell, genauso wie ich es ihm befohlen hatte. „Was?“, ich sprang auf. Auf einmal war ich hellwach und hielt meine Augen und Ohren offen für alles. Was meinte er damit, dass es nicht zu unserer Kultur gehörte. „Wird es uns angreifen?“, fragte ich spontan ohne zu wissen, was mich erwarten würde. Die Sonne war noch immer nicht weiter als bis zu den Gipfel des Berges gekommen und die Gräser bewegten sich nur leicht mit dem Wind. In der Umgebung sah ich meine Wachen im
Gras liegen, die auf mich aufpassen sollten und diese wieder rum sahen auch nicht aufgeschreckt oder angsterfüllt aus, als ob wir gleich einen Kampf erwarteten. Ich hatte keine Macht, sowie es manche Menschen hatte. Ich konnte nicht mit meiner Energie die Umgebung abtasten und darum war ich nur auf meine Instinkte und meine Wachen angewiesen. „Noch keiner meiner Wachen hat mich in Kenntnis gesetzt, dass mir Gefahr drohe. Spielst du mit mir ein Spiel? Ich finde es nämlich nicht komisch!“, brüllte ich laut und stolzierte auf den immer kleiner werdenden Hund zu. „Es tut mir Leid, Ruyll, aber ich spiele kein Spiel, es ist die Wahrheit! Dir droht auch keine Gefahr, denn in dem Bündel, dass der Mensch
uns da gelassen hatte, befand sie nur ein Menschenwelpe“, wollte er mir einbläuen und wurde noch kleiner. Sein Kopf streifte schon fast am Boden und sein Schwanz war vor Angst eingerollt. „Ein Baby? Du meintest doch, es sähe nicht so aus, als wie von unserer Welt“, fuhr ich in zornig an. Der streunende Hund wurde nun selbst zu einem kleinen Welpen und berichtete weiter: „Naja, es ist über und über mit schwarzen Geringeln und Flecken übersät. Er schaut nicht gesund aus. Meiner Meinung zu folge.“ Ich blickte ihn verwirrt an. Wieso sollte ein Mensch ein Baby, das womöglich krank zu sein scheint, in unser Territorium bringen. Wollte er, dass wir es töteten, dass er keine
Probleme mehr mit ihm hatte? Die Geschichte schien mir so absurd zu sein, dass ich den Zorn, den ich in mir trug, einfach nicht los werden konnte. „Wo ist dieses Baby jetzt?“, bellte ich den Hund förmlich an. Wieder fing der Körper des Streuners zu zittern an. Wer hatte auch so einen ungebildeten Vierbeiner zu mir schicken müssen. „Wir dachten, wir geben es zu unserer Heilerin“, antwortete er leise, weil er genau wusste, dass ich im selben Moment auszucken würde. „Zu unserer Heilerin“, schrie ich, „Geh mir aus den Weg.“ So schnell konnte ich gar nicht schauen,
eröffnete mir der Hund den Weg, den ich einschlagen wollte. Diese Tiere waren doch alle nicht mehr ganz dicht im Hirn. Die Heilerin unseres Reiches war nicht etwa eine, die gut mit Kräutern oder Pflanzen umgehen konnte. Nein, unsere Heilerin hatte Kräfte, Zauber, die uns Tiere wieder gesund machen konnte.
Was mich aber am allermeisten daran störte war, dass diese Heilerin meine Frau war und das diese Idioten gerade dieses unbeschreiblich mystische Kind zu ihr brachten.
LunaBielle Kurze Info: Dies ist eine überarbeitete Story, das heißt, wenn euch ein paar Sachen bekannt vorkommen, kann es schon durchaus sein. :) |