Das Wohnzimmer verblasst vor meinen Augen. Ich spüre einen kalten Wind auf mich zukommen. Vor mir türmt sich eine mir fremde Umgebung auf. Kylian hat mich auf einen Berg geblinzelt. Doch beim genaueren Hinsehen, erkenne ich das nur wenige Schritte neben mir sich eine Schlucht befindet. Ich traue mich nicht genauer hinzusehen doch aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass sie Hunderte von Meter tief sein muss, denn einen Boden kann ich
nicht erkennen. Sie endet einfach in einer dunklen Schwärze. Mein Körper gibt ein, Hunde ähnliches, Wimmern von sich. Kein Wunder, immerhin weiß warum wir vor so einer Tiefe stehen. >Ich kann dir leider nicht die Angst nehmen, aber keine Sorge es ist gleich vorbei. Du wirst nichts spüren< Ich will tapfer nicken, schaffe es aber nicht. Mein Herz pocht mir bis zum Hals und klopft zehn Mal schneller als es sollte. Durch meine Tränen, kann ich erkennen wie sich Kylians Mine schlagartig von niedergeschlagen in einen ausdruckslosen Gesichtsausdruck
verwandelt. Jetzt ist es also so weit. Ich schließe meine Augen und gehe in Gedanken noch einmal alle Menschen durch die ich liebe. Ellas und Großmutters Gesicht tauchen lächelnd vor mir auf. Auch Clemens sehe ich vor mir und ich erinnere mich ein letztes Mal an unsere gemeinsamen Erlebnisse. Der kleine acht jährige Junge taucht vor mir auf, welcher zu dem liebevollsten Mann auf Erden herangewachsen ist. Zu Letzt öffne ich sie wieder und blicke in wundervolle eisblaue Augen, in denen ich mich immer wieder getäuscht habe. Ich habe den Menschen, dem sie gehören vertraut. Wollte ihn küssen und bei mir
wissen und jetzt wünsche ich mir, dass er nie in meinem Haus aufgetaucht wäre. >Du...willst jetzt dort runterspringen< Seine Finger lösen sich langsam von meiner Hand. Er streicht mir noch kurz über die Wange. Schon ist seine Berührung verschwunden und ich steuere auf mein Ziel zu. Der Abgrund.
Natürlich könnt ihr die Story nur durch den Prolog noch nicht verstehen, also lest schnell das erste Kapitel weiter.
Liebe Grüße Lisa
Kapitel Eins Ein neuer Wächter. Ob er barmherziger ist als die anderen? Diese Frage stellt sich heute die ganze Bevölkerung in Fallsing. Nur ich nicht. Ich weiß es besser, es gibt keine barmherzigen Wächter. Einer ist grausamer als der andere. Doch die Bevölkerung hat Hoffnung. Sinnlos, meiner Meinung nach. Die Wächter sind da, um uns
umzubringen. Jeden Tag suchen sie sich ein anderes Opfer. Warum? Um diese Frage zu beantworten, muss man 120 Jahre zurück gehen. Es brachen plötzlich Naturkatastrophen auf der ganzen Welt aus. Danach folgten Seuchen und Epidemien. Nicht vergessen, sollte man die Kriege, die plötzlich auf der ganzen Welt geführt wurden. Die Menschheit starb fast aus. Alle Regionen der Welt schienen nicht mehr bewohnbar zu sein, außerdem gab es nur wenige Überlebende. Aber sie irrten sich. Den Bereich, welchen die Menschen vor über 120 Jahren Italien, Österreich und
Deutschland nannten blieben verschont. Doch sie wurden geschwächt. Waren nun auf sich alleine gestellt und kämpften ums Überleben. Deswegen trafen unsere Vorfahren eine Entscheidung. Eine mit gravierenden Folgen. Sie beschlossen, dass eine neue Regierung her müsste. So bildeten sich the Royals. Sie rissen die Macht an sich. Wer the Royals sind? Eigentlich nur zwei Dutzend normale Menschen, die einen Draht zum Teufel haben. Sie leben in einem riesigen Schloss und sind die Herrscher. Die Herrscher über alles und jeden. Sie haben eine ganz simple Strategie entwickelt um uns zu unterdrücken. Sie ließen uns in 11 Städte aufteilen.
Angefangen bei der kleinsten Stadt. Sie befindet sich rund um ihr Schloss. Hier leben die „Gesegneten“ wie wir sie nennen. Von ihnen gibt es nur wenige hunderte. Sie leben in prächtigen Villen und sind vom Reichtum gesegnet ohne dafür auch nur einen Finger zu bewegen. Die mit Abstand zweitkleinste Stadt, ist schon in der ich lebe. Auch wir haben eine kleine Bevölkerung, welche aus keinen dreißig Tausend Menschen besteht. Zunächst mag das nicht nach wenig klingen, aber wenn man sich die größte Stadt, Sailing ansieht sind wir unbedeutend klein. Über drei Millionen Menschen leben hier. Früher war dies wohl auch nur eine
mittelgroße Stadt, aber die Zeiten haben sich geändert. Lebten auf der Erde noch vor 120 Jahren über acht Milliarden Menschen, so sind es heute nur noch ein paar Millionen. >Abby<, reißt mich meine kleine Schwester aus den Gedanken. >Warum kommt ein neuer Wächter in unsere Stadt, warum gibt es überhaupt Wächter?<, fragt sie mich zum hundertsten Mal in ihrem kurzen Leben. Ella versteht mit ihren sieben Jahren noch nicht ganz, warum Wächter jeden Tag einen Menschen unserer Stadt umbringen. Ich bin 9 Jahre älter und verstehe es schon. Leider, denn
eigentlich möchte ich viel lieber die Augen davor schließen, aber ich kann es nicht. Es ist mein schrecklicher Alltag. Irgendwie, bin ich froh, dass Ella es noch nicht ganz versteht, dass the Royals dafür gesorgt haben, dass in jeder Stadt vier Wächter leben. Sie hält sie einfach nur für böse Menschen, aber es steckt mehr dahinter. Sie sehen zwar einfach wie gutaussehende Männer aus, sind aber eiskalte Killer, mit besonderen Fähigkeiten. Es heißt sie haben magische Kräfte, gegen die niemand ankommen kann. Nicht einmal eine ganze Menschenarme würde es schaffen einen von ihnen zu
besiegen. In jede Stadt, außer natürlich in der, der Gesegneten, kommt jeden Tag mindestens ein Wächter. Sie suchen sich irgendein beliebiges Haus aus, marschieren rein und bringen einen Menschen um. Gegen sie zu kämpfen oder gar zu flüchten ist sinnlos. Mit dieser Taktik unterdrücken the royals uns. Sie lösen in uns Angst aus. Jeden Tag ein Toter mehr löst in Sailing, in der so viele Menschen leben, schon Angst aus. In meiner Stadt ist es mehr als nur Angst. Wir sind so wenige Leute, dass uns der Tod praktisch schon vor der Türe steht. Mein Vater starb so schon, vor drei
Jahren. Meine Mutter folgte ihn in den Tod nur wenige Wochen darauf, wegen einer schweren Lungenentzündung. Jetzt habe ich nur mehr meine kleine Schwester und meine Großmutter. >Ich erkläre es dir später noch einmal, jetzt waschen wir dir erst mal das Gesicht< Wir haben gerade Brot gebacken und jetzt ist Ellas ganzes Gesicht voller Mehl. Ich führte sie in unser kleines Bad, welches aus einem Waschbecken und einer kleinen Wanne besteht. Über dem Waschbecken hängt noch ein großer Spiegel. Ella macht ihre kleinen Hände nass und reibt sich damit über ihr
Gesicht. Ich beobachte uns dabei durch den Spiegel. Sie hat die großen braunen Augen, die schmalen Lippen und die dunklen Haare von unseren Vater. Ihr Gesicht ist eher rundlich, wie das von unserer Mutter und lässt sie süß wirken. Mein Blick richtet sich auf mein Spiegelbild. Ich bin so ziemlich das Gegenteil von ihr und sehe unseren Eltern null ähnlich. Kann ich auch nicht, da ich adoptiert wurde. Naja, adoptiert ist übertrieben, sie haben mich eben aufgenommen. Meine leiblichen Eltern setzten mich in einer verlassenen Gasse aus wo mich meine Mum dann fand. Damals war ich noch ein Baby.
Ich frage ich ob ich die platinblonden langen Haaren und die fülligen Lippen, von meiner Mutter oder Vater stammen. Meine Augen leuchten Gold. Sie gefallen mir eigentlich, aber sind leider sehr auffällig. Ich meine, wer hat schon goldene Augen. Viele bezeichnen mich aus hübsch, mit meiner zierlichen Figur, welche aber auch weibliche Rundungen prägen. Ich kann es nicht abstreiten dass ich hübsch bin, aber mein Aussehen lässt mich auch schwach und verletzlich wirken. Lieber hätte ich härtere Gesichtszüge um gefährlicher oder wenigstens tapfer zu
wirken. So wie meine Adoptiveltern. Denn ich muss tapfer sein. In dieser Welt muss jeder tapfer sein. Meine Großmutter, erzählt mir jeden Tag wie froh sie darüber sei, dass ich so wunderschön bin. So bekomme ich bestimmt einen Mann ab der nicht schlecht verdient. Ich muss schauen, dass ich so schnell wie möglich heirate, denn um meine Familie steht es schlecht. Meine Großmutter kann nicht mehr viel arbeiten, da sie schon so alt ist und ich verdiene mit meinem Nebenjob als Kellnerin nicht sehr viel. Eine Heirat würde uns vor dem Hungerstod retten. Andererseits ist es auch gefährlich in meiner Welt eine hübsche, junge Frau zu
sein. Es kommt nicht selten vor, dass die Wächter auch einmal eine Frau mit in ihr Quartier nehmen. Schon am nächsten Tag findet man oft die Leichen der Frauen mitten auf der Straße liegen. Jeder weiß, dass sie vor dem Tod noch misshandelt wurden. >Ich bin wieder zuhause<, ich schrecke bei der Stimme meiner Großmutter, Liz aus meinen Gedanken hoch. Ella läuft gleich aus dem Bad. Auch ich folge ihr um meine Großmutter zu begrüßen. Neben ihr betritt gerade mein bester Freund Clemens das Haus. >Schön dich zu sehen, Abby<, strahlt er mich an und zieht mich in eine
Umarmung. Ella wuschelt er liebevoll durch das Haar. >Das kann ich nur zurück geben<, lächle ich zurück und bitte ihn ins Wohnzimmer. Clemens und ich haben uns vor Jahren kennen gelernt, um genauer zu sein war es an meinem ersten Schultag, der schon über zehn Jahre zurück liegt. In der großen Pause ging ich raus auf den kleinen Spielplatz spielen. Ich setzte mich in eine Korbschaukel und wippte leicht hin und her, als plötzlich zwei Jungs aus meiner Klasse zu mir kamen. Sie begannen die Schaukel wild anzuschieben. Ich flehte sie an
aufzuhören, ich hatte ihnen doch nicht getan. Sie hörten nicht auf mich und schubsten die Schaukel immer kräftiger, bis ich schon bitterlich weinte. Ein Junge aus der dritten Klasse hörte mein Wimmern. Es war Clemens, er hatte wohl Mitleid mit mir, denn er verscheuchte die Jungs und stoppte die hoch schwingende Schaukel. Seit diesem Tag sind wir beste Freunde und einfach unzertrennlich. >Abby?< Clemens stupst mich leicht an. Ich schaue ihn fragend an. >Hast du schon wieder einen Tagtraum?<, neckt er mich lachend. >Was? Nein. Naja irgendwie schon, ich
dachte zurück an meinen ersten Schultag und wie du mich gerettet hast<, gestand ich. Vor ihm kann ich das zugeben, denn wir haben keine Geheimnisse voreinander und da wir schon so lange befreundet sind, ist mir vor ihm auch nichts peinlich. >Jaja, ich habe damals schon Jungfrauen in Nöten gerettet<, meint er stolz. >Du Spinner<, lache ich. >Wir waren da gerade mal 6 und 8 Jahre alt< Er steigt in mein Lachen ein. Plötzlich kommt meine Großmutter mit schockiertem Gesichtsausdruck herein. Ich sehe, dass sie am ganzen Leib zittert und ihr Gesicht kreidebleich
ist. >Was ist passiert Liz<, fragt Clemens sie. >Ist Ella in ihrem Zimmer spielen?<, fragt sie, worauf ich nicke >Gut, denn ich muss euch etwas erzählen. Der neue Wächter, welcher erst seit ein paar Tagen in unserer Stadt ist war gestern bei den Fellingers< Ich kenne die Fellingers nicht, weiß aber dass meine Großmutter manchmal bei ihnen auf ihren kleinen Sohn aufgepasst hat. Es tut mir leid, dass der Kleine nun ein Elternteil verloren hat, aber so ist eben das Leben hier. >Wer hat sich geopfert?< frage ich. Es erinnert mich an meinen Vater. Wenn ein
Wächter kommt, bringt er einen um, wenn ist ihnen egal. Mein Vater hat sich geopfert ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. >Mrs. Fellinger wollte sich opfern, aber der Wächter bestand darauf ihren Mann zu töten. Als sich Mrs. Fellinger aufregte, brachte er sie beide um< Ich und auch Clemens keuchten schockiert auf. Es gibt jeden Tag nur ein Opfer, der neue Wächter muss der grausamste Wächter überhaupt sein. Ich habe mir zum Glück nicht die Hoffnung gemacht, das er besser als die anderen sein könnte. >Abygail, du weißt was das heißt?< fragt sie mich. Ich nicke. Ich würde Ella so
oder so verstecken, falls sie zu uns kommen sollten, damit sie nicht zu sehen muss. Ich schaue auf die Uhr. Es ist erst 20 Uhr, um 22 kommen sie. Es ist Pflicht, dass dann mindestens ein Familienmitglied zuhause sein muss. Meine Großmutter und ich haben ausgemacht, dass sie sich opfern würde. Ich wollte sie überzeugen, es nicht zu machen, aber sie kam mit dem Argument das sie ihr Leben schon gelebt hat, außerdem braucht Ella mich. Allerdings ist es so, dass meine Großmutter auswärts arbeitet deswegen oft tagelang nicht nachhause kommt. Also müsste ich
sterben, wenn sie auftauchen würden. Ella würde ich nienals in Gefahr bringen. Wir lassen das Thema fallen und ich frage Clemens nach seinem Tag aus. Er arbeitet in der Firma seines Vaters und verdient dort mehr als die meisten aus der Stadt. >Abby bevor ich das vergesse, morgen findet am Hafen ein kleines Fest statt. Es wird getanzt und gefeiert. Du solltest hingehen, vielleicht fällt dir ja ein Mann ins Auge< Ich unterdrücke ein Seufzen. Ich weiß, dass ich mir bald einen Mann suchen sollte und ihn spätestens in einem Jahr heiraten muss, aber ich fühle mich dafür
eigentlich nicht bereit. Ich will mit meinen 16 Jahren noch nicht heiraten obwohl das in Fallsing nicht ungewöhnlich wäre. >Kannst du wenigstens mitkommen?< Ich schenke Clemens einen Hundeblick, von dem ich wusste das er mir dann nichts abschlagen kann. Er nickt und ich bin ein kleines bisschen erleichtert darüber. >Komm, lass uns noch ein bisschen rausgehen< Clemens zieht mich auf die Beine und dann in Richtung Tür. Ich werfe Liz einen fragenden Blick zu. >Ja geht ruhig. Abby ich muss in ein paar Minuten wieder fahren. Wir sehen
uns wahrscheinlich in vier oder fünf Tagen wieder< Ich rufe meiner Großmutter noch ein schnelles „Tschüss" zu und gebe ihr einen Kuss auf die Wange bevor die Tür hinter uns zufällt. >Wohin gehen wir?< frage ich meinen besten Freund. >Durch den Markt, wenn das passt, denn ich muss für meine Familie noch ein paar Sachen kaufen< Clemens Familie war recht klein und besteht nur aus ihm und seine Eltern. Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine Familie nur ein Kind haben, da Kinder die Zukunft sichern. Die meisten Eltern haben vier oder sogar fünf
Kinder. Wir begegnen auf dem Weg dorthin einem Wächter. Sie gehen oft durch die Stadt und schauen ob alles in Ordnung läuft. Wenn sie sehen das illegale Geschäfte betrieben werden oder anderes, sind sie mit ihren Peitschen und Schwertern immer bereit. Als ich sieben war machten Clemens und ich eine Mutprobe. Wir mussten einen Wächter anquatschen. Ja wir waren noch klein und dumm. Es endete mit 5 Peitschenhieben für jeden von uns Beiden. Bei der Erinnerung erschaudere ich. Clemens merkt es und legt mir
beruhigend eine Hand auf meinen Rücken. Wir schlendern durch den Markt und kaufen frischen Brot und Milch ein. Nach der Zeit leeren sich die Straßen und Gassen. Ich blicke erneut auf die Uhr. Halb zehn. >Ich sollte dann mal nach Hause< wende ich mich an Clemens. Falls sie wirklich kommen, darf ich Ella nicht alleine lassen. >Abby, ich mache mir Sorgen um dich.< Ich blicke ihn verwirrt an. >Deine Großmutter hat ja seit ein paar Wochen diesen neuen Job.< Ich nicke. >Und da kommt sie oft über Nacht nicht
nachhause. Was passiert wenn...< >Clemens, du kennst die Antwort. Ich kann es nicht verhindern, wir brauchen das Geld.< >Deine Großmutter müsste nicht arbeiten, du weißt das ich dir Geld geben würde< er schaut mir tief in die Augen >Ich will nicht das du stirbst< Ich weiß seine Sorge zu schätzen, aber niemals würde ich Geld von ihm annehmen. Dafür habe ich zu viel Stolz. Ich bin generell eine Person die sich nur ungern helfen lässt, auch nicht wenn es die Menschen nur gut mit ihr meinen. >Ich würde dein Geld niemals annehmen, das weißt du genau<, sage ich in sanften
Ton. >Und was wäre wenn wir zwei...< >Clemens ich muss jetzt wirklich nachhause< unterbreche ich ihn und verschwinde schon im Haus. Zurück bleibt ein frustrierter Clemens. Ich weiß genau, dass er mir nachschaut bis ich im Haus verschwunden bin. Fünf vor zehn, vier vor zehn, drei vor zehn...Wie jeden Tag bringt mich meine Angst fast um. Ella zittert in meinen Armen. Die Uhr schlägt zur zehnten Stunde. Als der letzte Schlag verklingt, hämmert jemand an die Tür. Mein Herz setzt einen
Schlag aus. Ich erwache aus meiner Trance, als Ella zu wimmern beginnt. >Aufmachen< erklingt die bedrohende Stimme eines Wächters. >Ella. Schnell versteck dich< >Abby, ich habe Angst<, schluchz meine kleine Schwester. >Werden sie dich jetzt umbringen?<, fragt sie mit ihrer kindlichen Stimme, welcher mir so vertraut ist. Ja, das werden sie. Es hat keinen Sinn, zu lügen, also nicke ich leicht. Der Wächter klopft laut an die Tür. >Ella, wir haben das besprochen. Hilf Großmutter immer so gut es geht, wenn ich nicht mehr da bin.< Ich schiebe sie in den hölzernen Wandschrank, welcher
sich in Papas altem Arbeitszimmer befindet. >Sei leise und komm erst raus, wenn der Wächter weg ist. Bleib lieber länger Drin, wenn du dir nicht sicher bist, ok?< >Aber...< Es klopft noch einmal, dieses Mal mit mehr Nachdruck. >Ich hab dich lieb.< Mit diesen Worten schließe ich die Schranktür und verschwinde aus dem Raum. Als ich zur Tür eile, bricht sie der Wächter schon auf.
Es war der neue und er war alleine. Du tust es für Ella, rede ich mir Mut zu und platziere mich zwei Schritte vor ihm. Mit einem Ruck, dreht er mich und hält
mir ein Schwert an die Kehle. Hab keine Angst ,Abygail, bald ist es vorbei. Bald siehst du deine Eltern wieder. Sie werden stolz auf dich sein, dass du dich für Ella geopfert hast. >Hast du noch letzte Worte, bevor ich dir die Kehle durchschneide?<, fragt er mit der rauen Stimme eines Mörders. >Ich hasse dich. Nicht, weil ich Angst vor dem Tod habe, sondern dafür, was du meiner Schwester antust, wenn du mich jetzt tötest< >Ich muss dich nicht töten.<, lacht er, >Ich kann dich auch mitnehmen. Einer meine Brüder hätten mit so einem hübschen Ding bestimmt viel Spaß<
Jetzt stiegt doch Planke Panik, gemischt mit Angst, in mir auf. Jeder in Fallsing weiß, was dies bedeutet. Vergewaltigung, Folter und dann erst die Erlösung durch den Tod. >Töte mich, oder ich werde es selbst erledigen!< Ich will einen Schritt vorwärts machen, um mir somit die Kehle durchzuschneiden. Doch seine Hand, die an meinem Bauch liegt, reißt mich zurück. >Nein, ich werde dich jetzt qualvoll umbringen< Er ritzt mit seinem Schwert leicht in die Haut meines Halses. Ich drehe meinen Kopf, soweit es mir mit dem Schwert an der Kehle möglich ist.
Dann reiße ich meine Augen auf. Sie treffen auf seine pechschwarzen Augen, in denen ich nichts außer Mordlust sehe. Doch plötzlich leuchten sie kurz auf und man könnte meinen, dass in ihnen auch Leben existiere. >Mach die Augen zu!<, befiehlt er mir mit drohender Stimme. >Was, wenn ich es nicht mache? Bringst du mich dann um?<, lache ich. Leider ist leider es kein mutiges, hämisches Lachen, wie von mir geplant, sondern es klingt einfach nur erbärmlich. >Du kannst, wenn du heute versuchst zu schlafen an sie denken. Erinnere dich daran wie deinetwegen ihr Leben darin
erlosch< bringe ich jetzt mit kräftigerer Stimme raus. Und jetzt bring es endlich hinter dich, damit ich diese Angst nicht mehr spüre. Ich merke wie Blut auf den Boden tropft. Mein Blut. Er hält mit dem Schwert inne. Seine Augen wandern von meinen weg. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Worte ihn treffen würden. Wächter haben keine Seele. Sie empfinden kein Mitleid oder Reue. Trotzdem rede ich mutig weiter: >Ich wette du kennst nicht einen einzigen Namen, der Menschen, die du ermordet hast. Ist bestimmt einfach sie dann zu
vergessen und keine Schuldgefühle zu entwickeln.< >Wehe, du verrätst mir deinem Namen!< ich spüre wie sich die Klinge weiter in mein Fleisch bohrt und japse nach Luft. Ich höre ihn knurren. >Abygail!< keuche ich. Diesen Trumpf brauche ich noch, bevor ich ins Jenseits befördert werde. Seine Augen wandern jetzt wieder zu meinen. Ich betrachte nun sein ganzes Gesicht genauer. Er hatte hohe Wangenknochen und harte Gesichtszüge. Seine Lippen sind zusammengepresst. Seine Haare sind nur wenige Zentimeter lang und hatten eine umwerfende Farbe.
Eine Mischung aus einem bronzeton und einem dunklerem braun. Er ist gutaussehend wie jeder Wächter, wenn er nicht sogar der attraktivste Mann ist, welchen ich jemals sah. Über was denke ich nur nach, während ich kurz vor dem Tod stehe? Es scheint mir so, als würde er mich eine Ewigkeit nur anschauen. Ich versuche nicht ganz so ängstlich zu wirken, was mir leider nicht gelang. Jeder blickt wohl ängstlich drein, wenn er nur noch wenige Atemzüge zu leben hat. Mein Zittern hilft mir auch nicht weiter, denn Millimeter für Millimeter bohrt sich das Schwert tiefer in meine
Haut. >Töte mich endlich< hauche ich, so dass es nicht mehr als ein Flüstern ist. Plötzlich zieht er das Schwert zurück und schubst mich auf den Boden. Hoffentlich schleppt er mich nicht mit in ihr Lager. Ich merke wie mein Atem immer schneller geht und ich kurz vor dem Hyperventilieren stehe In den Augen meines Feindes erkenne ich Wut, Hass und noch etwas. Irgendwas aus dem ich nicht schlau werde. Mit einem Satz dreht er sich um und marschiert aus dem Haus. Warum lebe ich noch? Warum hat er
mich nicht getötet? Ich zwinge mich zum Aufstehen und laufe ins Arbeitszimmer. Ich finde meine kleine Schwester wimmernd im Schrank vor. Ich ziehe sie an meine Brust >Mir geht es gut, alles ist ok!<, rede ich ihr immer wieder gut zu. Als wir uns beide beruhigt haben, gehen wir zurück ins Wohnzimmer. >Ella versprich mir, zu niemanden ein Wort über heute zu verraten. Nicht einmal Großmutter< flehe ich sie an. >Versprochen!<, sagt sie mit ihrer süßen kindlichen Piepsestimme.