Ohne Bescherung
Ach ja, die Weihnachtszeit!
In unserer Konsumwelt ist es üblich, dass man dem Konsumterror ausgesetzt ist. Einkaufen, kein anderer Gedanke darf das Großhirn stören, allenfalls der Tsunami an Werbung, um das Richtige auszuwählen.
Die von Herzen erstandene Beute ist dann meist irgendetwas, das niemand wirklich gebrauchen kann.
Das geht dann zurück.
Nach den Feiertagen folgt die übliche Umtauschaktion.
Diesem ganzen Stress wollten wir uns, meine Holde und ich, nicht mehr unterwerfen. So
haben wir uns gegenseitig ein Versprechen abgerungen. Diesmal schenken wir uns nichts zu Weihnachten. Nicht nur ich, auch sie war vernünftig.
„Sieh mal“, sagte sie, „in den letzten fünf Jahren habe ich fünf Toaster von dir bekommen und fünf Garnituren Fondue. Das entspricht doch einfach nicht unserem geistigen Niveau.“
Im Nachhinein bin ich schon etwas traurig, dass mir bisher nichts Besseres eingefallen war. Eine Bügelstation wäre zum Beispiel eine Option gewesen. Da hätte sie gleich am Heiligen Abend das liebevolle Gerät an meinem Wäscheberg ausprobieren können. Auch eine elektrische Zahnbürste kam mir erst jetzt in den Sinn. Von den üblichen,
wohlgemeinten, etwas scherzhaften Ideen, wie ihr eine Packung „Einparkpillen“ zu kredenzen, halte ich hingegen nicht so viel. Es sei überhaupt dahin gestellt, ob sie wirken würden.
„Richtig“, hörte ich mich sagen. „Wir schenken uns diesmal nichts! Gar nichts! In den letzten fünf Jahren bekam ich von dir 50 Paar Socken, fünfundzwanzig Krawatten und als Besonderheit einen Rasenmäher für den Fließen-Balkon.“
Also wurde das Versprechen hoch und heilig besiegelt.
Aber sie wissen ja, wie Frauen sind. Verlass dich auf sie und...
Na,ja.
Nicht umsonst ist Qualitätssicherung in aller Munde.
Ich legte mich also auf die Lauer. Würde sie unsere Abmachung durchbrechen? Sie kam mit einem Paket nach Hause. Wusste ich es doch! Ich preschte aus der Deckung.
„Ha“, rief ich, "habe ich Dich!“
„Von wegen“, sprach sie entrüstet.
„Du weißt doch, wie Tante Lucy ist. Sie braucht doch jede Weihnachten ihren elektrischen Damenrasierer.“ Ich war richtig geknickt vor so viel Misstrauen und entschuldigte mich vielmals bei Ihr.
Wie konnte ich nur so an ihr zweifeln? Fast hilflos versuchte ich meinen Fehltritt mit Küssen und Streicheleinheiten wieder gut zu machen. Sie blieb vorerst auf Distanz. Ich
hatte sie in ihrer Ehre gekränkt.
Jedenfalls, Tante Lucys Weihnachtsüberraschung erinnerte mich an meine Verpflichtungen. Ich musste im Kaufhaus stöbern, um Onkel Alfred zu versorgen, wie jede Weihnachten. Jedes Jahr weinte der Onkel vor Freude, dass er seine Bohrmaschinen Sammlung erweitern konnte.
„Gab es denn inzwischen eine Neuerung hinsichtlich der Bohrmaschinen seit dem letzten Jahr? Sensor oder so? Programmierbar, Laser genau“, erkundigte ich mich fachmännisch bei dem Bohrmaschinenhändler meines Vertrauens. Die Schwierigkeit bestand nur darin Innovationen der Geräte mit meinem Geldbeutel zu vereinbaren. So verzichtete ich
bei der Bohrmaschine auf die Steuerung über eine App des Smartphones.
Aber da ich schon mal im Kaufhaus war, erkundigte ich mich nach den neuesten Toaster Modellen. In Mahagoni mit LCD-Anzeige wäre nicht schlecht und der Verkäufer betonte auch, dass man über WLAN die Sache fernsteuern könne, samt Diebstahlsicherung und GPS Verfolgung. Mir tropfte der Zahn, aber ich hatte ja versprochen, dass..
Man wird sich doch wohl noch erkundigen dürfen, um auf dem Laufenden bleiben!
Trotz meiner auferlegten Zurückhaltung kam ich ziemlich bepackt zu Hause an.
Als ich mich durch die Haustüre zwängte, hatte sich meine bessere Hälfte hinter der
Garderobe versteckt. Jetzt schnellte sie aus ihrer Deckung hervor. Glimmende Augen! Sie entriss mir die ganze Paketladung.
„Du setzt unsere Liebe aufs Spiel. Vertrauen ist alles und du?“
Sie riss voller Wut die Päckchen auf. Sie fand für Enkelin Gabi, propere drei Jahre alt, eine Tröte, sogar mit Verstärkerchip, für Tante Mathilda eine Anti-Aging Creme gegen Falten, für Onkel Alfred eine Bohrmaschine mit Fernsteuerung und für Enkel Karli einen Satz Laser-Malfarbe für seine Zimmerwände. Auch das letzte Paket durchwühlte sie und brach dabei einen Propeller der Drohne ab, die für Opa gedacht war, der sich immer langweilte, wenn er nichts anstellen konnte. Schluchzend fiel mir meine Holde in die Arme.
„Wie konnte ich nur so an Dir zweifeln!“ Tränen rannen und ich tätschelte.
Nach einer Nacht, in der ich nicht einschlafen konnte, grübelte ich. Was wäre, wenn sie mir doch etwas schenken würde? Wie würde ich dann dastehen?
Man würde mir nachsagen, dass ich lieblos sei, ein emotionsloser Grobian. Es würde auch nicht helfen, wenn meine Holde mich trösten würde.
"Ich weiß, wir wollten uns nichts schenken, aber ich wollte dir doch eine Freude machen. Und es ist ja nur eine Kleinigkeit."
Das ist dann nur noch eine Umschreibung, dass ich nicht einmal daran denken würde ihr eine Freude machen zu wollen.
Ich stünde wie ein Depp da.
Sie mochte Schuhe, wie natürlich jede Frau und beim nächsten Freigang enttäuschte mich das Schuhgeschäft. "Sie müssten schon wissen, um welche Schuhgröße es handeln würde, vor allem bei Schlangenleder und neun Zentimeter Absatz". Ich kannte ihre Füße ganz gut und maß nach meinen Lippen Abständen. Wie viele Küsse passten nebeneinander von der Zehe bis zur Ferse? Ich hatte leider nie mitgezählt und außerdem: Um welche Größe würde es sich dann handeln?
Das Schicksal wollte anscheinend nicht, dass ich gegen mein Versprechen verstieß.
Zu Weihnachten lag dann tatsächlich unter dem Weihnachtsbaum nur ein einziges
Geschenk. Die anderen zwanzig der buckligen Verwandtschaft lagen schon separat im Flur, damit wir sie gegen Gutscheine eintauschen konnten.
"Für dich", hauchte sie mit glänzenden Augen. "Wir wollten doch nicht.." "Ich weiß, es ist ja praktisch nichts."
Mit roten Ohren machte ich mich über die Verpackung her. Ja, ich gebe es zu, ich freute mich und war gespannt.
Eine neue Tastatur erschien aus den vielen Verpackungsschalen..
„Sie ist leiser und beleuchtet, damit Du auch nachts schreiben kannst. Das Tastendrucksystem ist extra für Vielschreiber. Es war ja nur notwendig, mehr nicht! Also eigentlich gar kein Geschenk in dem Sinne“
Ich freute mich, wie schon seit meiner Kindheit nicht mehr! Vor lauter Freude vergaß ich ihr böse zu sein. Schließlich hatte sie doch unser Versprechen unterlaufen. Andererseits: Diese Tastatur wollte ich schon immer haben. Und überhaupt, es ist ja eine sinnvolle Anschaffung. Eine, die sowieso fällig gewesen wäre.
Plötzlich lief sie schluchzend in die Küche.
„Was hast du denn?“
„Das ganze Jahr sorge ich für Dich, räume Dir hinterher! Ich bügle, koche und wechsle die Tischdecken, die du immer bekleckerst.
Und nun? Du strafst mich mit Nichtachtung! Wie mich das kränkt“, weinte sie.
"Ich bin dir einfach gar nichts wert."
Wie oft gibt es in deutschen Familien Krach zu Weihnachten?
Mehr, als man denkt. Von wegen friedliches Fest.
Sie schniefte, wischte an ihrer Schürze und meinte beleidigt.
"Ich bin dann mal in der Küche, wie üblich arbeiten."
Da zog ich ein Schächtelchen aus der Hosentasche.
Es war ein Ring mit einem kleinen Feueropal!
Sie schrie vor Begeisterung!
Ich hatte beim Händler den Trick angewandt bei der Ringgröße meinen kleinen Finger zur Verfügung zu stellen.
Der entsprach nämlich ihrem
Ringfinger.
Ich wollte sie ja auch um den Finger wickeln.
Frohe Weihnacht!