Biografien & Erinnerungen
Weihnacht 1964 - Für Gertraud -Teil II

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"Weihnacht 1964 - Für Gertraud -Teil II"
Veröffentlicht am 17. Dezember 2016, 10 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.
Weihnacht 1964 - Für Gertraud -Teil II

Weihnacht 1964 - Für Gertraud -Teil II

Weihnacht 1964

Warten auf das Christkind  (Teil II)


    Im Alter haben Erinnerungen denselben Stellenwert wie in der Jugend die Träume.

Erna Behrens-Giegl









Merle Schreiber Dez/2016/2019





2. Teil


Da saß ich nun, so ganz allein mit meiner schweigsamen Monipuppe. Ja, wo waren sie denn alle?

Ich lauschte.

Alles still.

Nicht einmal dem Opa sein permanentes Zigarettenhüsteln hörte ich. Ich musste mich schleunigst auf die Suche machen, setzte mir meine rote Bommelmütze auf und schlüpfte mit nackten Füßen in ein Paar der vielen Gummistiefeln, die in der Flez (Diele) herumstanden. In meiner Eile kam ich aber dann

unglückseligerweise just bei der Tür zur Wohnzimmerstub`n zu Fall, weil ich mit den viel zu großen Stiefeln über den Zipfel meines langen Nachtgewands gestolpert bin. Dabei riss ich - wie`s der Teufel haben wollte - Mamas geblümtes Sonntagskopftuch mit zu Boden.

Wie war ich da erschrocken!

Mutters warnende Worte noch im Ohr, rappelte ich mich blitzschnell wieder hoch und legte das Tuch auf die Klinke, so dass das Schlüsselloch eiligst wieder bedeckt war. Aber, ach herrje, es hing nun ganz anders da, als es die Mutter hin drapiert hatte. Ich war ganz verzweifelt und drehte es hinüber, drehte es herüber. Aber es wollte sich einfach kein

annähernd solches Muster ergeben, wie zuvor. Dummerweise fing nun auch noch eine Stimme in meinem Kopf zu flüstern an:

"Schau halt nur einmal, ein klein wenig und ganz, ganz kurz durch`s Schlüsselloch!"

Nein, dachte ich abwehrend, das darfst du nicht. Gerade heute am Weihnachtstag käme es ja darauf an, ganz besonders folgsam zu sein und um des Himmelswillen nicht das Christkindl und seine Helferlein, die vielen fleißigen Engerl, herauszufordern. Aber die Stimme hörte nicht auf, wurde immer drängender und sagte so einleuchtende Dinge wie:

"Die Mutter meint nun sowieso, dass du da hineingeschaut hast, denn das Tuch kriegst du nicht mehr so hingelegt, wie es war."

Ich zupfte wieder ein wenig an dem vermaledeitem Baumwollstück und erkannte schließlich die

Aussichtslosigkeit meines Tuns. Und als dann die Stimme noch einmal nachsetzte:  

"Glaub mir doch, da macht es nun gar keinen Unterschied mehr, ob du wirklich geschaut hast oder nicht", da war es auch schon geschehen. Mein Kopf duckte sich unter die Klinke, meine Hände schoben das Tuch beiseite und meine Augen hatten, ob ich wollte oder nicht, freie

Sicht auf den Gabentisch, der sich akkurat auf der gegenüberliegenden Seite der Türe befand. Beim Anblick der aufgetürmten Sachen, von denen mir zwei Paar Skier mitsamt dazugehörigen Stöcken und eine kleine Spielzeuggitarre besonders ins Auge stach, durchflutete mich ein unbändiges Glücksgefühl. Doch beinahe im selben Moment erfasste mich auch die sich absolut scheußlich anfühlende Gewissheit, dass ich etwas Verbotenes getan habe. Etwas, das nicht ohne Folgen bleiben würde. Vielleicht würde der liebe Gott einen der Erzengel beauftragen, einen Blitz auf mich herunterfahren zu lassen. Dass das für mich bestimmte Geschenk vom

Christkindl wieder abgeholt würde, das war mir sowieso klar. Ach, was war ich traurig, auch weil mir nun die 

Enttäuschung der Mutter über ihr ansonsten so braves Dirndl in den Sinn kam. Ich konnte jetzt nur noch versuchen, zu retten, was noch zu retten war, indem ich mir vornahm, mich den restlichen Tag über bis zur Bescherung vorbildhaft zu benehmen und so viele gute Taten wie nur irgendwie möglich zu tun. Außerdem schickte ich ein kleines Stoßgebet zum Himmel hinauf, dass meinen Brüdern noch irgendein blöderer Blödsinn als sonst einfiele, der für Ablenkung von meinem eigenen Vergehen sorgen würde.        

In dem Moment hörte ich auch schon von draußen den Opa schreien und klopfen, begleitet von einem seiner gefürchteten 

Schelterer (Flüche):

"De Hundsbuam, de greislichen, de hundsmiserabligen Saufrazn, de Grippen, de dregatn, de wen i dawisch, de dra i an Grong um!" (Übersetzung bitte googeln)

Ich war erstaunt, wie umgehend der liebe Gott trotz der soeben begangenen Verfehlung meine Bitte erfüllte und beeilte mich, das Versprechen meinerseits einzulösen und dem Opa so schnell wie möglich zu Hilfe zu kommen.


Fortsetzung folgt

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MerleSchreiber
Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.

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KaraList Huch, der Kommi sollte eigentlich zum Teil III ...
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Liebe Merle,
nun habe ich auch den 3. Teil Deiner Kindheitserinnerungen gelesen ... und das Schmunzeln, das mir schon Teil 1 ins Gesicht gezaubert hat, hat sich forgesetzt. So lebendig und glaubhaft geschrieben, dass die Bilder sich von selbst im Kopf zusammenfügen.
Schön, wenn man auf eine so "abenteuerliche" und trotzdem behütete Kindheit zurückblicken kann.
LG
Kara
PS: Das Profilbild ist zuckersüß! :-))
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Nun, auch dein Feedback zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht und ein warmes Gefühl ins Herz. Es sind damals auch ganz schlimme Dinge in meiner Familie passiert, nicht zuletzt mit mir selbst (Polio, etwa 2 Monate nach Aufnahme des Fotos), aber das vermischte sich irgendwie zu einem letztendlich positiven Gesamtbild. Auch wenn`s kitschig klingt, ein bisschen Bullerbü war`s schon!
Vielen Dank fürs Mitreisen in die Vergangenheit, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer Liebe merle,
Deine Weihnachtsgeschichte, erinnert mich an früher,
Ich kann zwar kein bayerisch aber ich denke was der Großvater von sich gab.
Nicht positiv ist.

Lieben Gruß zu dir Rainer

Deine Frage liebe Merle,,,,,,,,,,,,, wegen dem Schreiben.
Ich denke der Leser möchte mehr liebes ruhiges Lesen..
Das was ich schreibe, bzw. geschrieben habe, ist nur mal mehr Alltag,
Und davon hat jeder eigentlich genug .
Rainer
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Nein, Rainer, da gebe ich Dir NICHT recht.
Zum Leben gehört das eine wie das andere. Das ganze Spektrum sozusagen. Wenn man das Widersprüchliche ausblendet, dann verliert auch die Leichtigkeit an Wert. Die Auseinandersetzung mit allem, was uns so mitgegeben und aufgegeben wurde (von wem auch immer), ist das, was mich interessiert.
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
hingekritzelt Passend zur Geschichte schneit es hier gerade ein bisschen. Nicht viel, aber genug, dass das heute-Journal so gestört war, dass ich mitten in Uschi von der Leyens Interview ausschalten musste. (Göttliche Fügung, grins)
Moderne Technik! Kaum ist irgendwo ein Gewitter oder es fällt ein bisschen Schnee, ist's vorbei mit der Satelliterei! Vielleicht ein Wink Gottes, mal wieder ein Buch zu lesen, lach. Oder ins Bett zu gehen.
Oder Weihnachtsgeschichten bei MS zu lesen!
Und so fügt sich eines zum anderen!
Und als Baujahr 58 bleib ich natürlich dran!
Von den Bildern im Kopf krieg ich - besonders zu dieser Zeit - ohnehin nicht genug!
Liebe Grüße
Uli
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Na, da bist du ja ganz schön geplagt, mit deiner nicht störungsfreien Technik. Und - ja, Uli, die 58ger sind die besten, da gibt es überhaupt keinen Zweifel ;-) Wär schön, wenn du dabei bleiben würdest.
DANKE und liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Ich kann mich hier zwar nirgends sehen bei den Kommis und Favos, liebe Merle, aber das habe ich doch schon mal gelesen, von deinem inneren Kampf, durch's Schlüsselloch zu gucken ;-))
Einfach herrlich!
Und dann das Gebet wegen der Brüder ... ;-)))
Leider kann ich nur einen Favo geben, statt mindestens zwei.

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Nein, ich glaube nicht, dass du das schon gelesen hast, Fleur. Ich denke, da warst du auf Reisen, 2016. Ich kann mir aber vorstellen, dass du dich an das "Christkindlpaket" erinnert fühlst. Da wurden die Zwillinge von mir auch schon als (freundlich ausgedrückt) "äußerst lebhaft und umtriebig" beschrieben.
Ich danke dir für A L L E S!
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Habs doch gerne mit Schmunzeln nochmals gelesen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
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