Gernot wartet auf den Weihnachtsmann
Mit dieser Geschichte endet das Buch vom kleinen Geist Gernot.
Die Enkelkinder sind jetzt groß und lesen andere Fiktionen.
Doch der kleine Geist spukt noch immer in Tante Masthas altem Haus herum.
Vielleicht schreibt sie irgend wann doch noch neue Abenteuer von ihm auf?
Text und Bilder von Marle
„Tante Mastha!“
Gernot rief schon zum zweiten Mal.
Er schlief in seiner Hängematte und wurde durch das Klingeln an der Haustür geweckt.
Nun war er neugierig geworden und wollte wissen, wer da wohl geklingelt hatte.
Drrr, klingeling!
„Ich komme ja schon!“ Tante Mastha eilte die Treppe herunter und öffnete die Tür.
Es war der Postbote. Er war mit seinem gelben Postauto gekommen und verteilte nun die Pakete.
Er hatte es heute besonders eilig. Musste
er doch ziemlich weit fahren, um alle Sendungen auszuteilen, die in seinem Auto gestapelt lagen.
Zu Tante Mastha brachte er ein besonderes Paket, das er ihr durch die Haustür schob.
Es trug die Aufschrift eines Versandhauses.
„Bitte hier mal unterschreiben!“, bat der Postmann und war dann auch schon wieder weg, noch ehe Tante Mastha richtig Danke sagen konnte.
Gernot war in der Zwischenzeit aus seiner Hängematte heraus geklettert und bestaunte das Paket.
Es war ziemlich groß.
Was es wohl enthalten mochte?
Ist auch was für ihn darin?
Er versuchte die Schrift zu entziffern, tänzelte um das Paket herum und rüttelte
und schüttelte es hin und her.
Das Paket war ganz schön schwer.
Tante Mastha amüsierte sich.
Als sie keine Anstalten zeigte, Gernots Neugierde befriedigen zu wollen, fragte er: „Willst du das Paket nicht aufmachen?“
Tante Mastha schüttelte den Kopf.
„Das darf ich nicht. Das Paket gehört dem Weihnachtsmann. Er kommt her und holt es ab. Er braucht die Sachen für den Heiligen Abend.“
Gernot riss die Augen auf, damit hatte er nicht gerechnet.
Nun wurde er richtig hibbelig:
„Der Weihnachtsmann?“, rief er entzückt, „Der kommt hier her? Wann,
heute noch? Jetzt gleich?“ Gernot fragte alles auf einmal.
Tante Mastha lächelte.
„Das weiß ich nicht, das kann ich dir nicht sagen! Der Weihnachtsmann meldet sich nicht an. Er kommt vorbei, sobald er Zeit hat. Das kann sogar ein paar Tage dauern. Bis Weihnachten hat er noch viel zu tun.“
Gernots Freude versiegte schnell und er wurde nachdenklich.
Er könnte den Weihnachtsmann mitunter verpassen, weil er gerade nicht Zuhause war oder fest schlief.
Aber er wollte ihn so gerne treffen, weil er ihm was sagen wollte.
Er überlegte, bis ihm eine Lösung einfiel: „Wir bringen ihm das Paket nach Hause. Bestimmt weißt du wo der Weihnachtsmann wohnt. Dann kann er sich den Weg zu uns sparen.“
Tante Mastha holte Luft. „Das geht doch nicht!“, widersprach sie.
„Das ist viel zu weit. Der Weihnachtsmann wohnt im Winterwald, oben am Nordpol wo die Rentiere leben und so ein schnelles Auto besitze ich nicht, dass wir zu Weihnachten dort rechtzeitig ankommen. Dann ist die Bescherung lange vorbei.“
„Warum lässt dann der Weihnachtsmann
das Paket nicht gleich an seine Adresse schicken oder schreibt das Versandhaus die auf dem Karton nicht drauf?“ Der kleine Geist zeigte auf den Deckel. Auf die Stelle wo die Anschrift stand.
Stimmt, dachte Tante Mastha, gute Frage.
Sie dachte nach. Was konnte sie dem kleinen Geist darauf antworten?
„Vielleicht fehlen ihm ein paar Dinge in seiner Werkstatt, die er dringend braucht. Dann schickt er seine Helferlein, die fleißigen Wichtel, ins Warenhaus, um die Sachen zu besorgen. Doch weil das Versandhaus die Pakete nur mit der Post verschicken kann, geben sie Adressen von Menschen an. Sogar ein Postauto kann nicht bis zum Nordpol fahren.
Außerdem hat die Post gar keine Zeit für eine so weite Reise. Du hast ja gesehen, wie beschäftigt der Postbote war. Darum holt der Weihnachtsmann die Bestellungen selber ab. Mit seinem Schlitten kann sehr schnell fahren, manchmal kann er damit sogar fliegen.“
Gernot kratzte sich am Kopf. Zufrieden war er mit der Antwort nicht.
Enttäuscht protestierte er:
„Dann kann der Weihnachtsmann das doch gleich aus dem Versandhaus holen und du musst nichts mehr zurückschicken, wenn es nicht das Richtige ist.“ Das hatte Tante Mastha schon öfter machen müssen.
Tante Mastha atmete tief durch, wieder
so eine verflixte Frage, aber die Antwort fiel ihr diesmal leicht: „Im Versandhaus gibt es viel zu viele Sachen. Bis er alles gefunden hat, was er braucht, vergeht kostbare Zeit. Die Geschenke müssen pünktlich fertig sein.“
Uff, dachte Tante Mastha. Hoffentlich war er jetzt zufrieden.
Doch Gernot legte noch eine Frage drauf:
„Woher weiß der Weihnachtsmann, ob im Paket das Richtige drin ist?
Macht er das Paket vorher auf, bevor er es mit nach Hause nimmt?“
Nachtigall, ich hör dich trapsen, dachte Tante Mastha.
Der kleine Kerl hoffte auf eine Fehlsendung.
Tante Mastha rätselte im Stillen, warum Gernot das alles wissen wollte?
„Du musst dir keine Sorgen machen.“, beruhigte sie ihn.
„Der Weihnachtsmann kauft gewissenhaft, was die Kinder auf ihren
Wunschzettel schreiben und da steht ausführlich drauf, wie die Geschenke aussehen sollen.“
Gernot schaute Tante Mastha an und wiederholte langsam das Gehörte.
„Wunschzettel? Was ist das?“
Tante Mastha wunderte sich. Der kleine Geist wusste nicht, was ein Wunschzettel ist?
„Du schreibst deine Weihnachtswünsche auf ein Blatt Papier und schickst sie im Brief zum Weihnachtsmann.“, klärte sie ihn auf.
„Ich weiß aber die Adresse nicht.“, sagte Gernot traurig.
Tante Mastha horchte auf: „Das macht doch nichts.“, meinte sie.
„Das erledigt die Post. Die hat einen Briefkasten aufgestellt, in dem alle Wunschzettel gesammelt werden. Hast du noch keinen Wunschzettel geschrieben?“
„Nein!“, rief Gernot aufgeregt: „Darum warte ich doch auf den Weihnachtsmann, damit ich ihm meinen Wunsch sagen kann. Vom Wunschzettel habe ich nie was gehört!“
Erleichtert begann Tante Mastha an zu lachen. So war das also!
Gernot hatte einen Wunsch und wusste nicht wie er ihn vortragen konnte.
Tante Mastha bot sich an: „Soll ich dir beim Schreiben helfen? Ich bringe deinen Wunschzettel auch gleich zur Post. Was möchtest du vom Weihnachtsmann gern
haben?“
„Eine große Schleife für mein Kleid. Solche, wie sie im Schaufenster hängen, die Glitzernden mag ich besonders gern.“, freute sich der kleine Geist.
Tante Mastha holte Stift und Papier und schrieb den Wunsch von Gernot auf. Dann faltete sie den Bogen zusammen und steckte ihn in einen Umschlag. Sie schrieb in großen Buchstaben:
AN DEN WEIHNACHTSMANN
darauf und brachte ihn, wie versprochen, zur Post.
Auf dem Rückweg ging sie schnell noch in einen Schleifenladen.
Beinahe hätte doch der Weihnachtsmann für das neue, weiße
Kleid etwas ganz wichtiges vergessen.
Übrigens:
Als Tante Mastha zu Hause wieder ankam, staunte sie nicht schlecht.
Oben auf dem hohen Dachfirst saß der kleine Geist und schaute zu, wie gerade der Weihnachtsmann an der Fassade vom Nachbarhaus nach oben kletterte.
Anscheinend sammelte er gerade alle seine Paketsendungen ein.
Und dieser Weihnachtsmann war nicht aus Plastik.
Nein!
Ich hab den Weihnachtsmann geseh'n,
gestern Abend Glocke Zehn.
Was ich sah war kurios,
was war bei Weihnachtsmann nur los?
Mochte Rentier Rudi nicht,
weil er zog zu viel Gewicht?
War sein Schlitten gar defekt,
konnt' nicht laden sein Gepäck?
Liebe Kinder glaubt es mir,
ich schwöre es bei Finger Vier.
Der Weihnachtsmann kam angeflogen, saß freudestrahlend hoch dort droben,
als wär's schon immer so gewesen,
auf Harry Potters Superbesen!
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