Kurzgeschichte
Der Geruch vom toten Schwein - Beitrag zur Challenge Nr. 14

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"Der Geruch vom toten Schwein - Beitrag zur Challenge Nr. 14"
Veröffentlicht am 04. Dezember 2016, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Melinda Nagy - Fotolia.com
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Über den Autor:

Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.
Der Geruch vom toten Schwein - Beitrag zur Challenge Nr. 14

Der Geruch vom toten Schwein - Beitrag zur Challenge Nr. 14

Der Geruch vom toten Schwein


Beitrag zur Challenge Nr. 14 mit der Aufgabenstellung:


Die Tage und Rauhnächte zwischen den Jahren.





            MerleSchreiber/12/2016


























Der Geruch vom toten Schwein



Je älter ich werde, desto deutlicher erheben sich aus den vielfältigen, aber meist verschwommenen frühen Kindheitserinnerungen herausragende Ereignisse. Bei näherer Betrachtung haben sie eines gemein. Sie sind fast immer mit einem besonders markanten Geruch verbunden. Meine Vermutung ist,

dass Gerüche für eine verstärkende Wirkung bei der Abspeicherung von Erlebnissen verantwortlich sind und das Erinnern - ob nun gewollt oder ungewollt - begünstigen. 


Zu meinen eher ungeliebten Geruchserinnerungen von früher zählt jener grausliche Gestank, der jedes Jahr kurz nach den Weihnachtsfeiertagen die lieblichen Kerzen- und Plätzchendüfte in einer völlig übergangslosen Weise ablöste. Ein Gemisch aus Blut, Schweiß und - nein keine Tränen - sondern heißem Schweinefett. Doch, Tränen gab es bei der jährlichen Hausschlachtung auf unserem Hof auch zur Genüge. Bei

mir wegen dem mit einem Bolzenschussapparat herbeigeführtem Tod von zweien unserer Schweine und bei der Mutter und Großmutter wegen dem Schneiden der vielen Zwiebeln, die zusammen mit Knoblauch, Kümmel und vielen weiteren Gewürzen für die Herstellung von Blut- und Leberwürsten sowie rotem und weißem Presssack benötigt wurden.


Ich erspare es euch und mir an dieser Stelle, den detaillierten Ablauf der 

Schweineschlachtungen zu schildern, wie sie mir im Gedächtnis geblieben sind. Beim eigentlichen Vorgang wurde mir ohnehin schwarz vor den Augen, weil mir

meine Mutter den Kopf fast vollständig und ungeachtet einer aufkommenden akuten Atemnot in ihren Schürzenkittel einwickelte und mir dabei auch noch die Ohren zuhielt, damit ich das Quieken der dem Tode Geweihten nicht so laut hören sollte.  

"Dös muaß scho aushalt`n, dös Dirndl", hörte ich den Huawametzger wie von fern mit seinem scheppernden Gelächter,  "d`Würscht" mog`s ja dann a`, gell?!" 

Da hatte der Huawa recht. Die Wurst und die Schnitzel erst recht. Aber das ganze Drumherum, bis die guten Sachen auf den Tellern landeten, das war mir wirklich auf`s äußerste zuwider. Wie freute ich mich, wenn ich dann einige

Tage später meine Mutter zur Großmutter sagen hörte:

"Jiatz muess ma schaun, dass ma de Kuechln machan."

Ui, Berge von langen Pflanzenfettstangen

wurden nun in annähernd Wagenrad großen Eisenkesseln auf dem Holzofen geschmolzen und der eklige rohe

Schweinsgeruch vom frischen Krapfen- und Kuechlnduft abgelöst.

Meine kindliche Welt war wieder in Ordnung! Aber auch nur solange, bis die Nutznießer der Backkünste meiner Großmutter und meiner Mutter vor unserem Hoftor standen und wenig später mit lautem Geschepper und Geschrei an unsere Küchenfenster klopften.

D`Rauhnachtsinger waren da! Fürchterliche Gestalten, in Lumpen gekleidet und das Gesicht mit Ruß schwarz angemalt, sangen, nein grölten:


"Heit is d`Rauhnacht
wer hat`s aufbracht?
A oider Mo,
dem hängan d`Lumppn davo.
Kiachln heraus, Kiachln heraus
sunst mach i dir a Loch ins Haus."


"Ja, ja, is ja scho guat", beschwichtigte meine Großmutter das "Gwscherl" und ich weinte, was das Zeug hielt. Ob nun aus Angst vor den furchterregenden

Gesellen oder weil meine Mutter sämtliches Schmalzgebäck in große Papiertüten verpackte und es den Haderlumpen mit den übertrieben furchterfüllten Worten

"Tuats uns nix, tuats uns nix" zum Fenster hinausreichte - ich weiß es nicht mehr!


Auf alle Fälle war auch der Gebäckgeruch schnell verflogen und man möchte meinen, dass dann auch mal für eine Zeit Ruhe mit den im Gedächtnis haftenden Extremgerüchen war.

Doch dem ist nicht so.

Ein verdammt beißender Gestank taucht im Anschluss an das

Schmalzgebackene in den Weiten meiner Erinnerungswelt auf. 

Was war das nur?

Etwas, das ganz prägnant war.

Ich meine fast, dieser Geruch war sogar auf der Zunge zu spüren.

Und dann höre ich einen lauten Knall.

Ja, Geruch und Knall, das muss ganz fest miteinander verbunden gewesen sein!


Ah, jetzt weiß ich es wieder, es war....


Ach, tut mir leid. Ich kann das jetzt leider nicht weiter ausführen,

geschweige denn auflösen. Das fällt ja nicht mehr in den Zeitraum zwischen den Jahren, so wie es die Aufgabenstellung

dieser Challenge erfordert hat.  


Also, ratet mal schön.

Die Auflösung steht dann auf der nächsten Seite.




















Ponderosa.... Cartwright!

Der Gestank aus den Faschingspistolen*

meiner Brüder alias Adam und Little Joe.


* Die Zündplättchen sind aus Kaliumchlorat und rotem Phosphor zusammengesetzt.

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Über den Autor

MerleSchreiber
Unter dem Pseudonym MerleSchreiber veröffentliche ich seit dem Jahre 2012 Gedichte und kleine Kurzgeschichten. Neben Alltagsthemen möchte ich auch tabuisierte Lebenswelten so aufbereiten, dass sie das Interesse und den Zugang zu den Herzen der Leser finden.

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abschuetze Tolle Geschichte. Na ja, ob die Erinnerungen so toll waren, weiß ich jetzt nicht, aber du hast sie dem Leser sehr real rübergebracht. ...Riecht es hier nach Schwein?--lach-- Das nicht, aber das Fettgebackene ...miam miam miam. Auch die Zündplättchen kenne ich. Hab selbst damit gespielt ...hi hi hi
Sehr gern gelesen. Hab sogar die Mundart, Dialekt oder was auch immer fast hinbekommen. Danke für die Story.

LG von Antje

Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume Hallo Merle,
Deine Geschichte weckt auch in mir Kindheitserinnerungen an die "Ach so gute alte Zeit" und dem Steben nach Sattwerden dem sich alles unterordnen musste. Familienleben, Tagesablauf , ja selbst Familienplanung. (Die meisten Kinder wurden früher auf dem Dorf Anfang des Jahres wenn Vater, Mutter zur Ruhe gekommen waren gezeugt)
Auch bei uns wurden zwei Schweine geschlachtet. Ich erinnere mich mit Schaudern an unseren Fleischer, der mir als 5 jährigen Mädchen mal die ausgestochenene Augen des Schweines in die Hand dückte und sich diebisch an meinem Ertschrecken ergötzte.
Nach dem Schlachten wurden alle Töpfe, Tische und Holzbretter mit einem komisch riechendem Mittel gesäubert. An diesen Geruch kann ich mich auch noch gut erinnern und auch an den Geschmack von Wurstsuppe und Stichfleisch.
Eine interessante und gut geschriebene Geschichte an der ich nichts zu mäkeln habe.
Wünsche Dir eine besinnliche Zeit voller Genuss und Wohlgerüche die Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
LightningDream Ach ist diese Story gelungen! Und ja, auch ich kenne das Schweine-Schlachten aus meiner Kindheit und habe es abgrundtief gehasst. Jede Türklinke war fettig, das Gequieke der Schweine hallt mir noch heute in den Ohren. Ich mag auch heute noch keine hausmacher Wurst, finde sie nur eklig. Wie gut kann ich das nachempfinden. Du hast ganz viele Erinnerungen geweckt mit Deiner lebendigen Schilderung. Dafür danke ich Dir. Ein echter Lesegenuss :)
Liebe Grüße in den Abend
Martina
Vor langer Zeit - Antworten
Wolkenstill Gerüche!
Schon das Wort löst Erinnerungen aus.
Bin froh das sich die Geruchserinnerungen nun wieder in die positive Richtung verschoben haben.

Deine Geschichte ist wie immer eine Merle-den-Leser-Haut-nah-dabei-Geschichte.
Rauhnachtsinger kannte ich bisher noch gar nicht --- also auch eine "Ich-lern-noch-etwas-dazu" Geschichte.
Danke dafür

Liebe Grüße
Ella
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Hach, diese Gerücje aus den Tündplättchenpistilen kenne ich auch noch. Es war ein beißender Gestank.
Schweineschlachten kenne ich Gott sei Dank nicht, ich glaube, da hätte ich nie wieder was davon gegessen.
Vielen Dank für diese Kindheitserinnerung, an der Du uns hast teilhaben lassen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Shehera Die Gerüche deiner Auflösung am Ende kenne ich auch...die anderen leider oder zum Glück nicht so. :-)))

Du hast sie uns aber in einer sehr lebendigen Erzählung nahegebracht...und ich denke ich bin froh, dass ich das Schlachten als Kind nicht so miterlebt habe. :-)

Sehr gut geschrieben!

LG Shehera
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks Sehr schöne Geschichte, die Du da geschrieben hast, ich habe viel Neues erfahren und mein eigenes Geruchskino überprüft.
Die Lebendigkeit Deiner Erzählung ließ mich an Deiner Erfahrung teilhaben, wenn auch meine Schweine-Schlachterlebnisse hier in Ungarn gerinfügig abweichen. Das Schlachten gehört auch hier in die Zeit zwischen den Jahren bzw. in die Vorweihnachtszeit.
Danke für Deine Erinnerung. LG vom Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Und ich dachte bisher, das erpresserische "Süßes sonst Saures" sei eine Erfindung der US-Kultur/Unkultur...
Habs interessiert gelesen und finde, irgend ein Feuilleton würde das sicher drucken.
Es grüßt Dich
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer liebe Merle,
der mensch ist eine wunderbare erfindung , eine die zwar nicht fehlerfrei ist , aber die soviele möglichkeiten hat, erinnerungen zu speichern , in form von bildern und gerüchen , wobei gerüche uns die bilder dazu zeigen.
und dieses hast du fast bildlich dargestellt ,
eine schöne geschichte .
lieben gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Gut erzählt - - - und nun weiß ich endlich, wie sich das anfühlt, wenn die Rauhnachtsinger lumpenbehangen durch die Straßen ziehen. Hier gibt es diesen Brauch nicht. Die Bilder kenne ich aus dem Fernsehen und nun weiß ich sogar, dass sich das Gefühl mit dem Duft von Schmalzgebäck paart.
Danke dir für diese Bereicherung :)
Vom Lärmschutz für kleine Mädels mit Hilfe von Küchenschürze, ganz zu schweigen - - - so schön erzählt!
Da gibt es gar nichts zu meckern, drumm halte ich still und versende lieber ein paar Talerchen an dich ...
Vor langer Zeit - Antworten
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