Kurzgeschichte
Dreisam

0
"Dreisam"
Veröffentlicht am 06. Januar 2009, 26 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich lebe frei nach dem Motto von Seeed: Es ist egal, ob du studiert hast oder gut f..kst, der Meister erkennt, will ich relaxen, oder mehr Geld und den ganzen Mist, was du verdienst ist was du kriegst! "BLUTIGE LECKERBISSEN" ALLE MEINE HORRORSTORYS ZUSAMMEN GETRAGEN, NATÜRLICH DANK EURER HILFE UND GUTEN RATSCHLÄGEN ÜBERARBEITET, LEKTORIERT UND ES WIRD AB DEM 1 JULI IM BUCHHANDEL, SO WIE IN INTERNETHANDEL (AMAZON etc.) ZUHABEN SEIN. ALSO ...
Dreisam

Dreisam

Dreisam

Noch bevor ich die Augen öffnete, nahm ich schon Sandras Geruch war. Die liebliche Mischung ihres Schweißes mit irgendeinem Parfüm von Dior, erfüllte meinen Kopf mit Bildern ihres schwitzenden Körpers. Meine Frau würde nie so riechen, geschweige denn so schwitzen. Das Kopfkissen, welches aus Gänsedaunen bestand, hatte sich an meine Wange festgepappt, aber ich roch den typischen, sauberen Geruch eines teuren Hotels immer noch hindurch.

Draußen war schon heller Tag, wenn denn je ein Tag im November hell gewesen ist. Ich blinzelte kurz und schaute direkt durch das riesige Panoramafenster auf den Eiffelturm, der von einem tiefen Grau, dicken, hängenden Regenwolken und großen Regentropfen umzingelt war. Er stach aus allem heraus, wie ein rostiger, kalter Phallus. Gab es etwas tristeres als Paris im November? In der Nacht, die ich als Kölner deutlich kälter empfand, als bei uns, leuchtete er in bunten Farben und sollte den Liebenden wohl die Herzen öffnen.

Sandra atmete ruhig, fast zufrieden. Ihr Rücken hatte eine leichte Gänsehaut, ihre chinesischen Tattoos glitzerten aus diesem Grund irgendwie silbern. Hoffnung, Liebe, Freundschaft und Geborgenheit bedeuteten die vier Schriftzeichen, die sie sich vor fünf Jahre hatte stechen lassen. Ich spürte, dass mein schlaffes Glied zwischen ihren Pobacken eingeklemmt war und versuchte es vorsichtig zu befreien, was mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Sie seufzte leise und streichelte mich blitzschnell über die Hüpfte. Unter der Decke verfolgte ich ihre Taille, bis hinunter zu ihren phantastischen Hintern. Mit zwanzig hatte sie einen Zuckerpo, aber mit dreißig war er einfach der Wahnsinn!

Ein Ruck ging durch meinen Körper. Ich fühlte mich so zufrieden, wie eine Sau im Maststall. Für wenige Tage war ich glücklich, doch ich wusste, am nächsten Tag, würde ich wieder zurück nach Köln fahren und mein Leben mit meiner Frau und meinen beiden Kindern antreten. Dort war ich auch glücklich, aber anders. Als Sandra sich die Tattoos stechen ließ, habe ich geheiratet und das Lustige war, sie war dabei. Ich habe Sandra nie als meine Geliebte angesehen, denn dies war sie nie.

Ich kannte Sandra lange bevor ich meine Frau traf, fünf Jahre um genau zu sein. Lange bevor sie nach New York Manhattan zog und eine erfolgreiche Boutique eröffnete. Sie liegt genau in der Gegend, wo diese HBO – Serie „Sex and the City“ lief. Doch Sandra hat nichts mit den Frauen gemein, die sich dort Folge für Folge trafen, weder mit Carrie, noch mit Samantha. Wenn man sie beschreiben wollte, was ich bei einer Person wie Sandra sehr schwierig finde, dann wohl am besten so: Sie wäre wohl die perfekte Besetzung für einen Woody – Allen – Film!

Sie hat etwas unterkühltes wie Scarlett Johansson, die kleine Priese Smartheit von Mia Farrow und das Mädchenhafte von Liv Tyler. Die Times nannte sie das Pandon zu Heidi Klum, ein wahres Fräulein Wunder, und sie platzierten sie in den Top Ten der bestverdienenden , nicht US- Stämmigen New Yorkerinnen. Ja, sie ist Multimillionärin.

Sanft strich ich mit dem Zeigefinger ihr Rückgrat empor. Sie hauchte sanft und ein Lächeln zog sich bis zu ihrem linken Ohr, auf das ich verträumt starrte. Parallel zu meiner Streicheleinheit fuhr eine weitere Hand die Decke an ihrer Hüfte hoch, blieb kurz auf ihrer Schulter in Ruhe und Zufriedenheit liegen, bis sie sich auf die Reise zu mir machte und meine Wange zärtlich liebkoste.

Jays Kopf erhob sich und seine glänzenden Augen schauten mich lächelnd über den Schopf der aufwachenden Schönheit an. „Morgen Großer!“

Ich grinste. „Morgen alter Mann!“

„Wer von uns ist der alte Mann? Ich glaube du hast schon vorher schlapp gemacht!“

„Ich bin ja auch verheiratet. Ich hab halt ein schlechtes Gewissen. Claudia wächst mir langsam ans Herz...“

„Redet nicht so, als würde ich nicht zwischen euch liegen!“ motzte Sandra spielerisch.

Wir küssten sie von beiden Seiten auf ihre nackte Schulter, so das sich unsere Stirnen leicht trafen.

„Sorry Süße!“ sagte Jay lapidar.

Jay war schon einer. So voller Leben und so voller Trauer. Falten gruben sich immer tiefer in sein Gesicht, das fiel mir an diesem trüben Novembervormittag deutlich auf. Sie gaben seinem Gesicht etwas verwegenes, ruheloses. So wie er sein ganzes Leben war, immer unterwegs und immer unter Strom. Ein Wanderjude. Ruhe gab es für ihn nicht, vielleicht wenn überhaupt erst die letzten beiden Jahre vor unserem Treffen?

Er hatte sich 2005 eine kleine Finca an der Algarve gekauft und pflegte ein Jahr seine an Demenz leidende Mutter. Davor lebte er quasi aus dem Koffer, rund um den Erdball. Da, wo was los war, da wo Bomben, Terror und Krieg waren, da war auch Jay. Mit seiner Canon und der Tasche voll Objektive. Seine Bilder wurden von Times, Life, GQ, dem Playboy, Spiegel, Stern und sonstigen Zeitungen und Magazinen gekauft, die Kriegsberichterstattung abdruckten. Er selbst war einmal „Opfer“ einer Reportage, wie er es nannte, sie begleiteten ihn 2003 nach Kabul und Bagdad, wo er selbst, unter Einsatz seines Lebens, Fotos für die Presse schoss. Einer der Reporter fing sich eine Kugel ein und wir hatten ihn bis 2004 nicht mehr gesehen. Nur das Bild dieser Reportage bleib uns. Wo er auf dem Hindukusch steht, den blauen Himmel, mit riesigen, weißen Quellwolken im Hintergrund und seinem verschmitzten Grinsen im Gesicht. Einen braunen Statson auf seinem Kopf, ein beiges Leinenhemd und eine Fivepocket- Jeans und dicke Stiefel. Seine Kamera um den Hals, die Tasche auf dem Rücken. Wie ein zu dunkler Indianer Jones, nein wie ein Robert Jordan, der darauf wartet eine Brücke zu sprengen. Gary Cooper in „Wem die Stunde schlägt“, so kam er mir vor. Als sei er auf der Suche nach seiner Brücke, oder seinem Mädchen....

Ich glaube nicht, dass er je jemanden wirklich geliebt hat, außer seine Eltern und uns beiden, aber es gab wohl nie die eine für ihn. Nach ihr verzehrte sich sein Herz, ihr war er immer auf den Fersen, doch er fand sie nie. Er fand nur Sandra und mich. Und dies grenzte schon an göttlichem Wahnsinn.

1997 ich war gerade dreißig geworden und lebte schon in Köln, um ein berühmter Schriftsteller zu werden – doch meistens verbrachte ich Abende hinter dem Tresen als Bedienung in einem Reggae – Club und die Tage damit meinen Rausch auszuschlafen - flatterte plötzlich die Einladung zu einem Treffen der Ehemaligen meines Gymnasiums in meine verrottende Altbauwohnung. Alle Jahrgänge waren gefragt. Ich dachte mir, da die Schulzeit nun auch schon fast zehn Jahre hinter mir lag, kannst du ja mal hin gehen, vielleicht trifft man ja alte Freunde wieder?

Mühlheim war jetzt auch nicht so weit weg, konnte man prima mit der Bahn erreichen und so machte ich mich auf den Weg - Ich weiß den Tag gar nicht mehr / Ist aber auch egal!- zu meiner alten Schule. Ich hatte nur vergessen, dass der Großteil meiner Klassenkameraden Arschlöcher waren und hatte schon nach fünfzehn Minuten festgestellt, dass niemand da war, den ich auch im Entferntesten leiden mochte. Frustriert stand ich herum und fragte mich, was ich eigentlich da tat. Die meisten aus meiner Klasse hatten studiert, eine gute Ausbildung absolviert und verdienten sich ihre Brötchen in der Finanz- und Wirtschaftswelt. Ich stand in einer Wirtschaft und schaffte es gerade einmal meine Miete zu zahlen. Ich war ein wahrer „Herr Lehmann“. Irgendeiner meinte dann auch zu mir: „Na du warst ja damals schon ein Träumer, aber gar nichts aus deinem Abi machen, dann hättest du ja direkt bei deinem Vater auf Bayer anfangen können.“

Ich glaube ich ließ ihn stehen, ohne ihm die Zähne einzuschlagen, aber Hundertprozentig will ich das nicht beschwören. Ich verließ meine Klasse und streunerte in der riesigen Aula umher. Da waren Leute im Alter meines Vaters und sogar meines Großvaters, sie alle standen bei Sekt und Häppchen und unterhielten sich großartig.

Irgendwann landete ich da, wo ich sonst nur arbeitete, an der Theke. Sie hatten extra für die Feier eine Holztheke aufgebaut, mit Spiegeln und dem ganzen Schnick Schnack, eine riesige Auswahl an Spirituosen und mit allem Zubehör. Und hinter dem Tresen stand Sandra. Ihre Haare waren damals nicht so lang wie heute, aber immer schon pechschwarz und mit Haargel aufgestylt.

„Was darf es denn sein?“

Sie war bezaubernd. Doch ich hätte sie wohl nie angemacht. „Whisky?“

„Gute Wahl! Scotch? Malt? Canadian? Bourbon?“

„Einen Kanadischen. Is der gut?“

„Einer unserer Besten!“

Sie stellte mir ein Glas vor die Nase, mit drei Eiswürfeln. „Sieben Mark!“

„Heftiger Spaß!“ meinte ich und kramte in meinem Portemonnaie nach dem Heiermann und einem Zweier, legte die Geldstücke auf die Theke und trank mit vorsichtigen, genießenden Schlückchen den Saft der Sonne.

„Die können sich das alle leisten! Die Schmocks!“

„Ich nicht! Nicht jeder wird reich nach dem Abi, oder studiert.“

„Was machst du?“ fragte sie und goss mir nach.

„Das Gleiche wie du!“

„Abitur?“, sie lachte. „Ich hab im nächsten Jahr Prüfungen, ich mach das hier nur, weil ich keinen Bock auf die Arschlöcher aus meiner Klasse habe. Nächstes Jahr bin ich hier weg und dann studiere ich Design. Diese versnobten Affen ...“

Sie schien sich mit mir zu verbrüdern, wir waren Freigeister, kreative Köpfe, denen es nicht um Geld und Gewinn ging. Sandra schenkte mir noch einmal nach, dann winkte ich ab und verlangte Bier.

„Das kann ich mir leisten.“

Ich saß also da und trank, das konnte ich schon immer verdammt gut. Sandra machte Drinks für weitere Gäste, köpfte Champagner und ich dachte so bei mir, dass sie alle Voraussetzungen einer guten Barfrau hatte. Dann blitze es vor meinen Augen. Für einen Moment dachte ich, ich hätte einen Schlaganfall erlitten, aber es war nur Blitzlicht.

„Hey Cowboy! Tut mir leid, aber du hattest gerade den traurigsten Gesichtsausdruck, den ich je gesehen habe!“ Der Mann hatte einen leichten amerikanischen Akzent und setzte sich sofort neben mich an den Tresen. „Hi ich bin Jay!“

„Jay?“

„Ja, Jay!“

Eigentlich James, Abduhl Gray, erfuhr ich im nächsten Atemzug. Sohn eines amerikanischen GI's und einer algerischen Mutter. Jay machte im selben Jahr in unserer Stadt Abitur, als ich auf dem Gymnasium eingeschult wurde. Als ich ihn das erste Mal traf, da war er achtunddreißig und hatte schon den 1. Irakkrieg und den Jugoslawienkonflikt hinter sich. Er erzählte mir, dass er fünf Sprachen fließend sprach, Französisch, Englisch, Deutsch, Algerisch, Arabisch, dazu genug Farsi und Hindu und ein wenig Spanisch. Ich war so neidisch, denn ich hatte es nicht mal auf ein anständiges Englisch gebracht. Sein Vater war so oft mit ihnen umgezogen, jedes Mal auf neuen Stützpunkten und so musste er neben seinen Elternsprachen auch die der Gastländer lernen.

„Was trinkst du Großer?“

„Bier?“

„Bier? Mann ich fragte dich, was du trinkst? Whisky? Ich seh die haben einen guten Malt hier. Hey Sweetheart! Mach uns beiden hübschen mal zwei Malts!“

„Hör zu ich bin nicht...“

„Schwul? Scheiße Mann ich auch nicht! Es ist nur ein Verbrechen, dass ein Mann, in einer Gesellschaft wie dieser Trübsal bläst!“

„Ich kenn hier niemanden, die die ich kenne würd ich lieber nicht kennen...“

„Hey! Ich war ein Jahr hier, ich kenn niemanden hier! War gerade in Hamburg um meinen neuen Vertrag abzuholen und hab die Einladung erhalten. Bin sofort hier her, denn wenn man niemanden kennt, lernt man jemanden kennen. Sieh dich an! Ich kenn dich jetzt und du mich. Ich bin nicht schwul Cowboy und du hast schon diese wunderschöne junge Frau hier kennen gelernt, also Chef, blas' kein Trübsal! Feiere, genieße dein Leben mit jedem Atemzug. Denn das Leben ist kostbar, ich weiß wovon ich rede. Ich war in Kuwait! Wenn es deinem Nachbar gefällt, überfällt er dich und dein Leben ist von heute auf morgen für' n Arsch!“

So sprach er den ganzen Abend, bestellte Whisky lachte und machte Sandra am laufenden Band Komplimente. Zitierte nach einer Weile Alexis Sorbas und weitere Werke des großen, griechischen Schriftstellers und war ganz entzückt, als ich ihm schon recht angeheitert verriet, dass ich auch schrieb.

„Du musst was machen Großer! Es geht nicht, dass du dein Leben verschwendest. Du kommst morgen mit mir mit und du schreibst alles auf! Was ich sehe, nehm ich mit meiner Canon auf, du musst es in Worte kleiden. Leb Cowboy! Trink Cowboy!“

Der Abend verging und ich hing an seinen Lippen, seine Erzählungen von Krieg und Elend, Leben und Landschaften verzauberten meinen Geist und entflammten die Reiselust in mir. Als es ruhiger wurde lud er Sandra ein und wir tranken und erzählten. Und Jay rief aus: „Du wirst Schriftsteller und du Modedesignerin! Wisst ihr was? Ich will jetzt tanzen!“

Er ging zum DJ und durchsuchte mit geübten Blick die Plattensammlung. Nach wenigen Minuten drang „Sunglasses at nite“ - von Inner Circle aus den Boxen und wie der große Grieche hob Jay seine Arme und tanze im Rhythmus wie ein Derwisch. Er rief uns zu sich, etwas verkrampft blieb ich neben ihm stehen, Sandra machte es ihm nach, dann folgte ich. Ließ alles hinter mir und tanze mit mir völlig Fremden, als würden wir uns ein Leben lang kennen.

Sandra führte uns nach dem Ende der Veranstaltung noch in einen Club, der noch auf hatte und wir tranken weiter. Jay bezahlte alles. „Heute will ich leben, Chef! Heute werde ich tanzen und feiern, meine kleine Amazone!“

Um vier verließen wir das Lokal und standen uns in den Armen haltend auf der Straße.

„Jungs, ich würde euch ja mit zu mir nehmen, aber ich glaube mein Vater fände das nicht so gut...“

„Meine Liebe kein Ding! Sweetheart ich habe ein Hotelzimmer, ihr seid meine Gäste!“

„Mit euch beiden aufs Zimmer? Was das wohl werden würde?“ Sandra lachte und gab Jay einen Kuss auf den Hals, dann wandte sie sich mir zu und gab mir einen Kuss auf die Wange.

Jay lachte. Lachte wie ein Satyr des wilden Dionysos und seine Augen drehten sich feurig. „Wir würden ficken! Ficken, wie ihr noch nie gefickt habt!“

Für einen Moment schauten wir uns an, ob wir das wirklich gehört hatten. Jay nahm uns in seine Arme, würgte uns fast und gab uns jeder einen feuchten Kuss. „Leben bedeutet ficken! Nichts wollen wir im Leben mehr! Essen, trinken und ficken! Wir brauchen keine Moral, die uns davon abhält. Wie müssen alles erleben, alles spüren, denn schon morgen könnt ihr in der feuchten Erde liegen und eure Träume werden nicht einmal Asche sein!“

„Wie...Wie hast du dir das den vorgestellt...“ Ich wusste nicht, was ich zu seinem Vorschlag sagen sollte. Ich meine, ich wusste, ich würde mit ihm nicht auf Reisen gehen, aber eine gemeinsame Liebesnacht war gerade greifbar.

„Vorstellen? Du darfst dir gar nichts vorstellen! Du bist nicht Jesus! Noch bist du Che Guevara, oder Andreas Baader! Wenn du Vorstellungen hast, machst du alles kaputt! Sei wie das Wasser, fließe und genieße. Frag nicht wofür, oder wozu! Tu es!“

So redete er auf uns ein. Und nach einem köstlichen Morgenschmaus, den er uns auf das Zimmer bringen ließ, schliefen wir mit einander. Wir Männer nicht. Wir schliefen beide mit der Frau. Teilten sie uns wie Adam und die Schlange. So wie es sein sollte, denn diese Moral blieb unangetastet, nicht weil es verboten war, oder als schwul galt, nein es war nicht unsere Natur.

Wir wachten am späten Nachmittag in einander verschlungen auf. Verbrachten den Rest des Tages mit einander und die folgende Nacht. Wir tauschten Telefonnummern und Emailadressen aus, ich hatte natürlich keine, und versprachen uns in Verbindung zu bleiben.

Ich dachte nicht darüber nach, genauso wenig wie ich über das Reisen weiter dachte, aber zu Weihnachten erhielt ich von Jay eine Karte und von Sandra einen Anruf. Schuldbewusst revanchierte ich mich mit einem Anruf zum neuen Jahr. Im Sommer trafen wir uns zu unseren zweiten Mal und das dritte folgte im Herbst. Wir schrieben uns, telefonierten und irgendwann hatte ich dann eine Emailadresse.

Am 11. September 2001 telefonierten wir über eine Konferenzschaltung zwischen New York, wo Sandra mit ihrem frisch angetrauten Mann lebte, Süd Tschad wo Jay Photos schoss und Köln.

Sandra beruhigte uns, dass es ihr gut ging, sie den Rauch zwar sehen könne aber doch in einer ganz anderen Ecke lebe. Einen Monat später trafen wir uns in New York, feierten die Eröffnung ihrer Boutique , schliefen in einem Hotel, weit von ihrer Adresse und dem Ground Zero.

Im Dezember veröffentlichte der deutsche Playboy eine meiner Geschichten und sie fanden sie so gelungen, dass sie sogar in Amerika erschien, worauf hin ich das Paradoxe Vergnügen bekam für einen amerikanischen Verlag zu schreiben. Mein erstes Buch schrieb ich auf Deutsch, ein Übersetzter wurde mir eigens unterstellt und das Buch erschien in der amerikanischen Erstauflage und als es dann nach Deutschland schwappte wurde es von einem Übersetzer ins Deutsche übertragen. Ich war von dem Ergebnis nicht wirklich angetan und beschwerte mich. Man ließ die Übersetzerin zu mir kommen. Sie sollte drei Jahre später meine Frau werden. Claudia lernte ich kennen, weil sie meine Kunst verstümmelte. So kann es gehen.

Unser Fünfjähriges feierten wir in Venedig. Sandra hatte Mitte 2002 ihren Mann verlassen und wir feierten ihre Scheidung ausgelassen. Venedig war Sandras Idee, sie liebt romantische Plätze.

Wir fuhren mit Gondeln über die Kanäle, aßen in versteckten Restaurants, weit ab von den Touristenmassen und besuchten den Friedhof auf der Insel vor der Stadt. Vier Tage trieben wir es mit einander und führen dann wieder nach hause.

Jay berichtete uns Ende 2002, dass wohl etwas im Nahen Osten los sei und er für einige Monate arbeiten müsse.

Wir sahen uns zwischen den Angriffen auf Kabul und Bagdad. Danach stand er plötzlich in Mitten meiner Hochzeitsgäste 2004 und küsste meine Frau.

„Sieben Jahre Chef! Wir kennen uns jetzt sieben Jahre Cowboy! Du lebst! Du schreibst, atmest und setzt Kinder in die Welt. Ich habe noch mehr Elend gesehen und viel mehr Tod, als dass es für ein Leben reichen könnte. Ich bräuchte Tausend! Ich war unten, wegen eines Kollegen, er fiel direkt neben mir, so wie du hier stehst! Mich hätte die Kugel treffen sollen, mich! Aber sie traf ihn! Warum? Weil ich leben soll, Cowboy! Ich soll leben, mich nicht verstecken! Nicht ehr über den Tod nachdenken, bis er mich ereilt. Ich muss leben! Whisky trinken, tanzen und Frauen lieben. Nicht eine, nein alle, denn sie sind alle gleich. Ich kann mich nicht wie du, einer hingeben, ich muss alles probieren, alles versuchen und jeder den Hof machen....“

„Du bist kein Grieche!“ Ich lachte. „ Aber wenn du an die Wiedergeburt glaubst, mein Freund, kehrst du als einer zurück!“

„Pah! Grieche, Perser, Amerikaner! Ich scheiß drauf! Ich bin Mensch, als solcher kehre ich nicht zurück! Ich vermodere in der Erde, wenn ich Glück habe, nach einen feinen Leben, aber ich kommen nicht wieder! Darum muss ich alles tun, alles photographieren, festhalten auf meinem Stammhirn. Jede Frau, jedes Fest, jeden Tod! Leben und Tod sind Geschwister und sie treiben Inzucht! Inzucht sag ich dir!“

Meine Frau, mit unserem kleinen Geheimnis unter der Brust, saß neben uns, hörte gebannt zu, verabschiedete sich, als es spät wurde und verbrachte ihre Hochzeitsnacht alleine. Sie sagte, ich solle mit meinen Freunden gehen, denn das seinen sie. Wahre Freunde!

Wir gingen in Jays Hotelzimmer und wir fielen über einander her. Doch ich konnte nicht mehr mit Sandra schlafen, die ganze Zeit, als Jay verschwunden war trafen wir uns nicht, telefonierten, so konnte ich mich in Claudia verlieben, so konnte ich eine Familie gründen. Jay war nicht da und zu zweit waren wir nichts. Nun lagen wir nackt auf dem Bett und für die nächsten zwei Jahre nahm mich Sandra nur mit ihrer Zunge und ich musste meine Frau nicht betrügen.

Jay ging noch einmal für drei Monate in den Irak, dann erreichte ihm die Nachricht das sein Vater gestorben sei. Er hinterließ eine Demenzkranke Frau, um die sich der Sohn nun in Portugal kümmerte.

Meine Familie und ich machten Ferien in seiner Finca und als 2007 seine Mutter starb erschienen wir alle auf der Beerdigung um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Dort verabredeten wir uns auch für unser Zehnjähriges nach Paris

„Zehn Jahre Jungs!“ Sandra nahm uns in ihre Arme. „Du bist dicker geworden. Und du Jay grauer! Aber ihr seid die besten Männer in meinem Leben!“

Ich küsste ihre linke, Jay ihre rechte Brust. „Ich liebe dich! Und dich auch!

„Ja!“ sagte Jay.

„Du bist stiller geworden!“ stellte ich belustigt fest.

„Cowboy! Sei nicht so frech! Ich bin nachdenklicher geworden. Der 11. September hat mir ein schönes Leben finanziert, alles was aus diesem Tage resultierte hat mein Leben, mein Portemonnaie bereichert, aber meine Seele und mein Herz versenkt. Jetzt zwei Jahre vor der 50 denke ich anders, als noch zu deiner Hochzeit. Und auch das gehört zum Leben, zum Alt werden, immer neue Sichten aufnehmen und Meinungen wie gedeckte Tische umzuwerfen. Mohammed hat in Medina bei den Juden gelebt, sie sehr geachtet, Jahre später in Mekka hat er sie vertrieben, aus welchem Grunde? Weil er alt geworden ist? Weil er mehr über sie erfahren hat, weil sie ihm betrogen haben? Was wäre wohl aus der Welt geworden, wenn Jesus ein alter Mann geworden wäre, was wenn Che vom Alter wie Fidel ausgemerzt worden wäre? Wie sehe unsere Welt dann aus? Was wenn ihr damals nicht mitgekommen wert? Wie sehe das Leben von euch aus, wenn meine Mutter gesteinigt worden wäre, weil sie einen Amerikaner geheiratet hat? Was wenn die verdammten Türme nie gefallen wären, die Sowjet Union nie untergegangen wäre. Könnten wir dann in Frieden leben, ohne auf den nächsten Knall zu warten?“

„Wenn Hitler sich nicht erschossen hätte!“ fügte ich bei.

„Hitler? Hitler war ein rassistisches Arschloch! Der hat die Welt so geprägt wie kein zweiter. Die Menschen sind heute alle kleine Hitlers. Jeder hasst jeden. Egal warum, nur Hass!“

So verließen wir uns im trüben November 2007. Jay verkaufte seine Finca und zog wieder in Hotels, er ging ein halbes Jahr nach Afghanistan. Mein zweites Kind wurde geboren im Oktober letzten Jahres. Ein Junge, ich nannte in James, Claudia und ich waren so glücklich. Sandra schrieb mir, dass sie einen neuen Freund habe, sich aber gerne mit uns vor Weihnachten noch einmal treffen würde. Auf Nikolaus erhielt ich von Jay eine Email. „Bin in Gaza! Hier tut sich was!“

Alles was ich weiß ist, das wohl eine Rakete der israelischen Armee sein Zimmer getroffen haben muss. Ich denke, oder weiß es, ohne mit Sandra reden zu müssen, dass wir uns wohl nicht wieder sehen werden. Wir müssen weiter leben, das hat Jay uns gelehrt. Aber auch wenn ich eine Familie habe, meine Kinder sehr liebe, ich werde wohl nie wieder so glücklich sein wie im November im grauen, kalten, regnerischem Paris.

http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57938.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57939.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57940.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57941.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57942.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57943.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57944.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57945.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57946.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57947.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57948.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57949.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57950.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57951.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57952.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57953.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57954.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57955.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57956.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57957.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57958.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57959.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57960.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57961.png
http://www.mscdn.de/ms/karten/v_57962.png
0

Hörbuch

Über den Autor

Micha2071
Ich lebe frei nach dem Motto von Seeed: Es ist egal, ob du studiert hast oder gut f..kst, der Meister erkennt, will ich relaxen, oder mehr Geld und den ganzen Mist, was du verdienst ist was du kriegst!

"BLUTIGE LECKERBISSEN" ALLE MEINE HORRORSTORYS ZUSAMMEN GETRAGEN, NATÜRLICH DANK EURER HILFE UND GUTEN RATSCHLÄGEN ÜBERARBEITET, LEKTORIERT UND ES WIRD AB DEM 1 JULI IM BUCHHANDEL, SO WIE IN INTERNETHANDEL (AMAZON etc.) ZUHABEN SEIN. ALSO WER ES BRAUCHT, ICH WURDE MICH FREUEN.

Ende Mai 2009 erscheint das Buch "Blutige Leckerbissen" von Michael Masomi. Dieses können Sie beim Autor erwerben oder auch im Buchhandel sowie im Verlag art of arts - ISBN 978-3-940119-18-6 / 196 Buchseiten / für 13,65 Euro.

Micha 2071 empfiehlt und sponsert:

www.baerenherz.de

www.aids-stiftung.de

www.deine-stimme-gegen-armut.de


"Bei reifer Erfahrung sehen wir die Unbiegsamkeit der menschlichen Charaktere ein, wie kein Flehen, noch Vorstellen, noch Beispiel geben, noch Wohltun sie dahin bringt, von ihrer Art zu lassen , sondern vielmehr ein jeder seine Handlungsweise, Denkungsart und Fähigkeit mit der Notwendigkeit eines Naturgesetzes durchführen muss."Arthur Schopenhauer


Bin jetzt schon seit 2006 hier im Forum, war einer der Ersten, gab glaube ich noch sechs andere, nun sind es schon 8 Jahre. Kinders wie die Zeit vergeht. Werde jetzt auch schon 43 Jahre, habe drei Kinder, geschieden und lebe in Krefeld. Links in meinen Buchtipps findet ihr auch einige Geschichten von mir, sowie meine Beiden Bücher. Einmal unter Michael Masomi, einmal unter Michael La Tour.


Meine Greifbaren Storys und Geschichten sind:

"Die besten Burger der Stadt" Erschienen in der Anthologie ARTOFMYSTERY

"Das Rennen" & "Wahrheit" Erschienen im Gemeinschaftswerk ourStory

"Die Frau am See" & "40 Rosen zuviel" Erschienen in der Anthologie ARTOFMAN

"Der Hund des Tapetenklebers" & "Alle Jahre wieder" Erschienen in dem Gemeinschaftsprojekt ourStory2

"Kaffee mit Milch" in der Anthologie ARTOFEROTICA

"Der Fehler","Die Venusfalle" & "Der Engelmacher" Erschienen in der Anthologie "Art of Crime"

"Barfliegen - Eine Nacht im McLose" erschienen in der Anthologie "Kneipengeschichten von A - Z" vom Holzheimer Verlag

"Der Junge aus dem Schnee" erschienen in dem Märchenbuch "Zauberhafte Herzen" beim Sperling-Verlag

"Der Leise Tod der Konkobine" und "Ü - 30 Party" erschienen in der Anthologie "Art of Live"

Diese Bücher könnt ihr über den Artofarts bookshop http://www.artofbookshop.de.gg/ beziehen, oder in Buchläden und Internetshops wie amazon, book24.de etc.

Alle Bücher vom Verlag artofarts kann man sich auch als E-Book kaufen.

Mein Dank an alle die, die mich lesen, bewerten und mit mir hier etwas Spaß haben.

Micha

Leser-Statistik
188

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Micha2071 Re: hi Micha -
Zitat: (Original von ConnyB am 09.10.2009 - 19:07 Uhr) Die Geschichte lässt einem vom Anfang bis zum Schluss nicht los! Packend geschrieben, die Personen sieht man bildhaft vor sich, auch sehr gut charakterisiert, man ist mitten im Geschehen! Perfekt!
glg, Conny :)


Schön, dass es gefällt. Danke für dein lob und liebe Grüße in die Schweiz.

Micha
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB hi Micha - Die Geschichte lässt einem vom Anfang bis zum Schluss nicht los! Packend geschrieben, die Personen sieht man bildhaft vor sich, auch sehr gut charakterisiert, man ist mitten im Geschehen! Perfekt!
glg, Conny :)
Vor langer Zeit - Antworten
Micha2071 Re: .. -
Zitat: (Original von furby am 15.03.2009 - 23:33 Uhr) ist echt gut geschrieben, nein sorry, SEHR gut mein ich :)

weiter so! lg


thanx! Freut mich!
Vor langer Zeit - Antworten
furby .. - ist echt gut geschrieben, nein sorry, SEHR gut mein ich :)

weiter so! lg
Vor langer Zeit - Antworten
Micha2071 Re: gefällt mir auch sehr gut, -
Zitat: (Original von Tilly am 28.02.2009 - 20:23 Uhr) so zwiespältig irgendwie


Ja, is so ein philosophisches Ding. Was verpasst man i Leben, was bedeuten Freundschaft und Liebe. Hab ich in Anlehnung für einen meiner besten Freunde gechrieben. War aus der Idee einer Erotikgeschichte zu schreiben, aber irgendwie klappt das bei mir nie so richtig.
Danke fürs Lesen.
Micha
Vor langer Zeit - Antworten
Tilly gefällt mir auch sehr gut, - so zwiespältig irgendwie
Vor langer Zeit - Antworten
Micha2071 Re: Zum Glück gibts pdf... -
Zitat: (Original von Switzly am 14.01.2009 - 22:46 Uhr) Hab mir die Geschichte ausgedruckt und am Wochenende im Skiweekend zu Gemüte geführt. Spannend, hat mich richtig gepackt. Am Schluss gings dann zwar ein bisschen schnell, aber trotzdem super...
Greez

Ja, da war' s schon fast 3 in der Früh und ich hatte angst, dass ich sie am nächsten Tag nicht mehr weiter schreibe, bin aber dabei sie zu bearbeiten, vllch stell ich sie dann noch mal rein?
Danke für' s lesen.
Gruß Micha
Switzly
Vor langer Zeit - Antworten
Switzly Zum Glück gibts pdf... - Hab mir die Geschichte ausgedruckt und am Wochenende im Skiweekend zu Gemüte geführt. Spannend, hat mich richtig gepackt. Am Schluss gings dann zwar ein bisschen schnell, aber trotzdem super...
Greez
Switzly
Vor langer Zeit - Antworten
franziw2000 Re: Re: ***** -
Zitat: (Original von Micha2071 am 08.01.2009 - 17:55 Uhr)
Zitat: (Original von franziw2000 am 08.01.2009 - 00:01 Uhr) Ja Meisterwerk kann man es schon nennen. Sehr gut und mir fallen die Fehler gar nícht auf, da ich wirklich nur die Geschichte lese :-))))

LG Franzi


Och danke liebe Franzi. Freut mich, dass sie dir gefallen hat. Hoffe du bist gut rüber gekommen. Ist es nicht ein herrliches Winterwetter?


Nee zu kalt für meinen Geschmack. Aber bin gut rein gerutscht :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
15
0
Senden

14927
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung