Vorwort
(Alle verwendeten Bilder entstanden nach der Aufführung)
Es sollte zum Konzert gehen. Zu SCHANDMAUL.
Zuhause erstmal ne CD von denen hören. Hm … nicht so meins …
Aber dennoch – Leif ist immer anders als Zuhause über die Boxen.
Ich war ja mal bei so nem Konzert, wo Volksmusik – nicht ganz, aber etwas schon – gespielt wurde. Irgendwo an der Ostsee.
Es hieß, irgendein Sänger sollte da auftreten. Ein Sänger aus dem Westen.
Zu Ostzeiten! Zwei Leute durften von unserer Gruppe hin. Ich war damals saisonmäßig Küchenleiter in einem Ferienlager.
Die Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen! Wir saßen an einem Hang und schauten direkt auf die Bühne vor uns. Was für ein Spektakel! Nen Haufen Leute waren da.
Der Sänger machte es kurz. Bekam wohl nicht so viel Gage. Naja, wer will schon Ostmark. Aber egal! Es war echt toll, obwohl ich eigentlich überhaupt kein Fan von Schlager bin und solch komischer Musik.
Jedenfalls, so meinte Dea, würde sie mir einen Rock nähen.
Mir?
Ich …, im Rock …?
Ähm …naja, warum eigentlich nicht …, freute ich mich, mit einer Spur Skepsis.
Hatte ja noch Stoff, der in etwa 27 Jahre alt war. Gab's damals in irgendeinem Stoffladen. Wie das so war im Osten, wenn irgendwo ne Schlange stand, stellte man sich erstmal mit an. Könnte ja was geben. Die Standardfrage war meistens: „Gibt’s hier Bananen?“
Ich stellte mich also an und kaufte schwarze Popeline, so hieß das Zeug. Für einen Anzug, den ich mir von irgendwem mal nähen lassen wollte. Nun ja, Stoff wird ja nicht schlecht.
Und – nach dem Motto: ERSTMAL HABEN – kaufte ich den Quatsch eben und – der landete dann erstmal (auch so ein oft verwendetes Wort) im Schrank. Und blieb dort erstmal …
Bis Dea ihn entdeckte! Der ideale Stoff für ein Röckchen fürs Andylein …
Weil – zu Schandmaul geht man extravagant. Ich wollte ja schon immer ein Röckchen haben. Am liebsten aus Leder. Fand ich damals schick, als ich jemanden in dieser Kluft auf einer Party sah. Nun – Dea nähte mir einen Rock, der nicht nur passt, sondern auch schick aussieht.
Ich ahnte noch nicht, worauf ich mich da eingelassen habe …
Los geht’s
Mulmiges Gefühl! Bin ich der Einzige, der im Rock rumrennt? Falle ich auf?
Arbeitsstiefel anziehen.
Weil – Schnallenschuhe habe ich ja nicht! Wozu auch. Der Rock ist lang genug und die Schnallen würde dann eh niemand sehen. Natürlich zuerst den Rock. Wobei das Praktische ist – man kann erst die Schuhe anziehen und dann in den Rock schlüpfen. Genial! Mädchen haben es so gut. Denn erst Schuhe anziehen und dann in die Jeans schlüpfen – uijuijuijui …
Dann gibt es sicherlich ein hektisches Herumgehüpfe, ehe man einsieht, dass es SO NICHT GEHT! Drunter trug ich eine graue, lange Unterhose, schließlich war es kalt (Draußen) und windig.
Wir mussten ja erstmal hinfahren. Und dann draußen warten. Wir stiegen ins Auto ein und fuhren los.
Irgendetwas klopfte an die Außentür.
Aber nicht direkt neben mir, sondern weiter hinten. Wer begehrt da Einlass WÄHREND DER FAHRT? Ich schaute Dea an.
„Da hast du wohl von den Bändern des Rockes nicht alle ins Auto geholt.“, meinte sie. Ich guckte erstaunt, dann kapierte ich. Dea hatte ja beidseitig des Rockes schmucke Bänder in farbenfrohem Schwarz angenäht. Die hatte ich glatt vergessen. Und zwei davon wollten wohl nicht mit ins Auto.
Also baumelten sie eingeklemmt von der Autotür im Freien und klopften an die Hintertür. Vielleicht war ihnen auch doch etwas kalt?
An der Ampel war zum Glück ne Rotphase. Also schnell Türe auf, Bänder reingeholt, Türe zu. „Da hast du wenigstens ne Beschäftigung gehabt.“, witzelte Dea, als dann Grün wurde.
Sitzen konnte ich ganz gut. Beinfreiheit war auch vorhanden. Nicht ganz so wie in einer Hose, aber immerhin nicht störend.
Columbiahalle
Wir parkten im Viertelrund des ehemaligen Tempelhofer Flughafens. Direkt gegenüber
eines wartenden Polizeiwagens.
Als wir ausstiegen, fuhr es weg. Vielleicht vor Schreck, nen Langen im Röckchen zu sehen. Wer weiß. Vielleicht hatten sie auch gar nicht geguckt. Dann flanierten wir los. Ich bemühte mich, nicht allzu stöcklig zu gehen. Mehr locker vom Hocker, als wenn es nichts Verständlicheres gäbe als im Rock die Straße entlangzugehen. Dann waren wir da. Ne lange Schlange staute sich vor dem Einlass. Wir stellten uns auf die Treppe und ich genoss die erstaunten Blicke der Wartenden. Dea meinte – in der Provinz würden viel mehr Leute Röcke tragen, gerade dann, wenn Schandmaul spielen würde. Und hier, in Berlin … So viele Jeans- und Hosenträger – das große Verwundern
ließ Dea baff staunen. Als die Türen sich öffneten und wir rein wollten, gab man uns zu verstehen, dass wir falsch seien.
Wir müssten eine weiter. Wie – eine weiter … Gab es noch eine Columbiahalle? Gab es! Jetzt verstand ich auch die Blicke der Leute. Schließlich spielte hier irgendjemand anders, aber nicht Schandmaul.
Wir gingen also eine weiter. Und standen vor der nächsten Schlange. Weiter hinten stand „Columbiahalle“ auf einem beleuchteten Schild. Und darunter „Schandmaul“. Schön …, wenn man des Lesens mächtig ist. Nur hatten wir es aus unserer Sicht eben nicht erkennen können, weil wir ja aus einer anderen Richtung kamen.
Also noch mal anstehen. Und diesmal richtig. Mir war es eigentlich nur an den Sohlen kühl. Wer Stahlkappenstiefel trägt mit Stahlsohle …! Wenn die Stahlsohle kalt wird, bleibt sie es auch. Das überträgt sich dann auf die Strümpfe. Es ist dann so, als wenn man barfuß auf Eis stehen würde.
Ich stand also barfuß auf Eis, aber sonst war mir relativ warm. Der Wind pfiff um mich herum. Ich wusste nicht, ob ich frieren oder schwitzen sollte. Ein Gefühl, auf welches ich gern verzichtet hätte. Ich tröstete mich, dass es irgendwann weitergehen würde.
Und ich irgendwann drinnen sein würde.
Im Warmen.
Hoffentlich!
Es ging auch Stück für Stück vorwärts. Irgendwann die Treppe hoch. Langsam, aber sicher. Dann – endlich! Rein, hindurch! Körperkontrolle. Aha – deswegen dauert der Einlass so lange. Soll ja niemand Ninjaschwerter einschleppen.
Verständlich …
Garderobe
Jacke abgeben. Wo? Dea wusste es, weil sie erstmal aufs Klo musste. Ich nicht. Obwohl ich ein Rockträger war. Und obwohl ich mir schon Gedanken im Vorfeld gemacht hatte, auf welches Klo ich denn nun gehen müsste, wenn mir was drücken täte. Schließlich trug ich ja einen Rock …
Es ging eine singende Stahltreppe hinunter. Singend deshalb, weil sie interessante Töne von sich gab, wenn man hinunter stieg. Unten angekommen, links herum. Wie eine Flaniermeile, so kam mir der Gang vor.
Dann Klamotten abgeben. Und wieder rumdrehen, eine andere Treppe hoch. Nun ist es ja so, dass, wenn man einen Rock trägt,
der ziemlich lang ist, diesen reffen muss, damit man nicht auf den nachschwingenden Stoff von hinten, mit den Hacken der Schuhe, tritt und dadurch ins Straucheln kommt. Wenn man schnell hoch will. Nun ja, DAS dürfte jedem Mädchen bekannt sein – MIR aber nicht! So trat ich also auf die Kante des Stoffes und wäre beinahe die Treppe raufgeflogen. ROCKNROLL, sag ich da nur! Daher also der Begriff, wenn man die Treppe hochrollt, weil man nicht weiß, wie man gewandet die Stufen hochgehen soll …
Doch dieses Hindernis überwand ich mehr oder weniger geschickt, indem ich den Stoff hochhielt. Also etwas nur, nicht alles, denn sehen wollte ich ja auch noch etwas.
In der Menge angekommen, genoss ich die Blicke auf meine Wenigkeit. Vielleicht schaute sie aber auch auf Dea, die nicht weniger geil aussah. Schließlich hatte sie sich auch ein hübsches Kostüm genäht. Irgendwie passend zu einem Schandmaulkonzert.
Logisch!
Wir suchten uns einen Platz in der Menge und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
Konzert
Irgendwann ging es endlich los. Zu laut, zu schrill, zu … Naja, irgendwie nicht mein Ding. Zum Glück hatte Dea Ohrstöpsel dabei, mit diesen war die Tonlage verträglicher. Ich dachte nur – hoffentlich ist es bald vorbei. Und irgendwann war es auch vorbei.
Dachte ich …
Doch es war nur die Vorband – die richtige sollte noch kommen. Schandmaul nämlich …
Mein Rücken tat mir weh. Trotzdem harrte ich aus und gab den Musikern eine Chance, mich verwöhnten Schnösel im Rock bezirzen zu können.
Naja, was soll ich sagen …
Die Tonqualität wurde besser, wobei man den
Text des Sängers teilweise gar nicht verstand. Für Kenner und Fans der Band vermutlich unerheblich, weil – wenn man den Text kann, versteht man auch den Song.
Das ist wie bei Harry Potter: Wer die Bücher gelesen hat, versteht auch die Filme. Aber egal – die Band bemühte sich um Unterhaltung und schaffte es, auch mich in ihren Bann zu ziehen. Allerdings lenkten mich meine Rückenschmerzen ab. Kann halt nicht lange stehen. Ein leidiges Problem, welches ich schon immer hatte.
Zum Glück hatte ich Dea, die vor mir stand und hin und her schunkelte. Ich umschlang sie mit meinen Armen, und so schwangen wir gemeinsam im Takt der Songs mit.
Heimwärts
Irgendwann war nun doch endlich Schluss. Endlich deshalb, weil die Aussicht, mich mal setzen zu können, näher stand als vorher während des Konzerts.
Jaaaa … war echt gut. Muss ja mal gesagt werden. Trotzdem – CD hören – nööö, leif aber, wohl eher. Aber nur dann, wenn auch eine Aussicht besteht, mich mal hinsetzen zu können. Zwei Stunden lang nur rumstehen – neeee!
Wir holten unsere Jacken. Ich rollte wieder fast die Treppe hoch. Doch dann war auch das Problemchen überwunden.
Wir gingen zurück. Ich – erleichtert, alles überstanden zu haben.
Als wir heimwärts fuhren, dachte ich:
Nie wieder im Rock!
Im gleichen Zuge aber schlug ich Dea mutig vor: „Demnächst werden wir mal in dieser Kluft im Steakhaus essen gehen.“
„Eine gute Idee!“, meinte Dea freudig.
Was war da nur in mich gefahren, dachte ich. Wobei – ich bin ja sowieso in manchen Dingen mehr Mädchen. Warum also nicht im Rock die Welt erobern? Packen wir’s an.
Und eigentlich steht mir ja das Teil. Sagt Dea. Nun muss ich nur noch mit mir selbst einig werden …
Spätestens dann, wenn’s ins nächste Schandmaulkonzert geht. Hui …