Biografien & Erinnerungen
Ist alles gut?

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"Ist alles gut?"
Veröffentlicht am 19. November 2016, 8 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Ich genieße das Leben im Allgemeinen und meines im Besonderen. Man darf sich selbst nicht so ernst nehmen und schon ist alles leicht. Glücklich sein ist für mich eine Emotion, die zu meinem Leben gehört.
Ist alles gut?

Ist alles gut?

In der Wärme des Tages

Mit Vorfreude auf einen vergnügten Nachmittag mit meiner Freundin stieg ich aus dem Bus. Ich ging bis zur Ampel, um auf die gegenüberliegende Straßenseite zu kommen, als mir eine ungefähr 80jährige Frau auffiel, die Fell-Hausschuhe trug und hilflos auf mich wirkte.


"Suchen Sie jemanden? Kann ich vielleicht helfen?", sprach ich sie an.


"Ich wollte jemanden besuchen, aber jetzt habe ich mich wohl verlaufen". - "Ach, lachte ich, "ohne Navigationsgerät wüsste ich schon drei Straßen weiter nicht mehr, wie

ich ans Ziel kommen soll. Bisschen übertrieben jetzt, aber so ungefähr ist es", fügte ich schmunzelnd hinzu.


"Wo wohnen Sie denn?", fragte ich interessiert. - "Das will mir jetzt gerade nicht einfallen". "Fällt Ihnen Ihr Name vielleicht gerade ein?" Hilflos sah sie mich an. 

"Die Polizei findet im Computer alles. Auch Ihre Anschrift. Soll ich da mal anrufen?"


"Das wäre vielleicht gut. Ich kann mich nicht an meine Wohnung erinnern". -


"Die Polizei findet ihre Wohnung, keine Sorge". Ich rief über Handy die Polizei an

und schilderte die Situation. "Ein Streifenwagen kommt gleich. Lassen Sie die Frau nicht allein".


"Die Polizei ist gleich hier". Wir unterhielten uns noch über die Jahreszeiten, wie schön der Sommer gerade ist. "Ja, so schön warm.". Sie erzählte, dass sie immer sehr viel gearbeitet hat und der Garten so viel Arbeit macht..


Als der Polizeiwagen nach 10 Minuten eintraf und eine Polizistin sich rührend um die Frau kümmerte, verabschiedete ich mich und ging gedankenvoll zu meiner Freundin.


Ich dachte an meinen Onkel, der Demenz hat

und zu meiner lieben Tante Gertrud immer sagte: "Du bist mein Kopf".


Tante Gertrud kümmerte sich liebevoll, so lange es zu Hause ging. "Wo habe ich denn meine Socken hingelegt?" - Ach Eugen, die hast du in die untere Schublade gelegt im Schlafzimmerschrank". Sie musste immer aufpassen. Er räumte so gern auf. Wusste nur leider nie wohin er sie Sachen dann legte.


Mein Onkel war Abteilungsleiter gewesen. An einem Nachmittag setzte sich mein Onkel seine Lieblingsmütze auf und zog seine Jacke an. Als er sich die Einkaufstasche griff und die Haustür öffnete, fragte meine

Tante: "Wo musst du denn noch hin Eugen? Du hast dich so schön angezogen" 

"Na, zur Arbeit, wie immer". -


"Du hast doch heute schon so viel gearbeitet. Aber hier hast du ja noch die Akte, die du dir ansehen wolltest. Meine Tante reichte ihm die Fernsehzeitung, "Ach ja, dann werde ich mich noch darum kümmmern". "Das ist gut Schatz".


Kurz danach musste er in ein Heim. Er hat Glück. Dort wird er ernst genommen. Die

Pflegekräfte haben Kompetenz. Ich besuchte mit meiner Tante ein Seminar. Wir beide können jetzt mit Demenz umgehen und sehen diese Krankheit seitdem anders.


Demente möchten einfach nur ernst genommen werden. Achtung, Respekt - so einfach ist das eigentlich - theoretisch. Die praktische Umsetzung ist nur leider nicht so leicht. Wir sind halt individuell.
















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Hörbuch

Über den Autor

Annabel
Ich genieße das Leben im Allgemeinen und meines im Besonderen. Man darf sich selbst nicht so ernst nehmen und schon ist alles leicht. Glücklich sein ist für mich eine Emotion, die zu meinem Leben gehört.

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JurekP Schöner Text, danke, Jurek
Vor langer Zeit - Antworten
Brigitte Wie schön, dass es noch Menschen gibt, die sich um andere Kümmern. Leider gibt es nur zu wenige davon. Ja, die Demenz hat es swohl schon immer gegeben. Früher nannte man es Altersstarrsinn. Sehr gut geschrieben. Liebe Grüße an dich Brigitte
Vor langer Zeit - Antworten
Annabel Hallo liebe Brigitte, ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Lieben Dank für deine Lesezeit. Ich wünsche dir einen sehr schönen Abend, herzlichst, Annabel
Vor langer Zeit - Antworten
Enya2853 Liebe Annabel,
es ist sicher für alle Beteiligten nicht einfach, mit Demenz umzugehen, für die Erkrankten genauso wie für die Angehörigen. Ich finde es gut, dass du und deine Tante ein Seminar besucht habt. Wenn man einiges weiß, dann kann man auch einiges auffangen. dennoch bleibt es immer schwierig.
Und ja: Respekt und Achtung, das sind immer Grundvoraussetzungen, wenn man Menschen begegnet.
Danke für deine Geschichte.
Liebe Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Drehpunkt schön flüssig geschrieben;-)
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Liebe Annabel, ich habe meinen Onkel an Alzheimer verloren und in unserer Verwandtschaft, hat auch jemand Demenz.
Ich möchte sie nie erleben! Vielleicht hilft gutes Essen und wenig Süßigkeiten.
L.G. Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
Annabel Hallo liebe Andrea,
es lief gerade wieder der Film mit Didi Hallervorden. Im Kino war es damals während des Filmabspanns ganz still im Kino. Nein, so etwas möchte man nicht bekommen. Vor allem, wenn man die Krankheit im Umkreis erlebt hat. Ich vertraue auf den Fortschritt der Medizin. Wenig Süßes, ja, das könnte gut sein. Hab einen schönen Abend
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Wünsche dir viele gesunde Jahre
L.G. Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
Willie Gelesen hatte ich Geschichte, aber anscheinen den Kommi nicht gesendet. Na ja- kann man ja nachholen. Demenz- keiner weiß, was im Krankenv orgeht. Wenn Mann oder Frau den Partner und die eigenen Kinder nicht mehr erkennen... Irgendwie rührend fand ich die Szene wo dem alten Herrn die Zeitung (als zu bearbeitende Büroakte) übergeben wird.
Und wie Magnolie schreibt;deine Tante ist bewundernswert. Es ist sehr schwer, sich auf Demenzkranke einzustellen.
Gruß
Willy
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek 
Ein wunderbare Geschichte Annabel. Wir begegnen auch diesen Menschen, die ihre Vergangenheit begraben haben. Sie wissen schon warum, baer haben es vergessen.

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
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