Konkurrenz
Bald ist der 1. Advent. Sie meinen, dass ich etwas früh dran sei mit einer Geschichte, die von Weihnachten handelt? Sie sind anscheinend nicht auf der Höhe der Zeit. Weihnacht beginnt im Oktober! Sie glauben es nicht?
Dann lesen sie!
Es war am 10. Oktober. Ich weiß das so genau, weil es ein wunderbarer Altweibersommertag war. Man sah T-Shirts und es mag um die 23 Grad warm gewesen sein. In unserer Nähe gab es zwei Supermärkte.
Beide gehörten unterschiedlichen, gewaltigen
Firmenketten an.
Jeder Filialleiter, ich kannte beide persönlich, waren allerdings für ihren Umsatz selbst verantwortlich.
Ich war gerade bei Herrn Goldfuchs. Er war fuchsteufelswild. Sein Gegner, der Filialleiter Herr Profitlich hatte den Kampf eröffnet. Goldfuchs hatte natürlich einen eigenen Spion, der die Preise des Gegners ausspechtete, seine Aktionen und seine Sonderangebote. Man musste reagieren können.
„Dieser Mistkerl. Er hat die erste Palette Lebkuchen und sogar Spekulatius im Eingangsbereich platziert.“
„Ist das nicht ein bisschen früh“, meinte ich,
aber da erfuhr ich, dass ich von Unternehmensführung keine Ahnung hätte.
„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, gab Goldfuchs von sich.
Er warf sich ans Telefon.
„Verflixt! Die Lieferung braucht!"
Er ordnete derweil an, dass wenigstens Kerzen (nur die roten) und noch übrig gebliebene, alte Marzipankartoffeln im Kassenbereich zu platzieren seien.
Nach der Mittagspause hatte es Goldfuchs geschafft. Die Wurstauslage hatte nun Lametta und fünf grüne Tannenzweige.
„Man muss sich ja nicht gegenseitig zerfleischen“, erzählte mir dann Profitlich.
Sie hätten sich hinter verschlossenen Türen zu einer internen zweier Konferenz entschlossen.
Er habe dann einem vorübergehendem Weihnachts-Stillstands-Abkommen zugestimmt.
„Ich nutze die Zeit“, flüsterte er. „Ich habe eine Befragung von Kindern auf den Weg gebracht. Was sie sich denn Süßes zur Weihnacht wünschen. Ich will wissen, ob die Schokoladen-DVD gut ankommt, oder ob ich mehr auf das Rentier Rudolf mit dem GPS Sender setzen soll.“
Man muss den Beiden zugute halten, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hatten.
Die anderen Supermärkte in einem Umkreis von fünf Kilometern hatten das Nachsehen.
Sie versuchten zwar den Vorsprung der Beiden aufzuholen, aber ich erfuhr, dass sie mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatten.
Am Nachmittag gab es einen Zwischenfall an der Laderampe. Was war Herr Profitlich aufgebracht gewesen. Der übergroße Rentierschlitten mit Santa Klaus, zwei Meter hoch, 15 Meter lang, wäre beinahe beschädigt worden. Schon am nächsten Tag konnte die riesige Reklamefigur das Dach des Supermarktes zieren. Er kam im warmen Sonnenschein gut zur Geltung.
Doch Goldfuchs hatte mit 1000 Elektro-Kerzen an seiner Fassade gekontert. Es handelte sich natürlich um stromsparende LED's
Wieder war ein Tag vergangen und bei Goldfuchs zierte eine schöne Krippe aus Holz das Gemüse Angebot, während Profitlich
mit Rauschgoldengeln in den Kühlvitrinen punktete.
Ich weiß nicht warum, aber bis zum ersten November herrschte praktisch Waffenstillstand, bis Herr Profitlich eine Großoffensive eröffnete. Bis dahin war für ein reichliches Kontingent an Weihnachtsmännern aus Schokolade und singende Nikolaus-Plüsch-Figuren gesorgt
und praktisch eine Selbstverständlichkeit geworden.
Profitlich jedenfalls ordnete die Kassiererinnen an, gefälligst jedes Mal „Frohe Weihnacht“ zu wünschen. Außerdem gab es Bonuspunkte für den Einkauf. Ab 1000 € Gesamtsumme, wurde man mit einem billigen Satz Weihnachtskugeln beschenkt.
Der wirkliche Clou war das Angebot von Weihnachtsbäumen im Außenbereich. Sogar Blautannen.
Herr Goldfuchs setzte mit Glühwein Ausschank dagegen. Kostenlos, wohlgemerkt! Viel Zucker, wenig Alkohol, weil es ja noch nicht so kalt war.
Ich weiß das daher, weil die Polizei gerufen wurde. Eine Diabetikerin hatte sich gegen den zuckersüßen Glühwein-Zwang am Eingang gewehrt.
Bei der musikalischen Untermalung hielten sich beide Anbieter so ungefähr die Waage. Während in einem Markt heilig Abend mit den Flippers ertönte, berauschte man sich im anderen an Mireille Mathieu’s Interpretation von Stille Nacht, heilige Nacht.
Mit Heintjes Mama hatte sich allerdings Profitlich keinen gewinnbringenden Gefallen getan.
Er hatte vergessen rechtzeitig dazu die
Oma-Pantoffeln mit Christbaumbommel zu ordern und hatte nur für die
Weihnachtskissen gesorgt.
Den wirklichen Clou landete schließlich Goldfuchs, als er die ersten Schneekanonen aufstellen ließ. Da konnten die fünf bimmelnden Weihnachtsmänner, durchweg günstige ein € Jobber, nicht dagegen anstinken.
Es dauerte nicht lange, da konnte Profitlich nachziehen, bevor diese Schneekanonen in Deutschland ausverkauft waren. Der Außenbereich der beiden Märkte wurde immer wichtiger.
Goldfuchs konnte nun mit einem Kinderkarussell in alpiner Schneelandschaft aufwarten, während das umfangreiche Schlitten Angebot bei Profitlich der Renner
war. Er bot sogar Fahrkurse auf dem frisch erzeugtem Kunstschnee an.
Bei Goldfuchs waren die Tannenzapfen-Handys im Nu ausverkauft, während Profitlich für genügen Nachschub an Elektro-Skier gesorgt hatte.
Goldfuchs startete einen Reklame-Zeppelin, der Plastikschneeflocken regnen ließ, und Profitlich verteilte Plastikbärte, die LED beleuchtet waren. Beide bekamen gewisse Schwierigkeiten mit der Umweltbehörde. Die beiden Supermärkte waren aber in aller Munde. Profitlich hatte kurz vor Weihnacht einen Herzinfarkt, weil er in die roten Zahlen geriet und bei Goldfuchs diagnostizierte man einen Burn Out Syndrom wegen Überlastung.
Seine Angestellten zogen dann auch die Verkleidungen aus, weil der Chef fehlte und der Ehrgeiz verpuffte.
Fand ich gar nicht so gut, weil mir die Engel an der Kasse und der Krampus bei den Fleischwaren mit der Rute gut gefallen hatten.
Ich kann mich noch an das letzte Jahr erinnern, als mich in beiden Supermärkten am 30. Dezember, nach der grünen Weihnacht, Osterhasen anlächelten, die Feuerwerksraketen im Arm hielten.
Es ist eben eine schnelllebige Zeit, heutzutage.