Gedichte
Im Zug der Zeit (1) - Gedichtesammlung

Das Zeitrad

Im frühen Morgengrau kann ich das Zeitrad hören, wie es sich leise schmatzend durch den Regen dreht, im schläfrig' Gleichmaß seines Taktes unaufhaltsam sich aus der stummen Nacht schiebt, bis sie blass vergeht ... So schnell verflogen sind die goldgesäumten Tage, wo sich der Himmel dehnt' in tiefem Endlosblau, vorüber auch die funkelnd' sternenklaren Nächte, wo Glück in Herzen regnet' - wie kristall'ner Tau. Schmal wie der Mond steht unser Jahr im letzten Viertel, das Zeitrad frisst sich an ihm satt - erbarmungslos, lässt selbst im Regen die Natur noch warm erglühen, bevor das Jahresende naht - so kalt und bloß.

Mag doch das Zeitrad endlos seine Runden ziehen, kein Mensch und keine Gottheit bringt es je zum Steh'n. Lass uns das Leben glücklich trinken bis zur Neige, bis einmal kommt für uns die Zeit zu geh'n.
© fleur 2013

Es wird Zeit ...

Der Feuersturm ist verloschen unser Boot gestrandet mit verbrannten Segeln Die Nacht ist wieder klar doch die Sterne leuchten kalt in unser Niemandsland Wir sitzen im leeren Haus und schweigen in fremden Sprachen Doch unsere Herzen schlagen warm Es wird Zeit dass wir uns in die Arme nehmen und uns verzeihen
© fleur 2013

Herzensjahreszeiten

Das Jahr hat sich jetzt fast vollendet Kalenderblätter sind verwaist wir sah’n Natur erblühen, reifen, vergeh’n, erstarr’n in Schnee und Eis Auch unser Herz hat Jahreszeiten wie Hoffnung, Liebe, Freude, Glück auch nisten in ihm Sehnsucht, Kummer - und Trauer lässt dann Schmerz zurück Das Herz soll sie mit Fassung tragen und sein für jede stets bereit wir müssen manchem Wunsch entsagen ganz klaglos - mit Gelassenheit (C) fleur 2010

Holunderbeerenzeit

Noch als der Holunder blühte hab ich so fest geglaubt wenn einst die Beeren reifen kommst du zurück zu mir Die Beeren sind längst schwarz - ich schau das Foto nicht mehr an mit deinem Lächeln das mir nicht mehr gilt © fleur 2011

reifezeit

im stundenglas kräuselt sich der ausgeflockte tag die nacht kriecht in dunklen ranken über fensterscheiben wild tobt die ausgebrochene sehnsucht im orange glimmenden licht einer straßenlaterne ungeduldig klopft die wartezeit mit dem peitschenstiel an die tür der herzkammer

wenn im hinterhof die nüsse vom baum fallen ist erntezeit dann bist du bei mir

© fleur 2011

Zeitgedanken

- Pantun - Winterbäume recken ihre Zweige schwarz und nackt – von Blättern jetzt befreit unaufhaltsam geht das Jahr zur Neige und wir sind zum Kuscheln schon bereit Schwarz und nackt – von Blättern längst befreit ragen Bäume frierend in das Dunkel und wir kuscheln in Geborgenheit bald erglänzt das helle Sterngefunkel Bäume ragen frierend in das Dunkel manche Menschen werden nicht mehr satt bald erglänzt das kalte Sterngefunkel glücklich - wer jetzt eine Heimat hat

Manche Menschen werden nicht mehr satt über Grenzen strömen Flüchtlingsmassen glücklich - wer noch eine Heimat hat viele mussten diese längst verlassen Über Grenzen strömen Flüchtlingsmassen und das Jahr geht gnadenlos zur Neige viele mussten längst ihr Land verlassen Winterbäume recken ihre Zweige © fleur 2014/2015

Zeitlos

Schmerzvoll vertropfte Zeit sehnsüchtiger Liebe ohne Wiederkehr Zeit, sagt ihr, heilt die Wunden? - Amputiertes wächst nicht nach ... © fleur 2010

Unaufhaltsam

Die Zeit wohnt auch

in unserm Sein

kommt - gleich uns -

einmal in die Jahre

dann färbt sie uns

die Haare grau

und lässt am Ende

uns allein ...

Jahrein, jahraus

ist sie verglüht

in sommerlicher Hitze

vergangen in gefallnem Laub

hat sich gespiegelt

in gefrorner Pfütze ...

mit letztem Schnee

davon getaut

Keimt aus der Erde

mit den grünen Spitzen

versickert warm im Sand

mit dem Gewitterregen

verfliegt als Blütenstaub

im Frühlingswind

rollt mit den Wellen

an den Meeresstrand

Kreist mit den Sternen

durch die Ewigkeiten

lässt sich nicht fassen

nicht besitzen

und rieselt unaufhaltsam

durch die leeren Hände

gleich - ob wir sie verwarten

oder nützen

@ fleur 2012