Ganz aufgeregt.
Ich war ganz aufgeregt.
Nahm aufgeregt den Transporter ein.
Diesen Kleintransporter mit dem Hab und dem Gut und allem.
Mit den Schnittchen, dem Fotoapparat und dem Fahrrad. Ein Auto hatte ich von nun an nicht mehr.
Mit meiner Kunst. Kunstvoll verpackt – gleich rohen Eiern.
Mit den wichtigsten Bildern meines Sohnes, ein paar Erinnerungsstücken und auch ein wenig Leid in den Ecken.
Ein Kleintransporter mit dem Allernötigsten.
Gemietet für einen Tag und eine Nacht.
Die Scheiben heruntergedreht, fauchte mir der Wind der Freiheit durch die Haare.
Queen of the Road. Ja! So fühlte ich mich.
Von oben überblickte ich die Straße.
Die Seitenspiegel ständig im Blick.
Entspannt, gespannt, überspanntes Herz.
Aufgeregt und ungeduldig.
Brauste ich über die Autobahn.
Kilometer für Kilometer.
Ohne Navigation. Die hatte ich stehenlassen.
Ausversehen.
Vergessen.
Vor lauter …
Hast du daran gedacht?
Und pack dies noch schnell ein.
Und ein Lunchpaket von Papi noch dazu.
Kleine Tomaten hüpften in meinen Mund.
Ich ließ sie mir munden.
Trunken vor Hoffnungen.
Entledigt allen Wenn und Abers.
One-Way-Ticket.
An den Raststätten überprüfte ich die SMS-Nachrichten.
Wo bist du jetzt?
Wann kommst du?
Wie lange brauchst du noch?
Ich fuhr und fuhr.
Und irgendwann.
Ja, irgendwann hätte ich ein Navigationssystem gut brauchen können …
Ich griff zum Handy.
Ich war schon ganz nah.
Er erklärte mir den Weg.
Ich verstand jedes zweite Wort.
Immerhin.
Ein bisschen zu aufgeregt, ein bisschen zu
heiß, ein kleines bisschen müde.
Und ganz viel fremd.
Fremde Straßennamen.
Fremde Orte.
Fremde.
Ich riss mich zusammen.
Nur noch ein bisschen.
Ein kleines Stück.
Entlang einer Allee.
Und dann …
Dann durfte ich ankommen.
Vielleicht.
Wer wusste schon, was morgen war?
Ich nicht.
Und er nicht.
Ein Abenteuer.
Wir hatten uns darauf eingelassen.
Riesenhaft und unüberschaubar.
Freier Fall.
WG oder was auch immer.
Ankommen. Zuerst musste ich ankommen.
Ich bog in die Straße ein.
Ach …, wie mir das gefiel!
Diese alten Kastanienbäume.
Ich hatte eine ganz andere Vorstellung in meinem Kopf.
Zusammengeschustert aus Phantasie.
Aber auf die Wirklichkeit …
Wäre ich niemals gekommen.
Wirklich.
Dieser Moment war alles andere als wirklich.
Unwirklich.
Eine alte Frau auf einer Bank.
Sitzend.
Den Schatten genießend.
Ganz für sich.
Ansonsten.
Niemand auf der Straße.
Kein Mensch.
Kein Hund.
Ich hielt den Transporter an.
Stieg aus.
Streckte alle Glieder.
Und lief dann zu ihr rüber.
Die Frau sah mich neugierig an.
Ich fragte sie nach Andreas Hanke oder eben Andyhank.
„Dea is bestümmt im Jarten“
Meinte sie.
Zeigte mir, wo ich hinmusste.
Ich war vielleicht 20 Meter entfernt.
Die Frau war Andys direkte Nachbarin.
Mein Herz tanzte.
Ich war da.
Ob angekommen oder nicht, interessierte gerade nicht im geringsten.
Ich stellte den Transporter ordentlich ab.
Stieg aus.
Rappelte nochmals an der Tür, ob der Wagen auch zu war.
Und dann suchte ich den Eingang zum Garten.
Es war ein Durchgang.
Ein Durchgang in eine andere Welt.
In ein anderes Leben.
Grün und sonnendurchflutet.
Vor mir.
Dieser große Mann im Adamskostüm.
So ist er und verstellt sich niemals.
Augen zu und durch.
Ab ins kalte Wasser.
Braungebrannt und strahlend.
Und Nackt.
Gut so.
Dachte ich mir.
Ich selbst mag das auch.
Wenn die Temperaturen stimmen.
Und an diesem Abend stimmten sie.
Definitiv.
Doch weil bereits früher Abend war, ließ ich meinen Körper eingehüllt.
Fühlte mich alles andere als frisch.
Durch.
Durch und durch.
Durch und durch aufgeregt und ermattet
zugleich.
Durch und durch verstaubt und verschwitzt von der Fahrt.
Dem stetigen Fahrtwind auf meiner Haut.
Ein Pelz aus Straßenstaub und flirrender Hitzeluft.
Den Mücken gefiel das ausgezeichnet.
Sie empfingen mich genießerisch.
Hinterließen gerötete Beulenbahnen.
Ihr Nachwuchs war also versorgt.
Wir plauderten und lachten.
Und langsam wurde es dunkel.
Im Dämmerlicht entleerten wir eilig den Transporter.
Andys Stirn zog tiefe Falten beim Anblick.
Beim Anblick der vielen Kartons und …
Bilder über Bilder.
Tja.
Das würde eng werden, so dachte er sich.
Erstmal alles rein.
Erstmal.
Das war unser Zauberwort.
Wir waren die Erstmalisten
Und sind es ein wenig immer noch.
In der Dunkelheit war erstmal alles – schlecht und recht – verstaut.
Und wir gingen in den Garten zurück.
Nahmen Platz auf der massiven Hollywood-Schaukel.
Sachte schaukelnd.
Leises Quietschen.
Arm an Arm.
Ganz nah.
Und doch ganz vorsichtig.
Wir ließen den Tag verklingen.
Obwohl er sicher nie verklingen wird.
Ganz und gar.
Ganz und gar nicht.
Er sprach von seinem Herzen.
So aufgeregt.
Wild und laut pochte es in seiner Brust.
Es ging mir nicht anders.
So sahen wir gemeinsam in die Weite des Himmels.
Sahen den Flugzeugen nach.
Sehr behutsam legte er seinen Arm um meine Schulter.
Unter dem sternklaren Himmel.
Mit klopfenden Herzen.
Ganz aufgeregt.
Aufgeregte Herzen.