TRagödie Am Fluss
Wie jedes Jahr, so machte sich Tiara auch dieses Jahr an Samhain auf die Suche nach ihren Tarot-Karten. Eigentlich wollte sie die ja immer schon mindestens zwei Wochen vor Samhain suchen, aber jedes Jahr kam ihr etwas dazwischen. Und immerhin war es unter den Hexen eine Tradition dass man sich an Samhain, an der die Grenze der Welten durchlässiger ist, als an jedem anderen Tag im Jahr, die Karten legte.
Dieses Jahr war es das Treffen mit ihrer Freundin Jeanne gewesen, was sie völlig aus dem Konzept brachte. Jeanne hatte sie schon über hundert Jahre nicht mehr
gesehen, und auch wenn eine Hexe normalerweise viele hundert, manchmal sogar tausend Jahre lebt, so vermisste sie ihre Freundin meistens eigentlich schon direkt, sobald diese wieder aus der Türe war.
Und bei diesem Treffen mit ihrer guten Freundin kam es dieses Jahr auch zu einer richtig schweren Tragödie. Wie konnte ihre Freundin auch Forderungen stellen? Tat man so etwas unter Freundinnen? Nein, zumindest war sie der Ansicht, dass sich das nicht gehörte.
Ihre Freundin, hatte die Forderung gestellt, dass sie ab sofort 40% von allen herbeigehexten wertvollen Dingen haben wollte. Als Tiara fragte warum, bekam sie nur
als Antwort, dass das die Bezahlung für ihre Freundschaft sei.
Da wurde sie mächtig sauer und stinkig auf ihre Freundin und sprach einen Zauberspruch. Noch während sie diesen aussprach, bemerkte sie, dass sie gar nicht wusste, was dieser bewirken würde. Und da war es auch schon zu spät, und da gab es auch nichts zu beschönigen, sie hatte ihre Freundin in ein Stück Treibholz verwandelt. Noch dazu in ein sprechendes. Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätte sie darüber wahrscheinlich lachen müssen. Nun stellte sie sich die Frage wie sie es schaffen würde ihre Freundin wieder in die nette Hexe zu verwandeln, die sie einmal war. So sehr
sie auch darüber nachdachte, sie konnte sich an keinen Spruch erinnern, der diese Tragödie ungeschehen machen würde.
Da sie sich nicht anders zu helfen wusste, holte sie das Treibholz, das einmal ihre Freundin gewesen war, aus dem Fluss, nestelte etwas an den Ästen, allerdings hörte sie damit schnell wieder auf, da ihre Freundin bei fast jeder Berührung eines Astes ein kräftiges "Aua" von sich gab. Tiara mochte sich gar nicht vorstellen, was wohl geschehen würde, wenn ein Mensch diese Schreie vernehmen würde.
Klar, sie waren hier in einem dunklen Fichtenwald, mit nur einem durchquerenden Fluss, und auf dem Boden lagen so viele
Fichtennadeln, dass man immer ein leichtes Pieksen spürte, wenn man auf diesem Boden lief, normalerweise traute sich kein Mensch in den Wald, aber konnte sie sich da wirklich sicher sein?
Sie versteckte das Treibholz, das davon offensichtlich nicht sehr begeistert war, unter ihrem dicken Mantel und machte sich auf den Weg zur einzigen, die hier noch helfen konnte.
Wenn jemand wusste, wie sie ihre Freundin wieder entzaubern konnte, dann konnte das nur die Oberhexe Doris. Doris war für Hexen ein eher ungewöhnlicher Name, aber so fiel sie unter den Menschen nicht so sehr auf.
Und hier konnte nur jemand mit einer ganz besonderen hexischen Erfahrung helfen.
Als sie bei dem Lebkuchenhaus von Doris angekommen waren, hörten sie schon wie Doris rief: „Knusper, knusper knäuschen...“ und Tiara rief:
„Hee, Doris, hör auf mit dem Scheiss, wir sinds, Tiara und Jeanne, und nicht Hänsel und Gretel."
Da machte Doris die Türe auf und erst musste sie lachen, doch dann fragte sie
: „Tiara, Du hast doch eben gesagt, dass Jeanne auch da ist... wo ist sie denn?"
Da holte Tiara mir sorgenvollem Gesicht das Stück Treibholz aus der Jacke und Doris erkannte sofort was hier geschehen war, und natürlich wusste Doris auch sofort einen Rat.
Sie holte eine Keramikschale und einen alten Buchdeckel und machte sich dann ans Werk: Sie schrieb auf den Buchdeckel:
„Ich, Tiara, verzichte auf alle Forderungen die ich jemals an Jeanne gestellt habe, und ich, Jeanne verzichte auf alle Forderungen die ich jemals an Tiara gestellt habe."
Danach holte sie ein Messer und rieb einen klitzekleinen span vom Treibholz ab und Tiara musste ein Stück ihres Zehennagels des rechten grossen Fusszehs abgeben. Doris zündete alles zusammen in der Keramikschale an, sprach einen Zauberspruch, und als alles verbrannt war gab es einen lauten Knall und aus dem
Treibholz wurde wieder Jeanne. Das Stück Holz dass Doris ihr entfernt hatte war auch nur ein Zehennagel gewesen, so dass auch Jeanne keine bleibenden Schäden davontrug.
Jetzt lachten sie alle zusammen und waren froh, dass dieses Erlebnis doch noch so gut ausgegangen war. Da Samhain noch nicht vorbei war, holte Doris ihre Tarotkarten und sie legten sich gegenseitig die Karten.
Ob das was die Karten sprachen, wahr wurde? Nun, das kommt darauf an ob ihr, die das lest, Hexen seid und daran glaubt, oder Menschen, die solchen Dingen im allgemeinen sehr skeptisch gegenüber stehen.