Daddlemoore
Die Hexe Fabiola saß in ihrem Hexenhaus auf der Ofenbank. Zu Ihren Füßen schnurrte Kater Herman und der Rabe Kox pickte gelangweilt an den Wäscheklammern. Sie hingen an der Leine über dem Ofen. Es war irgendwie langweilig, obwohl Fabiola sich bemühte zu stricken. Ab und an hörte man sie schimpfen, wenn eine Masche herunter gefallen war. Es war tief verschneit, als es draußen rumorte. Die Hexe stürzte zur Türe.
„Welch eine Freude“, rief sie, als sie den Zauberer Salamoni Salametti sah. Seinen fliegenden Teppich hatte er unter den Arm geklemmt. Der Zauberer dankte, trat ein und
legte den Teppich am Ofen ab. „Bei der Kälte muss sich der fliegende Teppich erst wieder aufwärmen, sonst startet er nicht mehr. Er ist schließlich ein Orientale. Der ist solche tiefen Temperaturen nicht gewöhnt." Fabiola nickte.
„Verstehe. Und wie war der Flug?“
„Kalt.“ „Komm herein, mein Bester.“
Die Hexe zauberte erst einmal einen heißen Krötentee herbei. Der Zauberer saß am Esstisch und schlürfte. „Du weißt doch sicher, warum ich gekommen bin?“
Die Hexe glotzte verständnislos und Salamoni schüttelte den Kopf.
„Du kennst unseren Brauch seit vielen Jahrhunderten. Ich sage nur Schloss Daddlemoore!“
„Mein Beelzebub“, rief die Hexe erschrocken.
„Das hätte ich fast vergessen.“
„Wir treffen uns doch dort, jedes Jahr, so kurz vor der Weihnachtszeit“, mahnte Salametti. Die Hexe wurde hektisch. "Ich muss noch packen. Für drei Tage! Bei allen Krötenzehen!“ Kox, der Rabe klapperte mit dem Schnabel. „Und ich kriege dann wieder mein Nest im Schlossturm.“ „Klar", sagte der Zauberer gutmütig, „so, wie immer. So ist es Brauch." Auch Herman, der schwarze Kater freute sich. Die Mäuse, welche die Hexe für ihn herbeizauberte, schmeckten nicht so vorzüglich, wie die echten. Im Hexenhaus gab es natürlich keine echten Mäuse mehr, aber auf Schloss Daddlemoore massenhaft.
Sie bestiegen den fliegenden Teppich. Er
spotzte am Anfang etwas, denn er war so viel Gewicht nicht gewöhnt. Er hatte schließlich Fabiola, den Zauberer, Hermann und den Raben zu tragen. Kox war nämlich zu faul selbst zu fliegen. Die Hexe hatte auch noch einen Koffer gepackt. Da war ein Fläschchen Sternenstaub dabei, natürlich ihre Glaskugel und ein paar Klamotten, denn im Schloss war es oft kühl und zugig.
Schließlich landeten sie wohlbehalten im Innenhof von Schloss Daddlemoore. Kox flog sofort hoch zum Schlossturm, ob sein Nest vom letzten Jahr noch in Ordnung war. Vielleicht traf er auch die reizende Rabendame Kora wieder. Herman wetzte durch einen Rostspalt in den Keller. Salamoni
und Fabiola klopften an der Schlosspforte. Die drei Geister des Schlosses öffneten.
Sir Franklin, der Obergeist machte einen Freudensprung. „Salametti“, rief er, „welch eine Freude!“ Mister Togglewood war sehr vornehm und winkte nur. Lady Heraldine schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Fabiola ist auch dabei, wie wunderschön“, gluckste sie. Salamoni lächelte. „Herman und Kox haben bereits das Gemäuer erobert. So wie immer.“ „Ganz wunderbar“, räusperte sich Sir Franklin. Die drei Geister gingen voran.
Schließlich saßen sie am Tisch im großen Speisesaal. Jeder hatte eine kleine Keramik-Schale vor sich mit Oliven zum Naschen.
„Die sind von unserem Olivenbaum. Ihr wisst doch, unser Gewächshaus. Heraldine heizt es immer mit Treibholz. Da gedeiht er das ganze Jahr“, erklärte Sir Franklin. „Die Oliven sind einfach köstlich“, kaute Salamoni. „Sie haben so einen zauberhaften Beigeschmack.“
"Nun aber Klartext“, fasste Togglewood zusammen. „Wir haben, so wie immer, ein Preisausschreiben veranstaltet. Der Gewinner kommt noch heute vorbei.“
„Wer ist es denn diesmal?“
Fabiola packte ihre Glaskugel aus, stellte sie auf den Tisch und bestäubte die Kugel mit Sternenstaub. In der Glaskugel erschien ein Mann mit einem Kind. Der Bengel mochte
ungefähr acht Jahre alt sein. Sie bestiegen eine Stretch-Limosine.
„Was für ein feiner Pinkel“, ereiferte sich Heraldine. „Viel Schlimmer! Ein Knabe ist auch noch dabei“, sinnierte Togglewood. „Dann müssen eben Beide die Aufgabe erfüllen“, beschloss Sir Franklin.
„Also, auf ans Werk“, rief Salamoni. "Ich verzaubere mich in den Schlossherrn Sir Salamoni und Fabiola wird die Hausdame. „Man nennt das jetzt Housekeeper“, verbesserte Lady Heraldine. „Wurst wie, alles auf die Plätze“, befahl Salametti, „sie sind gleich da!“ „So sehr ich unsere Tradition liebe, aber es doch schade, dass unsere Opfer uns nicht sehen können. Erst zur
Geisterstunde.“ „Du musst nichts vermissen, guter Togglewood, wir haben dafür beim Herumgeistern den meisten Spaß!“
Es machte Puff und die Hexe war nun die Hausdame Fabiola. Und als ordentliche Hausdame räumte sie auch gleich auf. Die Kugel verschwand, der Rest Sternenstaub landete im Kamin.
Es klopfte und Sir Salamoni öffnete.
"Treten sie ein", sagte er. Und den Fahrer der Stretch-Limosine wies er an: "Sie können wieder fahren. Wir brauchen sie nicht mehr."
Der Herr und sein Sohn Karli waren inzwischen bewundernd in den Speisesaal gelangt. Sie staunten über die vielen
Kronleuchter, und über die Hirschgeweihe an der Wand. Klein Karli gefielen vor allem die Ritterrüstungen.
Der Herr zeigte ein Papier. „Mein Name ist Haselmann. Ich mache in Haselnüsse und Immobilien. Draußen sind noch unsere Koffer. Ist ihr Personal eigentlich immer so lahm, oder wie ist das? Und das hier ist übrigens das Gewinner-Ticket.“
Gerade flog Kox auf die Schulter von Fabiola. Das war auch gut so, denn die Haushälterin kochte vor Wut. Der Rabe pickte ihr auf die Schulter.
„Nimm dich zusammen“, zischte er. Die Hausdame ging nach draußen und wollte schon mit den Fingern schnipsen. Da pickte
Kox wieder. „Macht sich nicht gut, wenn die Koffer nach oben schweben.“
So schleppte Fabiola mit schleifender Zunge die Koffer selbst nach oben. „Ich räche mich“, versprach die Hexe leise.
„Was ist denn das für ein schmutziges Federvieh. Schauen sie, dass dieser dreckige Vogel aus dem Haus kommt.“
Herr Haselmann war unerträglich arrogant. Kox flüsterte. „Ich bin bei der Rache dabei. Willkommen im Klub!“
„Nun, lieber Herr Haselmann“, Sir Salamoni versuchte zähneknirschend höflich zu bleiben, „Sie haben einen Schatz gewonnen, aber es gibt da zwei Bedingungen.“
„Wie bitte?“
Salametti öffnete den Buchdeckel einer
riesigen Schwarte und las vor.
„Sie müssen drei Nächte hier im Schloss bleiben. So steht es hier. Das ist die Forderung, damit das Preisausschreiben gewonnen werden kann.“
„Wenn’s weiter nichts ist!“
„Dann zeigen wir ihnen den Schatz. Sie dürfen aber nur mit einer einzigen Perlenkette das Schloss verlassen.“
„Und dann?“
„Dann gehört der gesamte Schatz Ihnen.“ „Na also“, meinte Herr Haselmann.
“Es wird nicht so einfach, wie sie denken“, mahnte Salamoni. „Es soll hier Schlossgespenster geben.“
„Völliger Humbug!“
Die beiden Besucher hatten das Abendmahl eingenommen. Fabiola verzichtete auf das Unkenragout in Sauerampfer-Sauce und servierte stattdessen nur ein Brot mit Aufschnitt. Dann gingen Karli und Vater Haselmann zu Bett.
Fünf Minuten vor 12:00 Uhr Nachts patschte Heraldine in die Hände. „Gleich kann es losgehen!“
Die drei Geister gaben sich dann auch alle Mühe. Sie heulten grässlich, ließen Kanonenkugeln rollen, rasselten mit den Ketten. Als Herr Haselmann schreckensbleich die Decke über den Kopf zog, Schwupps, da war sie ihm auch schon entrissen. Die Türen knarrten, das Fenster flog auf und eisiger Wind peitschte herein.
Herr Haselmann floh aus dem Schlafgemach und hastete die Treppe herunter, als seine Kerze in der Hand ausgepustet wurde und er über irgendetwas stolperte. Um Ein Uhr Nachts hörte der Spuk auf.
Am nächsten Morgen hatte Herr Haselmann zum Frühstück ein blaues Auge und die Schulter geprellt. Karli hatte wie ein Murmeltier geschlafen und kaute genüsslich rein. Das Müsli schmeckte ihm, das die Hexe Fabiola vorher auf den Tisch gezaubert hatte.
Auch in der Schlossgruft wurde das Frühstück eingenommen. Die drei Geister sprachen über ihre nächtlichen Erfolge.
„Den Alten schaffen wir“, vermutete Mister Togglewood. „Der ist ganz schön über seine Angeber-Füße gestolpert.“ „Der Kleine ist
das Problem“, befürchtete Sir Franklin. „Der schläft einfach, da haben wir keine Chance“, jammerte Heraldine.
„Nur Mut, wir haben ja noch zwei Nächte. Da muss uns der Zauberer helfen. Der Kleine darf einfach nicht einschlafen.“
Sir Franklin ging sogleich zu Salametti und sprach die Tragödie an.
„Der Kleine schläft wie ein Stein. Das ist unfair!“
Schließlich wusste die Hexe Fabiola Rat. Sie braute für Karli am Abend einen Gute Nacht Trunk, Marke Munterkorn. Ganz die liebe Hausdame, bot sie Karli das Getränk an.
Es schmeckte süß und noch viel besser, als Limo. Karli konnte gar nicht genug kriegen.
Endlich war es wieder soweit. Die
Geisterstunde brach an.
Diesmal war auch Karli im selben Zimmer, wie sein Vater. Herr Haselmann wollte unter keinen Umständen alleine bleiben.
Die drei Geister legten sich voll ins Zeug. Sie polterten und stöhnten, ließen Dachbalken fallen, erschienen und verschwanden wieder in vielen verschiedenen Spukgestalten. Sie verwandelten das Bett in eine lebendige Lokomotive, ließen die Stühle tanzen und alle Spiegel zerbrachen. Herr Haselmann hatte genug. „Wir reisen ab“, schrie er in Todesangst.
Karli aber war die Ruhe selbst. „Es sind nur noch sieben Minuten, dann ist es ein Uhr.
Dann hört es auf. „Was“, schrie Haselmann, „das ist hier die Hölle!“ Aber tatsächlich, pünktlich um ein Uhr war die Lokomotive wieder ein Bett, Stühle waren wieder Stühle und die Spiegel alle wieder in Ordnung.
Am nächsten Morgen berieten die drei Geister.
„Verflixt, der Bengel!“ „Da gibt es nichts zu beschönigen. Wir haben versagt!“ Togglewood seufzte. „Hat denn der Junge gar keine Angst“, fragte sich Sir Franklin. „Irgendetwas muss doch funktionieren!“ Heraldine wirkte verzweifelt. Auch als der Zauberer und Fabiola befragt wurden, kamen sie zu keiner Lösung. „Mit Kindern kennen wir uns nicht aus“, meinten die Beiden.
Schließlich beschlossen sie die zwei Haselmanns in der nächsten Nacht schlafen zu lassen, aber sie sollten durch furchtbare Alpträume gequält werden.
Der dritte Morgen brachte es ans Licht. Herr Haselmann war ein wandelndes Elend. Er hatte Ringe unter den Augen und war einfach gerädert. Auch Karli sah mitgenommen aus.
„Sie können jederzeit gehen“, lockte der Hausherr, Herr Salamoni. Aber da kannte er Karli schlecht. Er hielt seinen Vater am Ärmel fest. „Was ist mit dem Schatz?“
Da half nichts. Vertrag war Vertrag und Tradition war Tradition. „Ich bringe Sie hin“, seufzte Salamoni. Sie gingen in den warmen Wintergarten. Dort kippte Salamoni den
Olivenbaum um und darunter befand sich ein Geheimgang. „Da hinunter“
Hinter einer Mauer weinten die drei Geister. „So etwas ist uns seit dreihundert dreiunddreißig Jahren nicht mehr passiert!“
Karli und Herr Haselmann stiegen hinunter. Salamoni folgte ihnen. Es öffnete sich ein großes Gewölbe und da lag ein unermesslicher Schatz.
„Sie dürfen alles mitnehmen. Soviel hier in den großen Sack passt.“ Salamoni hatte einen großen Jutesack mitgebracht. Herr Haselmann schnappte sich den Sack und stopfte ihn voll. Vor allem Diamanten, Rubine, Goldmünzen, und goldenes Geschirr warf er hinein, bis der Sack rappelvoll war. Wie ein
Weihnachtsmann schulterte Herr Haselmann die Beute und Salamoni begleitete die Beiden vor das Schloss. Herr Haselmann setzte den Sack ab und rief. „Wir haben alle Aufgaben erfüllt. Jetzt gehört der ganze Schatz mir, rief er gierig.
„Nein“, mischte sich Fabiola ein. „Sie durften nur eine Perlenkette mit hinaus nehmen. Sonst nichts.“ „Das bedeutet: Verzicht auf Alles!“
Hinter den Schlosszinnen begannen die drei Geister zu tanzen.
Herr Haselmann erstarrte und war völlig verdattert. Man hätte hören können wie Fichtennadeln fallen, so still wurde es um ihn herum. Dann rannen ihm die Tränen
herunter.
Plötzlich fing Karli an in seiner Hosentasche herum zu nesteln. Er zog eine Perlenkette heraus.
„Ich habe sie in der Keramik-Schale gesehen“, triumphierte er.
Diesmal waren Fabiola und Salamoni erschrocken.
„Sonst hast Du nichts mitgenommen?“ „Nichts!“
Da sprach der Hausherr, der Zauberer Salamoni Salametti. "Da dein Vater versagt hat, du Karli aber nicht, dürft ihr den Sack behalten. So geht eures Weges und kehrt nie wieder zurück!"
Die Beiden versprachen es und hasteten
davon.
„Unser jährliches Treffen war diesmal ein klein wenig anders, als sonst, aber Spaß hat es trotzdem gemacht“, tröstete Mister Togglewood.
Auch die drei Geister freuten sich und nahmen gleich in dem Gewölbe ein Goldbad. „Heißa, so spannend war unser traditionelles Treffen noch nie!“
Der Rabe Kock war mit der entzückenden Rabendame Kora beschäftigt und der Kater Herman hatte wunderbar Ratten jagen können. Den Tipp hatte er von den kleinen Mäusen bekommen.
So verschonte er sie und Ratten Jagen
machte sogar noch viel mehr Spaß.
Fabiola, Salametti und die drei Geister stießen mit Fliegenpilzwein an.
„Auf das nächste Treffen im nächsten Jahr!“ „So ist es Brauch!“