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"Mich interessiert?", fragte Erik ein wenig verwundert. "Wie kommt Ihr darauf und worum handelt es sich?"
"Es heißt, Ihr hättet einen Mann aus den Fängen seiner Sippe befreit, die ihn langsam zugrunde gehen lassen wollte. Äh ... Dammler?" Von Leffersingen schien gut darüber informiert zu sein, was in und um Werrentheim alles vor sich ging.
"Ümmler", verbesserte Erik ihn. "Trudwin Ümmler ist sein Name und er ist auf dem Wege der Besserung, wenn Euch das interessiert."
"Aha ... es geht ihm besser ... soso ... ja, das ist gut zu hören ... gut ist das ..."
Gab es da etwas, das der Hauptmann wusste und nicht sagen wollte?
"Er ist der Vater des ersten und der Mann des letzten Opfers der Bestie. Das hat ihn sehr mitgenommen." Mehr wollte Erik nicht erzählen.
"Helene Ümmler, nicht war? Man hat sie damals in diesem kleinen Wäldchen gefunden, wo Ihr und dieser jüdische Renegat die Leiche untersucht habt, nicht? War übel anzuschauen. Furchtbar übel."
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, registrierte Erik, dass die Bedenken des Doktors wohl begründet waren. Seltsamerweise verhielten sich nicht wenige Menschen so, als wären die Juden eine andere Rasse oder kämen vom Mond. Er beschloss, das im Hinterkopf zu behalten, doch im Augenblick hatte etwas anderes seine Neugierde geweckt.
"Ihr erinnert euch an den Namen der Frau, Herr von Leffersingen? Das finde ich ganz erstaunlich!"
"Oh, eigentlich würde mir der Name eines Bauernweibes nichts sagen, doch es hängt mit
dem zusammen, was ich Euch erzählen wollte. Wie gesagt, womöglich ist es Euch bei dem, was Ihr hier tut, behilflich."
"Dann spannt mich nicht länger auf die Folter."
"Nun, Ihr kennt wohl einen Johann Hartwig?", wollte von Leffersingen wissen.
"Ja, das da drüben" - Erik zeigte mit der ausgestreckten Hand auf die Gebäude in der Nähe - "ist sein Hof."
"Ganz genau. Nun, der Baron hat eine Information bekommen und so ist er - es bot sich gerade an, schließlich sind wir hier im Manöver - mit mir und einigen ihm sehr ergebenen Dragonern zu jenem Johann Hartwig geritten. Die Soldaten durchsuchten gezielt die Räume und fanden, was sie suchten, eine erkleckliche Summe Geld."
"Ich schätze, der Baron ist der Steuerpächter hier?", fragte Erik.
"Ja, ganz recht", antwortete der Hauptmann. "Schon seit einigen Jahren. Im Schloss benötigte
man ein vorhersehbares Einkommen für all die Pläne. Er und der Graf teilen sich die Grafschaft. Jener Hartwighof, so nennt man ihn wohl, gehört zu jenem Gebiet, das von Brachwitz zu besorgen hat. Als er diese, wie gesagt, nicht unerhebliche Summe sah, wurde er fuchsteufelswild, weil Hartwig sie nicht angegeben hatte und somit auch säumig war, die fälligen Steuern wohl sparen wollte."
"Das ist ja alles sehr interessant, aber wie kommt Helene Ümmler in diese Geschichte?"
"Ihr wisst ja, Herr von Berensiel, keine Ausrede ist den Menschen zu dumm, wenn sie die fälligen Steuern entrichten sollen. Hartwig behauptete, er habe das Geld noch nie gesehen und es gehöre ihm auch nicht. Stattdessen beschuldigte er jene Tote, es sei ihres. Tatsächlich fand man es in ihrer Kammer."
"Was die Aussage des Johann Hartwig durchaus glaubhaft macht", urteilte Erik.
Von Leffersingen widersprach sofort: "Ich bitte
Euch: Woher soll eine Magd, denn man versicherte uns, dass sie auf dem Hof als eine solche in Diensten stand, an so viel Geld kommen? Und wenn es ihres war, wieso hat sie dann überhaupt noch als Magd gearbeitet?"
"Das können wir sie leider nicht mehr fragen."
"Ganz recht", sagte der Hauptmann und nickte, sich selbst so bestätigend. "Es war eine erstaunliche Idee des Hartwig, das Geld beim Gesinde zu verstecken, mehr aber auch nicht. Wenn es um Geld geht, ist mit dem Baron nicht gut Kirschen essen. Hat die gesamte Summe gleich beschlagnahmt und den Hartwig eingelocht. Wird ihm den Prozess machen. Das hat er nun davon." Von Leffersingen lachte, dann bestieg er sein Pferd.
"Dachte nur, das würde Euch weiterhelfen. Na, vielleicht auch nicht, wer weiß."
Der Hauptmann wollte sein Pferd schon antreiben, als Erik ihn noch einmal zurückrief.
"Woher hattet ihr denn die Kenntnis von
diesen Dingen?", wollte er als Letztes noch wissen.
"Ein Brief war das. Ohne Absender. Sehr krakelige Handschrift. Wohl ein vermaledeiter Linkshänder", sagte von Leffersingen. Dann zog er den Hut und ritt davon.
Auf dem Weg zurück ins Schloss hatte Erik einiges, über das er nachdenken wollte. Ein vermaledeiter Linkshänder? Das war natürlich möglich, auch wenn Erik die Abneigung und Furcht, die Linkshändern oft entgegenschlug, für Aberglauben hielt. Sehr krakelige Handschrift. Vielleicht war dem ja darum so, weil ein Rechtshänder den Brief mit Links geschrieben hatte, um dessen Herkunft nicht preisgeben zu müssen. Denn es gab genug Menschen in und um Werrentheim, die sich weder Tinte noch Papier leisten konnten, geschweige denn, dass sie Lesen und Schreiben konnten.
Noch erstaunlicher war jedoch, woher der Schreiber - Linkshänder oder nicht - all das wusste. Auch schien es Erik unwahrscheinlich, dass es Johann Hartwigs Geld war, das man da gefunden hatte. Zwar hatte er ihn nur einmal gesehen, getroffen und gesprochen, dabei aber den Eindruck gewonnen, dass der Herr des Hartwighofs ein geiziger, linkischer und gerissener Mann war. Ein so dumme Erklärung würde er nicht benutzen, ganz einfach, weil er sich längst eine Klügere zurechtgelegt hätte. Dann blieb jedoch nur noch übrig, dass er die Wahrheit gesprochen hatte. Und wie Helene Ümmler viel Geld gehortet haben mochte, war schon eine erstaunliche Frage.
Zurück im Schloss begegnete Erik Moritz auf einer Treppe in einem der Stiegenhäuser. Der hielt sich die linke Wange, die rot schimmerte.
"Was haben sie denn mit Dir gemacht?", fragte Erik ein wenig belustigt.
"Ach, ich hatte nichts mehr an Büchern auf
meinen Tisch liegen, die ich fesselnd fand", begann der Sohn des Grafen seine kleine Erzählung. "Also bin ich zu meiner Schwester. Sie hat jede Menge Bücher. Ich habe angeklopft, doch Sie war nicht in ihren Gemächern. Da bin ich hinein und wollte mir einfach eines nehmen. Plötzlich stand Sie hinter mir, hat gefaucht und geschrien, nannte mich einen Einbrecher und einen Dieb und dann hat Sie mir eine Backpfeiffe verpasst."
Da musste Erik endgültig lachen.
"Ja, Amarant hat Temperament. Man sollte sie sich nicht zum Feind machen, denn dann ist der Ärger groß."
"Sehr lustig, wirklich!" Moritz schaute noch ein wenig sauertöpfischer drein. "Wir sind Bruder und Schwester. Ist es nicht so etwas wie das elfte Gebot, das Geschwister sich hassen?"
"Vielleicht, vielleicht", grinste Erik, legte ihm die Hand auf die Schulter und ließ ihn dann in seinem Schmerz allein, der sich wohl mehr
seines Stolzes denn seiner Wange bemächtigt hatte. Aber so war das eben. Erik seinerseits dachte an die schöne, feurige, rothaarige Amarant, zumindest bis zum Nachmittag, als der Strohkarl zu ihm kam.
- Fortsetzung folgt -