Romane & Erzählungen
DIE BESTIE - Roman - 21 Die Welt, welche eine Kugel ist, ist überall gleich

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"Man redet über dies und jenes"
Veröffentlicht am 29. Oktober 2016, 16 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Zweifler, Pessimist, Misanthrop ... ... ungefähr so: "Nein, nein, ich habe nicht bewundernswert gesagt, ich sagte, ich bin außergewöhnlich. Das was ich tue, das was dir so viel bedeutet ... du meinst, ich tue es, weil ich ein guter Mensch bin? Ich tue es, weil es zu schmerzhaft wäre, es nicht zu tun. (...) Weißt du, es tut weh (...), alles das! Alles was ich sehe, alles was ich höre, rieche, berühre, die Schlussfolgerungen, die ich ...
Man redet über dies und jenes

DIE BESTIE - Roman - 21 Die Welt, welche eine Kugel ist, ist überall gleich

Was bisher geschah ...

1768. Seit zwei Jahren geht in der Grafschaft Werrentheim eine Bestie um, tötet wahllos Menschen. Der König beauftragt Erik von Berensiel, dass er dem mörderischen Treiben ein Ende setzt. Der Empfang beim Grafen ist wenig freundlich.Von Doktor Himmelblau bekommt Erik einige Papiere. Es gelingt ihm, den Vater des ersten Opfers zu retten, doch von dem kann er nichts erfahren. Er lernt die Tochter des Grafen und dessen Sohn näher kennen, wird mit einer seltsamen alten Frau konfrontiert. Dann kommt ihm eine Erkenntnis: Die Bestie ist ein Mensch! Sie schlägt wieder zu. Einen Mob hält er auf, doch die Erkundung des Hexenwalds bringt nichts. Ein unbekannter Angreifer, den Erik im Schloss verfolgt, entkommt.

21 Die Welt, welche eine Kugel ist, ist überall gleich




"Seid ihr euch ganz sicher?" Weil ihnen zuhört wurde, verkehrte man förmlich miteinander. Doktor Himmelblau stand still da und beobachtete. Dann holte er aus und mit einem geraden Schwung rollte er die Kugel. Alle neun Kegel fiele. Zwei Bedienstete des Grafen stellten sie sogleich wieder auf. Dann war Erik an der Reihe.

"Ich könnte mir niemand anderes vorstellen. Und wie ein - zugegebenermaßen ziemlich derber - Spaß wirkte das auf mich auch nicht. Wobei ich mich frage, wer da hinter wem her gewesen ist."

Sein Wurf bescherte den Bediensteten kaum Arbeit, denn er traf nicht einen einzigen Kegel.

Der Doktor kicherte, Erik zuckte nur die Schultern.

Die Bahn am Rande der großen Terrasse der Schlosses war Erik gleich bei seinem ersten Besuch hier aufgefallen. Nun war er im Kegeln nicht besonders gut, doch er war sich gleich sicher gewesen, dass sie ihm einmal gute Dienste leisten würde, denn nichts löst die Zunge der Menschen so wie ein gutes Spiel, einmal abgesehen von Bier, Wein und Schnaps, doch die entwickeln mit der Zeit nun einmal die Nebenwirkung, das gelogen wird bis sich die Balken biegen, Absicht hin oder her.

Nach der Verfolgungsjagd in der letzten Nacht hatte er noch lange in seinem Bett wach gelegen und war zu der Überzeugung gelangt, dass der Doktor ihm womöglich würde weiterhelfen können. Außerdem konnte Erik so ihre Beziehung pflegen.

"Ihr habt wahrscheinlich recht und das ist sicherlich auch eine beängstigende Erzählung.

Ich verstehe nur nicht, wie ich Euch dabei helfen kann, Herr von Berensiel."

Wieder fielen alle neun Kegel. Doch auch Erik konnte bei seinem nächsten Wurf einen kleinen Erfolg feiern, immerhin traf er Einen, der im Überschwang auch noch einen Weiteren mit zu Fall brachte. Einer ihrer Gehilfen stellte die beiden wieder auf, während der andere, die Kugeln auf einem Bollerwagen zu den Spielern zurückbrachte.

"Dann habt Ihr mir nicht richtig zugehört. Dieser Schatten hat immer wieder rasselnd geatmet, als ob das Luftholen im schwer fiele - obwohl er dafür verdammt schnell mit seien Füßen unterwegs war - und ich frage mich, ob Ihr als Arzt jemanden kennt, der für ein Lungenleiden bekannt ist, diesen jemand vielleicht schon behandelt habt."

Doktor Himmelblau blinzelte in die Sonne und genoss ihre vormittäglichen Strahlen auf seinem Gesicht. Dann warf er die nächste Kugel, erlegte

dieses Mal aber nur fünf Kegel. Erik war sich jedoch sicher, dass er das, aus reiner Höflichkeit, mit Absicht getan hatte.

"Nun, dass ist ein guter Gedanke, der Euch da gekommen ist. Nur leider führt er zu nichts. Ja, ich kenne einige hier und in der Umgebung mit schweren Lungenleiden. Doch die meisten davon sind schon alt und alle können kaum zehn Schritte gehen, ohne sich ausruhen zu müssen. Keiner von denen könnte kreuz und quer durchs Schloss rennen."

"Verdammt!" Erik versuchte sich erneut und erneut kullerte seine Kugel an den Kegeln vorbei. "Ein Fehlschuss."

"In der Tat", lachte der Doktor.


"Ich habe mir gestern Abend euer Buch noch einmal vorgenommen", sagte Himmelblau nach einer ganzen Weile. Das Kegelspiel war zu einseitig, als das es ihm auf die Dauer Freude zu bereiten vermochte. "Hat Euch nicht der

Drucker schon von dem Titel abgeraten?"

"Ja, da war was", spielte Erik den Unwissenden.

"Ich bitte Euch: Die Welt, welche eine Kugel ist, ist überall gleich. So ist es doch klar, dass Ihr den Unmut der Geistlichkeit auf Euch zieht. Hättet Ihr es nicht einfach 'Ein Reisebericht' oder so nennen können? Es hätte Jahre gedauert, bis es verboten worden wäre, denn dazu hätte es ein Kuttenträger ja zuerst einmal lesen müssen."

"Ich wollte das nicht", erwiderte Erik trotzig. Er wollte nie wieder kuschen, so wie früher.

"Ja, das dachte ich mir. Wenn man Euch kennenlernt, bleiben einem nur zwei Dinge übrig: Entweder man mag Euch, oder man hasst Euch!"

"Das ist nichts Neues für mich."

"Ja, auch das dacht ich mir. Ihr seid einer von denen, die nach dem Motto leben: Wenn man einmal die Wahrheit kennt, ist alles andere

gleich."

"Das ist weder mein Motto noch das meiner Familie, aber Ihr habt recht: Das würde mir gefallen."

Da lachte der Doktor wieder. "Aber Ihr geht bei dem, was Ihr schreibt doch ziemlich weit. Da werden Euch nicht nur Mönche, Priester und Erzbischöfe widersprechen", fuhr Himmelblau fort.

"Wie meint Ihr das? Habt ihr ein Beispiel?", wollte Erik wissen.

"Nun, Ihr schreibt da, dass die Neger Menschen wie wir sind. Kann das sein? Die sprechen doch noch nicht einmal Latein!"

Nun war es an Erik zu Lachen. "Das stimmt so nicht. Und auch hier bei uns gibt es viele, die nicht ein Wort Latein können."

"Und jene, die es gelernt haben, behandeln sie dementsprechend."

Erik war sich nicht sicher, ob der Doktor das, was er sagte, auch so meinte, oder ob er nur den

advocatus diaboli gab. Allerdings kannte er diesen Einwurf. Darum hob er den Finger wie ein Schüler, der dem Lehrer eine Antwort geben wollte.

"Dann möchte ich Euch eine Frage stellen, Herr Himmelblau. Stellt Euch vor, Ihr reißt durch ein unbekanntes Land. Noch niemals habt Ihr von ihm gehört oder habt von ihm gelesen. Und dann seht Ihr ein Wesen. Es ist so groß wie meine Faust," - Erik streckte die geballte Hand aus - "hat ein Gefieder, zwei Flügel zum fliegen, zwei braune Beine, mit denen es auf dem Boden herumhopsen kann und einen Schnabel. Was für ein Tier wäre das wohl?"

"Dazu muss man nicht studiert haben. Das ist ein Vogel! Eine unbekannte Art, doch eindeutig ein Vogel."

"Das sehe ich auch so. Und wahrscheinlich würde Euch noch nicht einmal der Herr Pfarrer Wadewitz widersprechen. Ich glaube, nach all dem, was ich auf meinen Reisen gesehen habe,

dass das eine Regel der Natur ist: Dinge, die sich ähneln und sich ähnlich verhalten, sind das Gleiche." "Aber verhalten sich die Neger denn so wie wir?" Abermals lachte Erik. "Ihr glaubt gar nicht wie sehr!" Nach einigem nicht unfreundlichem Kopfschütteln fuhr er fort. "Es gibt bei ihnen Staaten wie bei uns. Manche sind sind größer, viele kleiner, wie in unseren Landen. Es gibt Herrscher, die ihr Volk knechten und andere die es gut behandeln. Da herrscht Frieden, Krieg, Intrigen werden gesponnen, der eine hasst den anderen, man lebt und liebt und nicht zuletzt wollen die Geistlichen der Neger allen vorschreiben, wie sie sein sollen, was gut und was böse ist. Ob ihr Gott nun Gott heißt oder nicht, das spielt keine Rolle. Die Rituale und Traditionen mögen andere sein, doch sie dienen alle dem gleichen Zweck: Die Dummen in Knechtschaft und die Edlen an der Regierung zu

halten."

Eine ganze Zeit lang sagte der Doktor nichts. Er blickte in die Ferne und beobachtet dann einen Amselhahn, der von einer grauen Steinbrüstung aus ihr Spiel beobachtete, als wolle er Eriks Vergleich mit dem Vogel auf seine Richtigkeit überprüfen. "Ihr deutet euren Euklid auf provokante Weise.* Wenn Ihr mit dem, was Ihr sagt, recht habt, dann hat die weiße Rasse sich aber seit Jahrhunderten versündigt, weil sie die Neger in die Sklaverei zwang."

"Versündigt? Das Wort ist viel zu klein. Ich weiß gar nicht, wie man dieses Unrecht beschreiben soll. Ganz davon zu schweigen, wie es wiedergutzumachen ist. Aber auch die Sklaverei zeigt letztlich nur, dass der Neger ein Mensch wie wir ist. Ihr müsst nämlich wissen: Die weißen Sklavenhändler treiben ihre Ware nicht selbst zusammen. Die Negerherrscher verkaufen ihre eigenen Untertanen, getrieben

von der Gier, die auch uns nicht unbekannt ist. Je höher jemand aufsteigt, desto größer ist die Verachtung, mit der er auf die unter ihm herabblickt. Seine Seele wird schwarz, ganz gleich ob seine Hautfarbe weiß, braun oder schwarz ist."

"Ihr habt kein großes Zutrauen in die Menschen, oder?"

"Wie auch, nach dem was ich in meinem Leben alles gesehen habe." Erik ereiferte sich. "Der eine schlägt den anderen tot, beraubt ihn oder zwingt ihn unter die Knute. Und Gott ist immer auf seiner Seite. Amen! Oder denkt nur an unsere Bestie, hier in Werrentheim! Eines sage ich euch, Herr Doktor: Wer die Menschen kennenlernen will, braucht gar nicht in die Welt herauszuziehen. Er muss nur vor die Haustür treten und die Augen und Ohren aufhalten. Schon weiß er alles, was es zu wissen gibt."

"Ich hatte Euch nicht für einen solchen Pessimisten gehalten", versuchte Himmelblau

die Wogen zu glätten.

"Nun, die wichtigste Erkenntnis, die ich gewonnen habe, steht nicht in meinem Buch. Ich wollte sie hineinschreiben, aber dann hätte ja die Gefahr bestanden, dass die falschen Leute sie richtig verstehen: Wenn Ihr lang genug in der Welt umhergereist seid, werdet Ihr feststellen, dass es überall so ist wie daheim. Nur die Farben und Gerüche sind anders."

Darauf wusste Friedrich Himmelblau nichts zu sagen. Ob er Erik zustimmte, war nicht klar. "Vielleicht sollte ich weniger Bücher lesen. Oder zumindest euer Buch meiden", meinte er schließlich und die beiden Männer lachten. Sie wollten sich gerade wieder dem Kegelspiel zuwenden, als Erik innehielt und den Doktor anschaute. Ihm war etwas eingefallen.

"Neben meinem Buch steht in eurer Bibliothek ein Werk, das ich nicht kannte. Ich konnte noch nicht einmal den vollen Titel lesen, weil der Einband so abgegriffen war. Er endete mit dem

Wort -bibel."

Himmelblau warf in aller Ruhe die nächste Kugel. Wieder fielen alle Neune. "Oh, Ihr meint wahrscheinlich die Wolfsbibel.




- Fortsetzung folgt -




Anmerkung:


* "Ihr deutet euren Euklid auf provokante Weise." = Doktor Himmelblau spielt darauf an, dass E.v.B. ein Axiom der Euklidischen Geometrie (Euklid von Alexandria, griechischer Mathematiker, ca. 3. Jhd. vor Christus) - "Was demselben gleich ist, ist auch einander gleich" - allgemein auf die dingliche Welt überträgt.

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Hörbuch

Über den Autor

ArnVonReinhard
Zweifler, Pessimist, Misanthrop ...

... ungefähr so:

"Nein, nein, ich habe nicht bewundernswert gesagt, ich sagte, ich bin außergewöhnlich. Das was ich tue, das was dir so viel bedeutet ... du meinst, ich tue es, weil ich ein guter Mensch bin? Ich tue es, weil es zu schmerzhaft wäre, es nicht zu tun. (...) Weißt du, es tut weh (...), alles das! Alles was ich sehe, alles was ich höre, rieche, berühre, die Schlussfolgerungen, die ich imstande bin zu ziehen, die Dinge, die sich mir offenbaren ... die Hässlichkeit. Meine Arbeit fokussiert mich. Das hilft. Du sagst, ich benutze meine Gaben. Ich sage, ich geh nur mit ihnen um."
(Sherlock Holmes; In: Elemantary)


Fantasy- und Schauergeschichten sind mein Ding, weil sich darin alles Menschliche verarbeiten lässt.
Und ob ich es will oder nicht, auch das Thema "Freundschaft" taucht immer wieder auf.
Aphorismen.
Ein weiterer großer Bereich, mit dem ich mich beschäftige, in Erzählungen und Nonfiction, ist das Thema Krieg.

Arn von Reinhard ist EU-Skeptikerkritiker und Medienkritikerskeptiker.


foto by and with permission of Evelyne Steenberghe from vlien.net

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Herbsttag Da kann ich Erik, so wie er die Dinge und Menschen sieht, zustimmen. IvB
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ArnVonReinhard Ja, E.v.B. scheint ein wenig aus der zeit gefallen - aber nach oben!
;-)

LG
AvR
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