Auf dem Präsidium angekommen führte Yagami´s Assistent den Jungen in einen der Verhörräume. „Du brauchst keine Angst zu haben, dass wir dich verhören. Ich bringe dich nur hierher, weil der Raum warm und ruhig ist“, erklärte der Assistent und zog einen Stuhl zurück, damit der Junge sich setzten konnte. Dann stellte er eine Tasse mit heißer Milch auf den Tisch und legte eine Wolldecke um die Schultern des Jungen. Dieser schien die Milch zu schnuppern und tastete vorsichtig nach der Tasse. Der Assistent nahm die Hand des Jungen, woraufhin dieser zusammen
zucke, und legte sie vorsichtig an die warme Tasse. Kurz darauf trat der Inspektor in den Raum und setzte sich gegenüber an den Tisch. „Wäre es in Ordnung, wenn ich dir einige Fragen stelle?“, bat Yagami. Der Junge lehnte wieder den Kopf zur Seite. „Nun ja, ich würde gerne wissen, was du dort im Regen gemacht hast. Zum Beispiel“, begann der Inspektor. Der Junge starrte mit seinen milchig weißen Augen an ihm vorbei, einen verwunderten Ausdruck im Gesicht. Dann zuckte er kaum sichtbar mit den Schultern. „Hast du irgendwelche Bekannten, die sich um dich kümmern und die dich hier Abholen können?“,
fragte Yagami weiter. Es schien als würde der Junge kurz überlegen, dann schüttelte er leicht den Kopf. Yagami atmete tief ein. „Großartig“, dachte er. „Wie halt bist du?“, fragte er dann weiter. Wieder ein kurzes überlegen, dann zeigte der Junge einmal beide Handflächen und dann acht Finger. „Achtzehn, hm? Damit wärest du eigentlich schon zu alt, aber irgendwo musst du ja bleiben. Ich werde bei örtlichen Jungendamt anrufen, ob hier noch ein Platz frei ist“, erklärte Yagami und stand dabei auf. Dadurch entging ihm das zucken des Jungen und dessen entsetzte Mimik, die jedoch nach dem Bruchteil einer Sekunde wieder
verschwand.
Ich hörte, wie die Tür hinter den beiden Männern ins Schloss fiel. Ich war bei der Polizei, doch sie hatten keine Ahnung wer ich war. Doch was viel wichtiger war: gleich als ich den ersten Schritt in das Gebäude getan hatte, hatte ich die Präsenz der Frau gespürt. Der Frau als meiner Erinnerung. Sie war irgendwo hier und die Irrlichter zeigten mir, dass ich diesen Raum verlassen sollte. Ich sah mich um, die Männer schienen nicht mehr auf diesem Stockwerk zu sein und auch sonst war niemand in der Nähe. Ich stand auf, folgte den Irrlichtern zur Tür und dann
links den Gang hinunter. Nachdem ich ein weiteres Mal rechts und dann links abgebogen war, war ich an der Treppe angekommen, wo die Irrlichter nach oben verschwanden. Ich folgte ihnen weiter hin. Auf einmal kam eine Gestalt von oben und fragte auf dem Treppenabsatz: „Wer sind Sie? Haben Sie überhaupt die Erlaubnis hier zu sein?“ Mein Herz schlug schneller. Was sollte ich sagen? Sollte ich überhaupt irgendetwas sagen?“ Gerade als dieser Jemand mich packen wollte, zog ich mein Messer aus dem Stiefel, rammte es ihm mit der Bewegung eines Uppercuts in den Bauch und zog es dann bis zum Rippenkasten hoch. Ich spürte, wie er
erschlaffte und zu Boden sank. Während er fiel zog ich mein Messer zurück. Dann folgte ich weiter den Irrlichtern. Auf meinem Weg nach oben tötete ich noch zwei weitere Gestalten, nachdem sie allarmiert versucht hatte mich zu überwältigen.
„Ich glaube nicht, dass Ihre Anwesenheit wirklich nötig ist“, erklärte Mrs. Fujikage. „Das ist aber die Anweisung des Inspektors“, erwiderte einer der beiden Beamten, die links und rechts neben der Tür standen. „Aber selbst wenn, dann hätten zwei doch gereicht. Warum müssen Sie zu viert auf mich aufpassen? Chaos Valentin würde sowieso nie hier oben ankommen, weil sie ihn vorher schon festgenommen…“ Ein dumpfer Aufschlag ließ die Neuropsychologin inne halten. Ihm folgte die Stimme eines Mannes: „Hey, was…was soll das? Bist du ver…“ ein
lauter Aufschrei unterbrach den Satz, gefolgt von einem weiteren dumpfen Aufprall. Die beiden Beamten sahen sich an. Der eine zog seine Waffe der andere bedeutete Mrs. Fujikage sich hinter ihren Schreibtisch zu hocken, für den Fall eines Schusswechsels. Dann öffnete einer von ihnen die Tür und der andere wollte den Flur sichern. Doch ein kräftiger Sidekick in die Magenhöhle überraschte ihn stattdessen, gefolgt von einem Schwinger. Bloß traf ihn keine Faust, sondern ein Messer, welches sich bis zum Schaft in seine Schläfe bohrte. Er fiel zu Boden und noch bevor sein Kollege reagieren konnte, erlitt auch er ein ähnliches Schicksal, nur dass das
Messer ihn an der Kehle traf und diese aufriss. Das Blut drang aus der Klaffenden Wunde und zierte die Wände und die Angreifer. Dieser ließ das Messer langsam sinken, während er auf den vor ihm liegenden Körper starrte. Mrs. Fujikage drückte sich die Hände vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. Der Junge sah über die Schulter in ihre Richtung, da erkannte sie ihn: Chaos. Er hatte sein Aussehen geändert, doch sie erkannte die kalten starren Augen und das verrückte Grinsen. Er hatte sich nun ganz zu ihr umgedreht und kam langsam auf den Schreibtisch zu, an dem sie eben noch gesessen und
mit den Beamten geredet hatte. Tock, tock, tock. Etwas klopfte lauter werdend gegen das Holz der anderen Tische, die vor ihrem standen. Tock, tock, tock. Mrs. Fujikage erhaschte einen Blick, wie Chaos mit dem Griff seines Messers gegen die Tische schlug. Als sie das Blut an der Klinge sah, spürte sie, wie die Übelkeit in ihr aufstieg. Sie wand sich ab und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tisch. Dann plötzlich, absolute Stille. Wo war Chaos? Spielte er nun Hide and Seek mit ihr oder war er verschwunden? Sie wollte noch einmal auf den Gang spähen, auf dem der Mörder eben noch gegangen war. Doch als sie sich umdrehte hatte Chaos sich
genau neben sie gekauert, starrte sie mit aufgerissenen Augen an und begann hysterisch zu lachen.