Kapitel 14
Ein kleines blaues Licht flackerte vor mir auf. Ein Irrlicht. In den Geschichten erzählt man sich, dass sie verlorene Wanderer von ihrem Weg weisen und in die Irre führten, doch ich hatte schon längst meinen Weg verlassen und egal wie weit ich zurück sah, ich würde ihn doch nie wieder finden. Diese kleinen Lichter halfen mir durch die undurchdringliche Dunkelheit und waren mein neuer Weg.
Ein Irrlicht nach dem anderen flackerte auf und ich folgte ihnen, doch als ich zurück sah, waren sie bereits erloschen und gänzlich die Dunkelheit hatte ihr
großes schwarzes Maul aufgerissen. Ich wandte ihr den Rücken zu und folgte weiter den Irrlichtern. Die Geräusche um mich herum schwollen an, der Lärm der Straße, Gerede von unzählbar vielen Mündern, Werbung. Immer wieder flackerte das Bild der Frau vor mir auf – wie sie die Spritze in der Hand hielt, ein Lächeln auf den Lippen und diesen toten Augen. Doch ihr Name wollte mir noch immer nicht einfallen. Andere Sequenzen aus meiner Vergangenheit flackerten auf. Diese Jacke, die mir die Freiheit der Bewegung stahl, sie hatte sie mir angelegt. Sie hatte mich auch am Bett festgekettet, als ich mich aufbäumte, rasend vor Wut. Doch als
andere da waren, tat sie als sei ich ihr ein und alles gewesen.
Ich spürte, wie der Hass in mir aufstieg. Diese Frau war eine Heuchlerin. Sie hatte an mir Dinge getestet und mich ungläubig wirken lassen. Denn wer glaubt jemanden dessen Kopf wie ein Spiegel in tausende von Teil zersprungen ist? Ein nasser Tropen landete auf meiner Nasenspitze. Ich sah nach oben und stellte mir den Himmel vor: von Wolken behangen, aus denen hier und dort sich ein Regentropfen löste.
Kapitel 14
„Sie sind sicher, dass Sie nicht mitkommen wollen?“, frage Yagami als er in der Tür sich noch einmal umdrehte. „Ja, ich bleibe lieber hier und sehe mir noch einmal Chaos Valentin´s Akte an. Vielleicht finde ich Hinweise zu seinem Aufenthaltsort oder dem nächst möglichem Opfer“, eriderte Mrs. Fujikage. „Na gut, wenn Sie es so wollen, aber sein Sie bitte vorsichtig, wenn Sie nachher gehen. Er könnte es auch auf Sie abgesehen haben“, warnte Yagami. Die junge Neuropsychologin sah auf und lächelte beschwichtigend: „Sie können ja draußen Wachen
aufstellen, wenn es Sie beruhigt.“ Yagami atmete tief ein und schloss die Tür hinter sich. Sein Assistent sah ihn fragend an. „Ich gebe eben Bescheid, dass zwei Kollegen wache stehen sollen“, erklärte Yagami.
Kurze Zeit später verließen Polizeiinspektor Yagami und sein Assistent das Polizeipräsidium, um sich auf ein Feierabendbier in eine der vielen Bars zu setzen. Auf dem Weg zu ihrem Stammlokal sprachen sie über dies und jenes und bemühten sich die Erlebnisse des Jobs außen vor zu lassen. Da blieb Yagami unvermittelt stehen und zog eine Augenbraue hoch. Sein Assistent drehte sich verwundert zu ihm um. „Haben Sie
etwas vergessen?“, fragte er. Yagami schüttelte den Kopf und zeigte an seinem Assistenten vorbei. Dort teilte sich der Strom der Passanten, nur um kurz darauf wieder zusammenzulaufen. Grund dazu war ein Punk, der mitten auf dem Gehweg stand und in den Himmel sah. Sein Mohawk war durch den einsetzenden Regal außer vor geraten und sein Shirt begann sich mich Wasser voll zu saugen. Doch all das schien den Jungen nicht zu interessieren.
Mit einem Kopfnicken bedeutete Yagami seinem Assistenten, dass sie den auffälligen Jungen sich genauer anschauen würden. „Hey, ist alles in Ordnung?“, fragte Yagami in einem rauen
Ton. Langsam nahm der Jungen den Kopf aus dem Nacken und sah in die Richtung des Inspektor´s, doch er sprach kein Wort. „Ob alles in Ordnung ist habe ich gefragt“, widerholte Yagami. Der Junge lehnte den Kopf zur Seite, als würde er ihn nicht verstehen. Yagami hatte sofort gespürt, dass mit dem Jungen etwas nicht stimmte, doch im ersten Moment hatte er nicht sagen können was. Doch nun fiel es ihm auf: der Junge starrte gradewegs an ihm vorbei ins Nichts. Und bei genauerem Hinsehen bemerkte Yagami, wie milchig die Augen des Jungen waren. Er war blind. „Hast du die Orientierung verloren?“, fragte Yagami, nun
wesentlich freundlicher und besorgter. Der Junge lehnte den Kopf zur anderen Seite, dann nickte er kaum merkbar. Sollen wir dich auf das Polizeipräsidium bringen? Dort können wir Bekannte von dir verständigen, die dich abholen“, bot der Inspektor an. Im ersten Moment zuckte der Junge zusammen, was Yagami nicht entging, doch dann nickte er wieder. Yagami warf seinem Assistenten einen Blick zu, der sich für das versäumte Feierabendbier entschuldigte, doch der nickte nur zurück.