Der Tag ist gekommen.
Schon seit einiger Zeit spielten wir in Gedanken durch, ob wir das durchziehen und was wir dazu tragen werden.
Waltraut erzählte uns von einer ehrwürdigen Kiste, die unglaubliche Schätze für unser Vorhaben bereit hält.
Es ist kurz vor vier.
Gertrut und Waltraut trudeln ein.
Mit wirklich vielen Kleidungsstücken im Gepäck.
„Oh weia!“, sage ich nur lachend bei dem Blick in die riesigen Taschen.
Ich zeige Waltraut, wo sie die Sachen hinlegen kann und hole drei Gläser mit Schampus vor.
Erstmal ein Schlückchen trinken.
Wir lachen uns schlapp, bei dem Gedanken …
die Gesichter …
wenn wir vor den Türen stehen und brüllen: „Süßes! Sonst gibt´s Saures!“
Wir ollen hässlichen Weiber!
Eigentlich ist das ja den Kindern vorbehalten, doch mit dieser Regel werden wir heute brechen.
Gertrut verfügt über ein Leben voller Bühnenerfahrung und kann wirklich hervorragend schminken.
Ich lege munter gruselige Dickebacken-Musik in den CD-Spieler ein.
Den Lautstärkeregler ordentlich hoch gedreht! Waltraut wühlt in den Klamotten.
Zugegeben, sie riechen genau so, wie sie den Eindruck erwecken! Staubig und moderig!
Wie geschaffen für dieses Fest.
Bei einem Waschgang wären sie vermutlich zerfallen!
Der Raum füllt sich mit dem gruftigen Muff und wieder müssen wir kichern, bei dem Gedanken …
erfreuen uns jetzt schon den gerümpften Nasen.
Heben die Gläser und stoßen an.
Mein Gesicht wird nun noch blasser gepudert. Dunkle Schatten legt Gertrut unter meine Guckerchen.
Ein Blick in den Spiegel.
Wunderbar.
Nun noch etwas Schwärze unter die Wangenknochen und das Kinn, und jetzt bin ich wirklich zum Gruseln.
Und das Gute ist: Die Falten sind völlig
natürlich, nichts braucht künstlich hinzugefügt werden!
„Meine Güte, bin ich hässlich!“, rufe ich und kriege mich kaum ein vor Lachen.
Nun ist Waltraut dran und ich beschäftige mich mit der Garderobe.
Ich halte ein Spitzennachthemd in die Höhe. Nicht schlecht.
Lächelnd lege ich es zur Seite und tauche noch tiefer in den duftigen Klamottenstapel ein.
Mit spitzen Fingern ziehe ich eine knielange Unterhose vor.
So, wie sie vor ca. hundert Jahren von den Damen getragen wurden.
Mit offenem Schritt! Das war sehr praktisch bei Feldarbeiten. So sparte Frau sich das
Hose-runter-ziehen, wenn sie mal musste. Die nehme ich mir unte Umständen.
Ich halte das Ding in die Höhe und wir prusten los.
„Lass mir bloß was übrig!“, schallt es von Gertrut herüber, während sie Waltraut mit dunklen lila Schatten verziert.
Diese sitzt, in staubig grauer Schlabberhose und lummelig zerfleddertem Hemd, vor dem Spiegel und zieht fiese Fratzen.
Nur noch etwas schwarze Zahnfarbe und schon wird ihr Lächeln unvergesslich!
Gertrut schnappt sich den schwarzen Frack. Zugegeben!
Er hat bereits bessere Tage gesehen, doch genau das ist ja sein Charme.
Etwas Mehl über die Schulter gestäubt –
herrlich!
Noch ein Gläschen Klickerwasser, während wir uns mit dem Toupierkamm den letzten Schliff verpassen.
War da nicht gerade etwas?
Wir sehen zur Tür.
Die ersten Kinder!
Ein Blick zur Uhr.
Gegen sechs – das war ja klar, dass sie um diese Zeit kommen werden.
Wir gehen zur Tür.
Löschen das Licht.
Gertrut nimmt sich den fünfarmigen Kerzenleuchter.
Ein Blick durch den Spion: Kinder – eine ganze Horde!
Kurz grinsen wir uns listig zu, dann öffnen wir
grimmig die quietschende Tür.
Vor uns steht die erschreckte Meute.
Ich strecke meine blasse gichtgeschundene Hand vor und will mir eines der Kinder in billig schlechter Kostümierung greifen.
Nur zum Spaß!
Laut schreiend rennen sie weg.
Wir erheben die Schampusgläser:
„Hoch lebe Halloween.“
„Was für Helden!“ Waltraut kann vor Lachen kaum noch die Flüssigkeit balancieren.
Eifrig schnatternd ziehen wir in die Nacht
hinaus …