Der Atem der Kommissarin ging stoßweise. Sie hatte die Kontrolle über ihren Körper verloren. Der tote Körper des Mannes lag auf poliertem Marmor. Es war kein Blut geflossen und trotzdem lag der Leichnam in einer merkwürdig gekrümmten Haltung vor ihr. Wache Augen sondierten ihre Umgebung. In dem Geschäft war das Licht gelöscht. Niemand hätte die Leiche entdeckt, jeden falls nicht vor Montagmorgen, immerhin war es Sonntag und in Erbach war es mehr als unwahrscheinlich, dass sich viele Blicke von Passanten in den
Verkaufsraum stehlen würden. Immerhin war es Winter und die Touristen blieben fern. Sie hätte also genügend Zeit gehabt sich vom Tatort zu entfernen, sich zu sammeln und vor allem umzuziehen. Der Anblick des Verstorben, so wie er auf seinen fetten Bauch, in dem viel zu teuren blau, grauen Anzuges lag, brachte die Frau Mitte Dreißig in Rage. Diese ganze Situation passte ihr nicht im geringsten. Sie konnte schon die höhnischen Kommentare ihrer Kollegen der Mordkommession hören. Der Kiefer der schönen Frau presste sich der Art zusammen, man hätte zwischen ihren Zähnen einen Felsen zermahlen können.
Ihre Nasenflügel blähten sich auf, als sie für den nächsten Telefonanruf ihren Atem unter Kontrolle brachte. Als sich jemand meldete klang ihre Stimme bereits kalt und abgehärtet, denn der Spaß war nun vorbei. Wir recht die Kommissarin damit doch hatte, machte ihr das breite Grinsen ihres Kollegen und Partners deutlich klar: „Was ist denn bei Ihnen passiert? Ist ihr Kleiderschrank explodiert.“ „Ich hatte bis vor knapp zwei Stunden Urlaub und falls es Sie interessiert, ein Hosenanzug ist ausgesprochen unbequem zum Joggen.“ „Joggen? Ich werde es nie verstehen wie man es schafft dem Herztod zu entgehen
in dem man ihm in die Arme rennt.“, konterte der korpulente Herr ende Vierzig seiner geschätzten Kollegin. Kommissarin Senta Anwenius ignorierte die Stichelei des untersetzten Mannes und machte der Spurensicherung aus Frankfurt platz. Sie hatte sich den Besuch bei ihrer Mutter auch anders vorgestellt. „Schätzchen, du sollst mir ein Paar Urlaubsfotos präsentieren und keine überdimensionierte Leiche, in Embrionalhaltung.“, schlamaite die Stimme der Pathologin an Sentas Ohren. Rebecca war zwar eine Freundin, aber nur solange sie sich von Sentas Privatsphäre fern hielt. In Anbetracht der
jetzigen Situation bestand nämlich eher die Möglichkeit einer Feindschaft. „ Bergmann, besteht die Möglichkeit mich zivilisiert an der Ermittlung zu beteiligen?“, fragte sie ihren hoch motivierten Kollegen, um nicht eventuell die Ermittlung zu gefährden, weil die Pathologin den Zustand der Leiche annahm. Die Ehefrau von Berthold Braun, die junge Angestellte und deren über beschützender Freund stürmten den Tatort. Somit war an Ortungsgemäße Kleidung nicht mehr zu denken. Als dann noch die Lokalpresse aufschlug kam für Sentas Nerven jede Hilfe zu spät. In den nächsten zwei bis drei Stunden würde sie schwitzend in
ihren Lotterklamotten festsitzen und alle Kollegen der Mordkommession sahen sie an. Die Unberührbare Awenuis ganz Privat. Der Albtraum, der distanzierten und vernünftigen Kommissarin. Am Nachmittag konnte dies nur ihre Mutter bestätigen: „Ich weis nicht was interessanter für die Presse wird: Wer den Braun um genietet hat oder ob du wirklich ein menschliches Wesen bist.“ Senta hockte mit verschränkten Beinen auf dem Küchenstuhl und rubbelte sich durch die nassen Locken. Von ihrer kalten Art war lediglich ihre scharfe Zuge zurück geblieben: „Mutti hilf mir lieber diesen Mord aufzuklären, als dich in mein Liebesleben ein zu
mischen.“ Die Rentnerin stellte zwei große Stücke Heftkuchen mit Apfel vor sich und ihre Tochter. Sie machte ihrem Kind keine Vorwürfe. Ihr war mit Sentas eisigen Pelz für kaltblütige Mörder bestens vertraut. Als Staatsanwältin hatte sie diesem ihrer Tochter in die Wiege gelegt. „Drei Verdächtige und alle haben den Mord gestanden. Also das ist mir in meiner ganzen Laufbahn auch nicht untergekommen.“ „Was ein Glück, arbeite ich Generationen übergreifend. Was war dieser Braun für ein Mensch. Du bist doch hier aufgewachsen.“ „Na das Übliche. Er war ein reiches
Schwein, der keinen Rock in Ruhe lassen konnte, hat seine Frau des Geldes wegen geheiratet, dabei war sie so verliebt damals. Er handelte mit Bernstein und Elfenbein. Dein Vater hatte unsere Eheringe bei seinen Eltern gekauft und geschworen niemals auch nur einen Zahnstocher aus Elfenbein für den jungen Braun herzustellen und seine Schüler hat er vor Geschäften mit ihm gewarnt.“ Senta stopfte sich ein großes Stück Kuchen in den Mund, denn ihr Magen fühlte sich an wie ein Stein. „Lassch misch ratschen,“schmatzte sie, „Die nette Angestellte fungierte als Betthäschen.“ Die Mutter von Senta
nickte, aber hatte weit mehr Informationen: „Es ist ein offenes Geheimnis, doch die kleine Angestellte ist ja verlob und sehr glücklich. Ich bin glaube ich sogar auf die Hochzeit eingeladen. Ich gehe mit den Eltern der Kleinen zum Golf und ihr beide wart zusammen im Kindergarten.“ „Wow Kleinstadtleben, ich habe schon fast vergessen wie schön es ist anonym zu leben, in einer Hochbausiedlung.“ Auf diese zynische Aussage ihres Kindes hin zog die Mutter nur eine Augenbraue hoch: „Und warum haben alle drei den Mord gestanden.“ „Weil Sie alle dem Typen eines über den Schädel gezogen haben. Der Verlobte ist
zur Zeit der Hauptverdächtige, denn er hat schon bevor ich die Leiche durch das Schaufenster gesehen habe, sich der Polizei gestellt. Er habe den Braun aufgesucht, weil der sich wiederholt an seine Freundin heran gemacht hatte. Es kam nahe des Hinterausganges zum Handgemenge und er schlug mit einem etepetete Briefbeschwerer aus Elfenbein von Hinten auf das Mordopfer ein. Die Frau sagt aus, sie wollte sich wohl endgültig von ihrem Parasiten scheiden lassen und hat ihm die Papiere vor den Latz geknallt. Er hat sie drauf hin ausgelacht, und sich dabei sogar ein Drink gegönnt und wieder hielt der Briefbeschwerer her, hier aber im Büro.
Beide flüchten selbstverständlich, und die kleine Angestellte erzählt das Gleiche. Nur hier hat er sie versucht ab zu schlabbern und das im Tresorraum.“ „Harter Schädel.“, meinte die Mutter respektierend und reichte ein weiteres Stück Blechkuchen. „Auf der Mordwaffe sind die Fingerabdrücke der Verdächtigen und zu geschlagen haben sie wohl alle gestern Abend.“ „Aufzeichnungen der Kameras?“ „Hat der Verlobte gelöscht.“ STILLE! Es vergingen zwei weitere Kuchenstücke und einige Tassen Kaffee, bis sich die beiden Frauen wieder etwas zusagen
hatten. „Ich denke mir das so“, begann die Mutter, „Braun machte sich an die Kleine ran, sie werte sich mit dem Briefbeschwerer. Da rührte er sich aber noch. Der Verlobte will die Beweise vernichten und kehrte zum Tatort zurück. Als Braun aufwachte geriet dieser so in Rage, dass es wieder zum Handgemenge kam. Das wäre dann der zweite Schlag.“ „Braun steht aber wieder auf und holt sich gegen das Schädeldröhnen einen Drink. Die Ehefrau wiederum suchte ihren Schürzenjäger im Geschäft auf, weil sie glaubte er vergnügte sich mit der Angestellten.“, ergänzt Senta mit
dem selben Enthusiasmus wie ihre Mutter. Diese nickte beipflichtend: „Sie wirft ihm die Scheidung vor und weil die ganze Situation so unvorstellbar ist, fängt Braun an zu lachen.“ „Schädelbrummen Nummer Drei und Täterin?“ Die Mutter bremste ihre Tochter aus. Die vielen Jahre am Gericht hatten sie oft eines besseren belehrt: „Du solltest auf die Ergebnisse von Rebecca warten bevor du die Witwe verhaftest. Du weist, dass sie immer für eine Überraschung gut ist.“ Gerade wollte Senta etwas trotziges und scharfzüngiges erwidern, als das Mobiltelefon der Kommissarin sie im
Voraus einer Lüge straffte. Sie angelte die Hundeleine ihres Arbeitgebers aus der Tasche der grauen Jacke und erkannte Rebeccas Nummer. Sentas Mutter schenkte Kaffee nach und lehrte das Kuchenblech. Als Senta nach dem Anruf zurück in die Wohnküche kam glühten ihre Ohren und die Augen funkelten zornig. Die nächste Frage der Tochter ließ in der Mutter die Hoffnung auf Enkelkinder wachsen: „Mutti weist du wie man ein Herz verhaftest?“ „In dem man sich einen sehr schönen Ring anlegen lässt.“ Das letzte Stück Kuchen wurde brummig in Angriff genommen: „Lasch den Quatsch. Die Drei haben zwar auf Braun
eingeschlagen, aber er ist dank seinem Granitschädel an einem Herzinfarkt gestorben. Dieser war laut Rebecca wohl schon lange überfällig.“ Die Hoffnung starb und die Mutter klaute sich noch eine Kuchenecke von dem Teller ihrer Tochter. „Ein natürlicher Tod. Fall abgeschlossen. Wegen dem braucht nun wirklich niemand in den Knast zu wandern.“ Diese Option gefiel der Urlauberin und um sich zu entspannen reckte sich Senta genüsslich auf ihrem Stuhl. „Ach Mutti lass und morgen in die Terme fahren .“ Endset fuhr die Mutter hoch: „Oh nein,
wenn du dort über einen Toten fällst bekommen dich deine Kollegen im Bikini zu Gesicht. Und soviel Kuchen gegen schlechte Laune will ich nicht backen.“
Meerjungfrau Eine spannende Geschichte mit einer sehr überraschenden Ende. LG Nadja |