Ich stieg aus ihrem Auto aus, schaute ihr in die Augen und lächelte. Sie lehnte sich leicht nach vorne und erwiderte mein Lächeln. „Es war schön mit dir.“, sagte sie und legte dabei eine Ernsthaftigkeit in ihre tiefe Stimme, die mich schwach werden ließ. Ich spürte einen dicken Kloß in meinem Hals und war unfähig zu antworten, weswegen ich nur nickte und sie anstarrte. Mein Herz klopfte so laut, dass ich Angst hatte, sie könne es hören.
Wir schauten uns eine Weile an und ich erwischte mich dabei, wie ich mich ein wenig in ihren Augen verlor. Schnell riss ich mich los, hauchte ein „Auf Wiedersehen“ und drehte mich um.
Zittrig versuchte ich die Tür aufzuschließen. Ich konnte ihren Blick in meinem Nacken spüren, was mich auf eine seltsame Art und Weise glücklich machte. Als ich das Türschloss klicken hörte und die Tür öffnete, drehte ich mich noch einmal um. Unsere Blicke trafen sich erneut und ich merkte, wie etwas steil meinen Magen hinab sauste und dumpf am Boden aufschlug. Ich wandte mich ab, schloss die Tür hinter mir und lehnte mich dagegen. Langsam rutschte ich daran hinunter und spürte eine unbändige Freude in mir aufkommen, die sich wie warme Sonnenstrahlen in meinem Körper ausbreitete. Ich fühlte mich so glücklich
wie lange nicht mehr, ich wollte fliegen, abheben und die Welt erobern. Die Welt erobern mit ihr. Ich wollte sie fühlen, küssen, sie einfach bei mir haben. Das Verlangen nach diesem Menschen war übermächtig und ich konnte und wollte ihr nicht widerstehen.
Von draußen kam das leise Aufheulen eines Motors. Ich konnte hören wie sie vom Hof fuhr. Sofort hatte ich Sehnsucht nach ihr und wollte, dass sie auf der Stelle umkehrte, um zu mir zurück zu kommen. Am liebsten wollte ich aufspringen, die Tür aufreißen und dem wegfahrenden Auto hinterherlaufen. Doch ich ließ es lieber sein, es wäre mir zu kindisch vorgekommen. Und eines
wollte ich unter keinen Umständen in ihren Augen sein: ein Kind. Einen Moment lang dachte ich darüber nach, während eine Hitzewelle mich überrollte. Diese Gedanken waren so neu und unbekannt, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass sie falsch oder schlecht waren. Wie konnte etwas auch nicht richtig sein, wenn es einen glücklich machte? Ich biss mir auf die Unterlippe. Konnte es wirklich sein, dass ich mich verliebt hatte? Verliebt in den Menschen, der mich gerade nach Hause gebracht hatte? Wenn diese Gefühle wirklich Liebe waren, dann wollte ich, dass sie nie endeten. Hätte man sich Liebe in Spritzen kaufen können, ich wäre schon
längst zum Junkie geworden. Irgendwie gefiel mir der Gedanke, in sie verliebt zu sein, weil ich nun endlich jemanden hatte, für den ich da sein und der mich, auch ohne seine Anwesenheit, immer zum Lächeln bringen konnte. Der Wunsch, dass es ihr gut ging und dass sie glücklich ist, war so dominant, dass er meine Bedürfnisse komplett in den Schatten stellte. Für sie hätte ich alles stehen und liegen lassen, hätte alles in meiner Macht Stehende versucht, um sie nur lächeln zu sehen. Lieber wollte ich sterben, als ohne sie zu leben. Ein Leben ohne sie war überhaupt gar nicht, und unter keinen Umständen mehr vorstellbar. Ich brauchte diesen einen
Menschen, wie die Luft zum Atmen. Langsam schloss ich meine Augen und konnte sie sofort klar und deutlich vor mir sehen. Ich öffnete meinem Mund ganz leicht und hauchte die drei Worte nur: „Ich liebe dich.“ Ich sagte sie ganz langsam und bewusst. Ich konnte sie schmecken. Und sie schmeckten gut. „Besser als in einem fünf Sterne Restaurant.“, sagte ich und lächelte. Ich zog mich an der Türklinke nach oben und musste erst mal wieder mein Gleichgewicht finden. „Liebe macht wohl nicht nur glücklich, sondern auch betrunken“, murmelte ich und stütze mich an der Wand ab. Benommen ging ich den Flur entlang in die Küche,
öffnete die Schranktür und griff nach einem Glas. Dann drehte ich den Wasserhahn so kalt auf, wie es nur ging und füllte es. Die Kälte tat mir gut und beruhigte meinen verschwitzten Körper. Ich merkte wie die Hitze langsam verschwand und ich einigermaßen wieder klar denken konnte. Ich starrte nach draußen, sah die erleuchtete Stadt zu meinen Füßen und den Mond, der über ihr schwebte. Was für eine Nacht. Was für ein unglaublicher Mensch, der mich so gefesselt hatte, wie kein anderer vor ihm. Sie hatte irgendetwas Besonderes in sich, was ich nicht recht deuten konnte. Aber gerade das war es, was mich so sehr an ihr reizte. Dieses unergründliche, ein
wenig verschlossene. Es machte sie unglaublich sexy. Ich liebte ihre Augen, die einen glauben ließen, man schwimme auf einem klaren blauen, aber auch eiskalten Meer. Es verlieh ihr etwas Weibliches und Reifes, was mich schwach werden ließ. Ihr T-Shirt betonte ihren Oberkörper. Ich ließ die letzten Tropfen des Wassers durch meine Kehle hinunter rinnen, stellte das Glas ab, um über den Flur zurück, in mein Zimmer zu gelangen. Der Tag war anstrengend gewesen und ich war müde geworden. Ich wollte versuchen ein wenig zu schlafen. Im Gehen, öffnete ich mein Kleid und ließ es an meinem Körper hinabgleiten. Ich zog meine Schuhe aus, dann meine
Strümpfe. Ich tauschte meine Unterwäsche gegen ein viel zu großes T-Shirt und ließ mich in mein Bett fallen. Ich zog die Decke bis zum Kinn und drehte mich auf die Seite. Die Stille war schrecklich. Sie erdrückte mich und ließ zu, dass ich an sie denken konnte und daran, was alles zwischen uns passiert war. Viel zu viele Gefühle und Gedanken stürzten gleichzeitig auf mich ein und schafften es mich komplett zu verwirren, wobei sie dem Glück, was ich immer noch in mir hatte, keinen Abbruch taten. Ich ließ den Tag noch einmal Revue passieren, dachte über alles nach was sie gesagt hatte. Das komische war, dass ich mich an jeden Wortfetzen
unserer Unterhaltung erinnerte, bis ins kleinste Detail. Besonders ihre kleinen Komplimente hatten sich ganz fest in mein Herz eingebrannt und taten mir gut. Sie zauberten mir sofort ein Lächeln auf die Lippen. Wir hatten den Abend über kaum geredet, waren einfach nur so nebeneinander hergelaufen und haben uns nur kurz immer wieder in die Augen geschaut. Es war keine bedrückende Stille, wie sie manchmal zwischen zwei Leuten entsteht, die sich nichts zu sagen haben, sondern eher eine, die für sich selber gesprochen hat. Wir brauchten keine Worte um zu zeigen, dass wir die Anwesenheit des Anderen genossen. Ihr Wesen konnte ich auch so erkennen, ohne
sie auszufragen. Sie strahlte eine Zufriedenheit aus, die ein regelrecht anstecken konnte. Es war mir so erschienen, als gäbe es keine Probleme mehr auf der Welt, denn sie war da und überschattete alles Schlechte. Ohne sie, wäre die Erde wahrscheinlich im Chaos versunken und ich mit ihr. Außerdem hatte sie diese gewisse Dominanz in sich, die man in jeder ihrer Bewegungen und in jedem ihrer Worte spüren konnte. Das gefiel mir. Ich fühlte mich von ihr beschützt, wusste, dass sie die Kontrolle über alles hatte. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass sie mich erdrückte. Meine Meinung schien ihr genauso wichtig zu sein. Sie schätzte mich und
gab mir trotz allem das Gefühl, dass ich ihr ebenbürtig war, obwohl unser Altersunterschied doch recht groß war. Ich mochte, dass sie stolz auf sich war, dass sie die Person akzeptierte, die sie jeden Tag aus dem Spiegel heraus anschaute, was nun wirklich nicht jeder von sich behaupten kann. Sie war stolz auf ihr Leben und darauf, was sie schon erreicht hatte. Trotzdem war sie nicht eingebildet oder abgehoben. Auch wenn ich es niemals offen zugegeben hätte, gefiel mir diese Einstellung und diese gewisse Selbstverliebtheit. „Ein perfekter Partner.“, dachte ich. „Selten, aber anscheinend möglich.“ Wahrhaftig, sie war perfekt. Perfekt für mich. Und
sie war mein kleines Geheimnis. Keiner wusste von ihr. Ich redete mir immer wieder ein, dass der Grund dafür war, dass ich sie mit niemandem teilen wollte, was ich für mich schon so oft wiederholt hatte, dass ich es mittlerweile nicht mehr als Ausrede oder Lüge empfand. Doch ich wusste auch, dass sie nicht wollte, dass jemand davon erfährt, dass sie die ganze Sache geheim halten wollte, weil Menschen manchmal schlecht auf Dinge reagieren können, die eigentlich kein Problem darstellen, bis man sie zu Problemen macht. Ich hatte damit kein wirkliches Problem, von mir aus hätte es die ganze Welt erfahren können, wie sehr ich sie liebte. Ich glaubte noch an das
Gute im Menschen, hoffte, dass man Verständnis für uns zeigen könnte und dass es schon eine Lösung geben würde, wenn irgendjemand von unserem Verhältnis erfahren würde. Doch ihr zu Liebe hatte ich niemandem etwas erzählt und hatte immer darauf geachtet, dass ich ihre Nachrichten und Mails löschte, auch wenn es mir manchmal schwerfiel. Ihren Namen hatte ich in meinem Telefon lieber auch nicht eingespeichert. Ich kannte ihre Nummer eh auswendig. Auch achtete sie penibel darauf, dass wir nicht zusammen gesehen wurden. Sie entführte mich an Orte, die wie ausgestorben waren. Wo nur Wiesen und Felder waren und wo sich niemals eine Menschenseele
hin verirrte. Es störte mich nicht sonderlich, so hatte ich sie für mich ganz alleine und ihre Aufmerksamkeit war mir sicher.