Greg und die Rocker
Jörg Krämer
Letzte Woche Dienstag. Gregs Lieblingsmannschaft hatte gerade das Zweitligaduell gegen den 1. FC Köln gewonnen. Zur Feier des Tages hatte Greg ein paar Bierchen gezischt und fühlte sich angenehm beschwipst.
Auf dem Weg zum Zug hörte er ein paar Jungs tuscheln: „Guck mal, der Alte, der sieht aus wie der Prof aus „Zurück in die Zukunft. Ob der auch so durch geknallt ist?“
„Naja, habe nur nicht mehr so viele
Haare wie der“, dachte Greg und stieg in die Bahn. Der saure Geruch von
Schweiß, vermischt mit einer
penetranten Biernote stieg ihm in die Nase. Er drängte sich zwischen die
feiernden Fans und grölte ein wenig
mit.
Der Zug rollte an und Greg kam ins Straucheln. Umfallen konnte er nicht, dafür war es zu eng. „Mit fast fünfzig werde ich langsam zu alt dafür“, dachte er.
Die Fans im Zug tanzten und sangen.
Immer wieder lagen sie sich in den
Armen. Aber der Alkohol machte Greg träge. Langsam schob er seinen mageren Körper Richtung Erste Klasse Abteil.
An der Tür angekommen, schlüpfte er schnell hinein. „Hallo“, rief er und
drückte sich in die hinterste Ecke. Die Passagiere nahm er nicht wahr. Sonst hätte er mitbekommen, wie ihn fünf
mürrische Rocker verdutzt anstarrten. „Ist der lebensmüde?“ fragte der mit den Gesichtstatoos seinen Nachbarn mit der mehrfach gebrochenen Nase. „Erst legen die unsere Maschinen still und jetzt stolpert hier noch son Irrer rein. Scheiß Tag.“
„Lass gut sein, Boss. Der lohnt keinen Stress. Außerdem ist der Zug zu voll. Für heute hatten wir schon Ärger genug.“
Greg hatte inzwischen realisiert, mit wem er da zusammen saß. Stören tat es
ihn nicht. Munter begann er über Fußball
zu philosophieren. „Und! Kommt ihr auch von dem Spiel.“ Die Kerle sahen sich an und verdrehten die Augen. Keiner antwortete. Doch Greg verfügte über das Talent mit jedem ins Gespräch zu kommen. So wusste er bereits nach wenigen Minuten die Namen seiner Reisegesellschaft: Hacho war der Boss, Tom sein Stellvertreter, Mücke war der Hühne, Sillo der
Schlafende und Tim der Kleine. „Was ist denn mit eurem Kumpel Mücke?“, fragte Greg „der guckt ja als wollte er gleich aus dem Zug s pringen.“
„Seine Alte hat Schluss gemacht. Meint er isn unromantisches Arschloch! Womit sie Recht hat. Wusste sie aber auch
vorher. Naja, jetzt schiebt er ne Depri und vermiest allen die Stimmung.“
„Vielleicht kann ich ihm helfen!“
„Ne, is zwecklos. Der hat schon unsere Maschinen aufm Gewissen. Hat gepennt als die Bullen kamen.
Haste gehört, Mücke, wenns so weiter geht biste raus!“
„Is gut, Boss“
„Siehste, Greg, er wehrt sich nich mal.“
Greg drückte sich wieder in seine Ecke, holte einen Notizblock aus der alten, zerknitterten Jacke und kramte einen Bleistiftstummel hervor. Dann fing er konzentriert an zu schreiben .
Im Abteil w urde es wieder bedrückend still. Das kurze Gespräch hatte die
Stimmung etwas aufgebessert, aber nun, wo keiner mehr sprach, schlug die
Übellaunigkeit der Rocker wieder durch.
Das monotone Rattern der Räder verstärkte die bedrückende Stimmung zusätzlich.
„Hier, schreib das deiner Freundin.“ Greg war aufgestanden und drückte Mücke seinen Notizblock in die
Hand. Mücke schaute Greg zweifelnd an, blickte kurz auf den Block und fing an auf seinem Smartphone zu tippen. „Das machste doch nich wirklich?“, meinte Hacho.
„Halts Maul, Boss! Schlimmer kanns eh nich werden. Was solls also?“ Dann war es wieder ruhig. Keiner wollte sich
ernsthaft mit Mücke anlegen.
Das Rattern der Bahn dominierte wieder die Szene. Zwei Haltestellen lang redete niemand.
„Fahrkarten , bitte!“ Alle zuckten
zusammen, als der Kontrolleur in die Stille platzte. Hacho sprang auf und baute sich vor dem Kontrolleur auf. Doch bevor er etwas sagen konnte, ging Tom dazwischen und drückte dem
Bahnangestellten fünf Fahrkarten in die Hand. „Wir wollten doch heute keinen Ärger mehr, Boss.“
„Alles in Ordnung.“, meinte der Kontrolleur und gab die Karten zurück . „Ihre auch, bitte.“ Sagte er zu Greg.
Der wurde kreidebleich und fing an
fahrig in seinen Taschen zu wühlen. Dann begann er zu stottern: „Ic h … ich … ich glaube … ich weiß nicht … eigentlich müsste sie …“ Der Kontrolleur zückte bereits seinen Block.
Zur selben Zeit las Mücke eine
Nachricht auf seinem Handy.
„Passen Sie auf; Sie haben keine Fahrkarte und ich keine Lust mir
Lügengeschichten anzuhören. Geben Sie mir ihren Namen und Ihre Anschrift.“ Der Kontrolleur, der sich bei der Kontrolle der Rocker fast in die Hose gemacht hätte, versuchte nun sein Selbstvertrauen durch Härte bei Greg
wieder aufzubauen.
„Er gehört zu uns, und du hast keine
Fragen mehr.“, flüsterte es da direkt in seinem Ohr. Mückes warmer Atem streifte über den Nacken des
Kontrolleurs. „Ich hab dein Bild im
Handy. Komm nich auf die Idee Stress zu machen.“ Der Kontrolleur drehte
sich langsam um, schaute hoch in Mückes Gesicht und verließ wortlos das Abteil. Dabei zog er einen leichten Uringeruch nach sich. „Wir wollten doch keinen Stress machen.“ Meinte Hacho. Doch Mücke ignorierte ihn und ging zu dem verdatterten Greg. „Danke, Alter.“ Dabei nahm er Greg in eine herzhafte Umarmung, die ihn vom Boden abhob und fast die Rippen brach. „Emma will sich mit mir versöhnen.“
„Gern geschehen.“ Keuchte Greg „Danke auch.“ Noch nie im Leben war er schwarz gefahren.
Jörg Krämer
Ich bin 1966 in Witten geboren. Nach Abi und einer Ausbildung zum Kommunikationselektroniker arbeite ich inzwischen als Betreuer.
Nebenbei betätige ich mich als
Schriftsteller: Zum Schreiben bin ich
durch meinen Germanischen Bärenhund „Odin“ gekommen. Daher spielt in meinen Geschichten auch häufig ein
Germanischer Bärenhund mit. Meine Bücher und Kurzgeschichten sind
vorwiegend aus dem Bereich „Fantasy“.
Neben meinen eigenen Geschichten bearbeite ich noch die Aufzeichnungen meiner verstorbenen Oma und bringe sie in Buchform.
Homepage: www.baerenhund-witten.de