Er war praktischer Arzt, der Doktor Meisenbach. Und Hausbesuche macht er auch noch. Und sicher war auch, dass er seine Arbeit gerne versah, zumal er damit ja anderen Menschen, den Hilfebedürftigen im besonderen, einen großen Dienst erweisen konnte.
Aber dann gab es wiederum auch Tage in seinem medizinischen Leben, da wünschte er sich bisweilen doch lieber einen anderen Beruf ergriffen zu haben ... irgend einen ... einen, in dem er eben nicht war, was er war. der liebenswürdige Doktor nämlich, der Dr. med. Meisenbach, der noch Hausbesuche machte ...
Und ein solcher Tag war immer dann, wenn er zu einer ganz bestimmten „Patientin“ gerufen wurde, der es scheinbar schon ein nahezu diabolisches Vergnügen zu sein schien, wenn sie den Herrn Doktor - der für den Hausbesuch zu ihr die ganze Stadt durchqueren mußte - zu sich beordern konnte. Und das tat sie auch nicht gerade selten.
Wirklich ernsthaft war sie eigentlich nie, auch noch nie gewesen. Sie brauchte halt ab und an mal jemanden für ein kleines Schwätzchen. Aber - und das weiß nicht nur jeder Arzt von seinem Horoskop: es muß auch eingebildete Kranke geben...
Ein neuerlicher Anruf - Herr Doktor wurde mal wieder „äußerst dringend“ gebraucht ... offenbar ging es (mal wieder) dem Ende entgegen ... die „Gnädigste“ rang mal wieder mit dem Tod ... oder wars das Leben...?
Mit dem Sterben wirds wohl nichts sein, lächelte auch der Mediziner deshalb halbwegs vergnügt vor sich hin, als er sich zu ihr auf den Weg machte. Nur - dieses Mal würde er schon ein Mittelchen zu verschreiben wissen, ein Mittel, das sie wohl für alle Zeiten kurieren würde! Quasi ein uraltes Hausrezept!
Mit wehleidigen Blicken sah sie aus ihrem „Krankenbett“ zum Doktor empor: „Ach, Herr Doktor, ich bin ja so froh, dass Sie so schnell gekommen sind... Wenn Sie wüßten, wie sehr ich leide. Sagen Sie mir doch, was ich selber tun kann. Es muß doch ein Mittel geben, das mich noch retten kann..?“
Trotz ihrer wirklich beängstigt klingenden Worte, stecke der Herr Doktor mehr als gelassen sein Stetoskop nach kurzem Gebrauch wieder zurück in die Tasche, überlegte einen weiteren kurzen Moment, dann nickte er:
„Doch, sicher, meine liebe Frau Pichelsteiner, ein solches Mittel gibt es in der Tat ...“
„Und ...“ erscholl es hoffnungsvoll aus dem Kissenlager der wie von der Erde Abschied nehmen wollenden Daliegenden.
„Verheiraten Sie Ihre Tochter!“
„Was? Ja, aber ... was hat das denn mit meiner schlimmen Krankheit zu tun, Herr Doktor?“
„Das ist schnell erklärt, meine Liebe: Durch diese Heirat werden sie automatisch auch Schwiegermutter - und die haben bekanntlich ein sehr langes Leben ...“