Es ist still auf der Koppel. Drei Pferde taumeln in weiter Ferne, am Ende des Zaunes, von einem trockenen Grashälmchen zum nächsten. Jeder Schritt wirbelt Myriaden von tänzelnden Staubkörnchen auf, die in der knallenden Sonne als rosarote Wolke dahinschweben.
Trocken ist es, zu trocken. Es hat lange nicht geregnet. Die Erde, betonhart und rissig, dürstet nach Feuchtigkeit. Nur in der Ecke, zwischen den Brennnesseln und einem knorrigen Baum, am Anfang der Weide, schillert eine üppige Pfütze unterhalb der Pferdetränke, die oftmals überläuft, vermutlich um das alte Wasser durch frisches auszutauschen.
Es ist still in der Ecke. Nur eine Elster steht faul auf einem Bein am Rande der Pfütze, als täte sie erwägen, sich nun ins Nass zu stürzen oder nicht. Vielleicht wandern ihr auch ein paar Mücken um den Schnabel. Oder sie sonnt sich im Glanze der Einsamkeit. Vielleicht aber wartet sie nur auf etwas, was kommen mag. Doch solange nichts passiert, steht sie eben auf einem Bein und guckt. Mal hierhin, mal dahin. Wechselt auch mal das Bein. Und flattert plötzlich auf!
Ein Flügel schlägt den nächsten und ein großer Schatten fegt über die Erde.
Dann formt sich alles zusammen und entpuppt sich als Kondor, der auf der Spitze des nächsten Koppelzaunpfostens landet. Der Pfahl muss dem Riesenkerl wie ein Besenstiel anmuten. Doch er hält sich wacker auf der Spitze. Er beäugt misstrauisch die Umgebung, um im nächsten Augenblick zur Pfütze hinunter zu hüpfen.
Ein kleiner Schwung der ausgebreiteten Flügel genügt, um den raschen Fall abzubremsen. Wohlwissend, dass ihm als Herren der Lüfte keine Gefahr lauern kann, nimmt er ein paar tiefe herzhafte Züge vom wohlschmeckenden Nass.
Danach ordnet er sein Gefieder und stolziert würdevoll herum. Leider ist niemand da, um ihn zu bewundern. Deshalb breitet er seine Flügel aus und gleitet majestätisch davon.
Bei näherem Betrachten schien es wohl doch kein Kondor zu sein, aber – es hätte sein können.
Es ist wieder still in der Oase. Kein Lüftchen regt sich. Es raschelt nur im grünen Kleid des knorrigen Baumes, welches die wage Form eines Vollmondes haben könnte.
Es raschelt? Ohne jedwedes Lüftchen?
Wie kann das sein?
Ein Spatz huscht wie ein Blitz aus der Tarnung hervor. Die Vorhut vermutlich.
Er prüft die Umgebung des Gewässers. Keine Gefahr in Sicht! Kurz in die Pfütze hüpfen und zurück. Das Wasser zieht Wellen, Drei Tröpfchen springen. Dann ist es wieder ruhig. Der Spatz tschilpt aufgeregt.
Ihm antworten tausend Stimmen.
Doch ist niemand zu sehen …
Jedoch, wer genau hinschaut, kann die anderen Spatzen entdecken, die sich schon eine ganze Weile im Baum versteckt halten. Dann erzittert der Blätterwald und eine Wolke von Spatzen erschüttert die Isolation der Weide.
Nun geht alles Schlag auf Schlag. Und doch kann der Betrachter ein geordnetes Streben im Durcheinander des Geschehens bemerken. Es wird angestanden.
Zuerst trinken. Dann vorrücken zum Plantschen. Das Wasser erzittert, die Wellen plätschern ineinander, Tröpfchen über Tröpfchen vermischen sich zu einer Wolke sprühender Herzlichkeit. Danach aus dem Wasser hüpfen, während wie am Fließband die nächsten badehungrigen Gesellen nachhüpfen. Während die einen baden und trinken, veranstalten die Wasserscheuen unter den Kleinen ein Staubbad, um sich lästiger Untermieter zu entledigen, oder um die Badewilligen zu ärgern.
Es tschilpt, zwitschert, spritzt, piept, staubt und krakelt die Spatzenwolke, dass es eine Lust ist, ihnen dabei zuzuschauen! Nach dem Bad geht es zum Picknick. Breitgetretene Pferdeapfelpfannkuchen werden ausgiebig nach Delikatessen durchsucht.
Besonders vorwitzige Spatzen hüpfen vor alten Mauselöchern hin und her und rufen hinein. Sicherlich erfreuen sie sich am Echo aus den hohlen Gängen. Doch irgendwann ist der Spaß vorbei. Die Vogelschar erhebt sich wie auf ein Kommando und landet im Geäst des nächsten Baumes, der seine Kronen schier bis in den Himmel erstrecken lässt.
Dort sitzt es sich gut, die Aussicht ist hervorragend und die Gespräche untereinander gemütlich und ausufernd.
Die Sonne heizt ein, manch Lüftchen bauscht das Gefieder und dünne Ästchen laden zu schaukelnden Genüssen ein.
So krakelt das Spatzenchaos in weiter Ferne, bis es die Vögelchen wieder ins Badeparadies zieht.