Romane & Erzählungen
Der Ach-Horenn - Komplette Erzählung

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"Der Fluss der Welt"
Veröffentlicht am 24. September 2016, 68 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Zweifler, Pessimist, Misanthrop ... ... ungefähr so: "Nein, nein, ich habe nicht bewundernswert gesagt, ich sagte, ich bin außergewöhnlich. Das was ich tue, das was dir so viel bedeutet ... du meinst, ich tue es, weil ich ein guter Mensch bin? Ich tue es, weil es zu schmerzhaft wäre, es nicht zu tun. (...) Weißt du, es tut weh (...), alles das! Alles was ich sehe, alles was ich höre, rieche, berühre, die Schlussfolgerungen, die ich ...
Der Fluss der Welt

Der Ach-Horenn - Komplette Erzählung

Anmerkungen

Diese Erzählung ist Teil der Kosmogonie einer fantastischen Welt. In ihr leben als menschengleiche Gestalten die Elfen. Die Sirenen sind ihr Todfeinde, körperlose Wesen, die in stillen Wassern hausen. Genre: Fantasy


Kander ist die mythische Schmiedin, die das erste sagenhafte Langschwert schmiedete. Die Erzählung darüber ist unvollendet.

Dihanech ist ein sagenhafter Gelehrter der Elfen.

Hellgoron ist ein Gebirge, von den Elfen errichtet, als Sperrwall gegen die gefangen gesetzten Sirenen.

Milrur. Milrure sind riesige Greifvogelart, von den Elfen erschaffen und in der Hellgoron ausgesetzt um die Sirenen an der Flucht zu

hindern.

Menschen, Blimps und Wenden; in diese drei Völker teilten sich die Elfen noch vor dem Einsturz der Welt.


Über den unbekannten Teil des Ach-Horenn

Seit dem Werden der Welt herrschten die Sirenen über die Wasser und die Elfen fürchteten sich sehr vor allem Nass, hatten sie es nicht in Fässern, Trögen, Wannen, Kannen oder Töpfen vor sich. Doch dereinst zog ein großer Fluss seine Bahnen durch das Land, über den die Sirenen oder einer ihrer bösen

Verbündeten keine Macht hatten, ja, den sie selbst noch mehr fürchteten, als sie von den Elfen gefürchtet wurden. Denn lange war er der Vater von allem was wächst und in seinem Rhythmus erkannten die Weisen den Zyklus des Lebens. Langsam, abwartend und betrachtend war dieser Rhythmus und Veränderungen brauchten oft an die dreißig Jahre und später war allen eine Zeitspanne von achtundzwanzig, neunundzwanzig oder dreißig Jahren das, was sie einen Zyklus nannten. Und der Name dieses

großen Flusses war Ach-Horenn.

Niemand war je bis zur Quelle des Ach–Horenn gekommen, obwohl nicht Wenige versuchten, den Ursprung des großen Flusses zu ergründen. Keiner von ihnen kehrte je zurück. Das ließ manche glauben, dass das Quellgebiet in einem furchteinflößenden Landstrich liegen müsse und alle Forscher ihre lästerliche Neugier in den Tod geführt habe. Doch die meisten - beseelt von dem Leben, welches die Wasser im weiteren Verlauf des Ach-Horenn spendeten - waren der Ansicht, dass dort, wo der große Fluss aus der Erde trat, ein Paradies seine müsse, mit dem süßesten Wasser, einem stets gedeckten Tisch und umgeben von dem ursprünglichen Frieden der Welt, der schon lange verlorengegangen war. Doch hatte nie ein Auge der Elfen die Quelle gesehen. Und so wusste keiner, ob der Ach-Horenn in einem Gebirge entsprang oder einfach aus der Erde gluckerte, klein und wenig

bedeutend, aber doch schon so klar, frisch und lebendig, wie man ihn kannte und schätzte. Oder ob zwei oder drei kleinere Flüsse sich irgendwo vereinigten, ihre Kräfte sammelten und zusammenschlossen und auf diese Weise den schönen Fluss schufen. Die Legenden sprossen bis in die Tage, da der Letzte der Elfen, damals schon ein Mensch, das Land verließ und nach Westen zog.

Nur einen dunklen Ort gab es an dem Fluss und dies war just die Stelle, von der an man seinen Verlauf kannte. Am rechten Ufer erhob sich ein Hügel, der nur spärlich bewachsen war, mehr mit Moosen als mit Gras. Ohne Unterlass blies hier ein kalter Ostwind und zerrte solange an den Sträuchern, die hier zu wachsen versuchten, bis sie aufgaben und eingingen oder er sie mit den Wurzeln herausgerissen und fortgeweht hatte.

Ein einzelner Baum stand auf der Kuppe des Hügels. Er war alt, knorrig und verwachsen,

einer großen Kastanie nicht unähnlich, aber hässlich und bedrohlich. Seine Rinde schillerte goldgelb und von Weitem glaubte man, der Stamm sei mit Honig überzogen. Doch kam man näher, stieg einem ein übler Geruch in die Nase und wer so töricht war, die Hände auszustrecken, um nach dem Baum zu greifen, der bekam die stinkende Masse auch nach tagelangem Waschen nicht von den Händen. Die Blätter waren grün, jedoch so dunkel im Ton, dass sie, sobald die Sonne hinter einer Wolke verschwand, ganz schwarz schienen und in der Nacht sah man sie gar nicht. Dass der Baum überhaupt Blätter hatte, erkannte man dann nur an dem bedrohlichen Rascheln, wenn der Wind durch die krummen Äste fuhr, an dem dunklen Blattwerk zerrte, jedoch bald aufgab und sich jaulend davonmachte.

Doch ließ der Wind einmal nach und nur ein laues Lüftchen wehte, dann, so wird erzählt, konnte man, wenn man ganz still unter dem

Baum stand, ein leises Flüstern vernehmen. Und wenn man sehr viel Glück hatte, konnte man aus diesem Flüstern die Namen derer heraushören, die in den nächsten drei Monaten sterben würden. Zu jener Zeit war die Lebensspanne eines jeden Elfen jedoch noch so groß, dass noch kein einziger eines natürlichen Todes gestorben war. Nur gewaltsam oder durch einen schrecklichen Unfall konnte also das Leben in jenen Tagen beendet werden.

Und wenn man ganz viel Pech hatte, flüsterte der schreckliche Baum einem den eigenen Namen zu.

Dieser Hügel war die eine Grenze dessen, was man den wilden Oberlauf des Ach-Horenn nannte. Zwar war dieser Teil den Elfen ganz gut bekannt, doch leben wollten hier nur wenige. In weiten Bögen mäanderte der Fluss durch das Land und in keinem Jahr war er an der gleichen Stelle zu finden. Ungezügelt waren die Wasser des wilden Oberlaufs und oft trat der Fluss über

die Ufer, überschwemmte das Land und an manchen Stellen drang er bis an den Fuße der Spagoron vor, jenes Gebirge, von dem Kander, als sie auf dessen höchsten Berg Separ stand und nach Osten blickte glaubte, es grenze an ein Meer, dabei war das, was sie sah, der Ach-Horenn, der über die Ufer getreten war, um ihr der rechten Weg zu weisen. Denn es war wahr, was die Elfen sich erzählten, nämlich dass dieser Fluss seinen eigenen Willen hatte.

Viele versuchten ihn zu ergründen und einige hörten ihr ganzes Leben lang seinem Rauschen, Plätschern und Fließen zu, doch verstehen konnten sie sein Wesen nicht, weil die Wasser selbst entscheiden, mit wem sie sprechen und mit wem nicht. Und der Ach-Horenn liebte es zu schweigen und seinerseits die Elfen zu beobachten, auch wenn ihm nicht alles gefiel, was er sah.

Wenn sich nun das Wasser, nachdem es das Land überschwemmt hatte, wieder zurückzog,

blieb keine Wüstenei zurück. Stattdessen blühte dort das Leben. Unzählige Blumen, Gräser und Farne sprossen aus der Erde und wuchsen schnell und schön, denn sie wussten, dass spätestens in einem Jahr das Wasser zurückkehren würde. Die Namen jener Pflanzen hingegen sind vergessen. Schon in jenen Tagen hätten nur wenige sie benennen können, auch weil so viele unter ihnen waren, die man sonst nirgends sah. Sie waren zwar groß oder klein, zahlreich oder nur wenige, doch ihre Farben waren so prächtig, wie sie nie mehr irgendwo in der Welt sein sollten und es gab sogar solche, die nächtens strahlten. Die Gräser und Farne waren wie überall in der Welt grün, doch verbreiteten sie einen betörenden Duft, der jeden innehalten ließ, denn er war süß und sauer, salzig wie eine warme Seebrise, kräftig wie frisch geerntetes Gemüse und würzig wie gut abgehangenes Fleisch. Und ohne auch nur einen Happen zu essen, wurde man durch diesen

Wohlgeruch satt und verspürte tagelang keinen Hunger.

Auf den Moosen, welche den Boden bedeckten, versank ein Wanderer bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln und sie waren weicher als der vortrefflichste Teppich, der je von Meisterhänden geknüpft worden war. Dabei fühlte man sich ganz leicht und glaubte, tagelang gehen zu können, ohne auszuruhen zu müssen und dem war auch so. Allerdings konnte es passieren, dass empfindlichen Seelen bei einem solchen Spaziergang die Luft wegblieb, weil diese herrlichen Moose einem die Fußsohlen kitzelten und wer nicht anders konnte, der musste lachen, bis ihm die Tränen kamen oder er sich den Bauch halten musste oder beides. Dann blieb einem nichts anderes übrig als stehen zu bleiben und nach Luft zu schnappen. Dann kam man zwar nicht mehr vorwärts, doch in einem solchen Fall wussten die meisten sowieso nicht, ob sie tief Luft holen

oder weitergehen sollten, denn ganz gleich was man tat, jeder befürchtete, eines von beiden zu vernachlässigen.

Das Ende des wilden Oberlauf bildete ein großes Moor, in dem der Ach-Horenn sich zu verlieren schien und tatsächlich hätten dort nur wenige den Fluss wiedergefunden und wenn nur aus dem Grund, dass sich selten jemand dorthin wagte. Doch alle Furcht war unbegründet, denn kein Tier, das sich in jenes Moor begab, verschwand darin für immer, es sei denn es wollte es so. Jedem der sich dort verirrte, half der Fluss wieder hinaus und dies tat er nicht aus Langeweile, sondern wegen der Freundlichkeit die ihm zu eigen und hier am stärksten war. Denn das Moor barg Gefahren. Es gab modrige Tümpel, die so tief wie die Welt alt waren. Überall wollte es übel nach Verderben riechen, doch wo er konnte, wehte der Ach-Horenn diesen Gestank mit einem Schwall frischen Wassers davon. Deshalb gab es

in diesem Moor immer eine starke Strömung, was jedoch kaum jemand bemerkte, weil die in viele Richtungen gleichzeitig wirkte. Und da er viel Wasser hatte und aufmerksam war, hatte der Fluss ein waches Auge auf alle Lebewesen, die in dem Moor umherirrten und er führte sie immer auf sicheren Pfaden dorthin, wo sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Die Tiere waren dann froh und eilten davon, ohne noch einmal zurückzuschauen, doch die Elfen, die nicht verstanden, was gerade geschehen war, drohten dem Moor und schüttelten die Faust, verfluchten den verderblichen Gestank und die Verwünschungen mancher trafen dann auch den Fluss, der sie gerade gerettet hatte. Wer jedoch begriff, was mit ihm geschehen war, der blieb stehen, übersah das üble Moor und dankte dem Ach-Horenn und hielt seinen Namen in Ehren.

Lange Zeit glaubten die Elfen, der Fluss ende in diesem stinkenden, elenden Moor. Denn es

grenzte direkt an einen Wald, der so groß war, dass ein Wanderer ein ganzes Jahr benötigt hätte, ihn zu umrunden. Dieser Wald, denn man später Wald der Fälle nannte, war so dicht und dunkel, dass viele ihn für undurchdringlich hielten. Es mangelte nicht an Versuchen, ihn zu durchqueren, jedoch alle, die ihn betraten, kamen schon nach kurzer Zeit hervor, ängstlich und verstört und wagten es danach oft nie mehr, auch nur einen Fuß in irgendeinen Wald zu setzen. Schaurige Geschichten erzählte man sich an dunklen Abenden von diesem Wald, wenn man zusammen am Lagerfeuer saß und die Angst vertreiben oder sie herbeirufen wollte.

Die Blätter seien so dicht beieinander, dass die Sonne ausgesperrt blieb und man in Finsternis durch den Wald wandern müsse. Seltsame Geräusche würden einen begleiten, die nichts Gutes verhießen. Dabei sei es warm und stickig und das Atmen falle einem schwer. Die Äste hingen tief herab und wer nicht aufpasse,

den würden sie ergreifen und würgen, ihm die Beine wegreißen oder noch sehr viel Schlimmeres mit ihm anstellen. Dabei wäre ihre Rinde rau und würde die Haut der unglücklichen Opfer blutig scheuern, so dass man von dem Gestank von Blut und Angst umgeben sei. Wer sich von all dem nicht abschrecken ließe, der käme schließlich zur einzigen Lichtung des ganzen Waldes, auf der ein einzelner, riesiger, hässlicher und sehr alter Baum stände. Hoch sei er und statt einer Krone würde er einen verfallenen Palast tragen, in dem die entsetzliche Königin des Waldes hauste. Alt sei sie und eben so hässlich wie der Baum, mager mit faltiger Haut, spindeldürren Händen, großen Glubschaugen, die, wie es schien, ihr jeden Moment aus dem Kopf springen würden und mit diesen Augen würde sie die armen Verfluchten fixieren, bis sie sich nicht mehr regen könnten. Auf ihren Befehl hin würden die längsten Äste die Opfer dann ergreifen und in

den Palast heben, wo sie bei lebendigem Leibe so lange in einem riesigen Suppenkessel gekocht würden, bis sie ganz aufgelöst wären.

Nichts davon war Wahrheit, doch es dauerte sehr lange, bis man mehr wusste. Joaho war der erste Elf, der sich von all dem nicht schrecken ließ, denn es verlangte ihm nach Wissen und nicht nach Geschichten. Als Erster durchquerte er den Wald, tat es danach immer wieder und es gab auch nach ihm niemanden, der den Wald der Fälle besser kannte. Tatsächlich war dieser am Rand sehr dicht, doch es gab viele andere Wälder, bei denen es nicht anders war. Hatte man diesen äußeren Ring erst einmal durchdrungen - was allerdings fünf Tage dauerte - war der Wald sogar recht licht, die Sonne durchflutete ihn mit seinen Strahlen und wärmte dem Wanderer Gesicht und Gemüt. Joaho fand keine Pflanzen, die er nicht schon kannte und die Bäume waren, wenn sie denn etwas anderes taten als nur dazustehen, äußerst

freundlich. An jedem Morgen seiner Expeditionen wurde er durch fröhliches Vogelgezwitscher geweckt. Dann richtete er sich auf und atmete tief durch, denn auch diese Luft war sehr nahrhaft, wenn auch nicht durch sich selbst, sondern weil sie einen leckeren Hunger förderte und Joaho so jeden Morgen mit einem kräftigen Frühstück begann. Schließlich hörte er nach vielen Tagen ein leises Flüstern, das, je näher er ihm kam, zunächst zu einem Zischen, dann zu einem Rauschen und schließlich zu einem wilden Brausen wurde und so erreichte er das steinige Ufer eines Flusses. Er brauchte einige Tage um zu erkennen, dass er den Ach-Horenn vor sich hatte, der, wenn er das Moor verließ, wieder zu einem mächtigen Strom wurde Schnell war er hier, denn er floss wild schäumend durch ein schmales und tiefes Felsbett und riss alles mit sich mit. Zumindest glaubte Joaho dies zu Anfang, weil er da noch nicht dessen wahres Wesen kannte. Denn versuchte

jemand den Fluss dort zu durchschwimmen, dann verlangsamte der Ach-Horenn seine Wasser, bis jener, egal ob Elf oder Tier, sicher das andere Ufer erreicht hatte. Zunächst kostete Joaho das Wasser und da kam ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass er den Ach-Horenn vor sich hatte, denn es schmeckte so kalt und köstlich, wie er es kannte, denn er stammte aus Röppen, einer der ältesten Städte am Fluss in der, wie es erzählt wird, auch Dihanech* geboren wurde und seine Jugend verbracht hat, bevor er hinaus in die Welt zog um alles zu lernen.

Eine lang Zeit blieb Joaho am Ufer des Flusses sitzen und beobachtete, wie er floss. Dabei sah er viele Fische und keine Art war ihm unbekannt. Nur waren nicht wenige sehr viel größer, als er sie kannte und sie tummelten sich im Wasser, als sei es ihnen einen große Freude. Da lächelte Joaho, stand auf und ging weiter, nicht weil er glaubte nun alles über Fische zu

wissen, sondern weil er verstanden hatte, dass ein Elfenleben nicht ausreichte um alles über sie zu lernen. Er ging am steinigen Ufer entlang, denn der Fluss interessierte ihn nun mehr als der Wald. Immer wieder blieb er stehen und lauschte seinem Rauschen, welches sich ohne Unterlass veränderte, aber nie unfreundlich wurde. Außerdem schien das frische Wasser alles zu beleben, was um den Fluss herum war und überrascht stellte Joaho fest, dass er an einem Tag eine sehr viel größerer Strecke zu Fuß zurücklegte, als ein Reiter in einer flachen Ebene. Bei Sonnenuntergang hüllte er sich in seine Decke und wenn die aufgehende Sonne ihn am nächsten Morgen weckte, war er ausgeruht und munter und das, obwohl es Sommer war und er nicht mehr als vier Stunden geschlafen haben konnte. So ist es nicht verwunderlich, dass Joaho der erste war, der begann die Freundlichkeit des Ach-Horenn zu begreifen und erahnte, welch ein Segen er für alle Elfen

war. Darum fürchtete er auch nicht, nur eine einzige Sirene anzutreffen.

Diese Gedanken wurden jedoch eines Morgens - Joaho war noch nicht lange unterwegs - unterbrochen von einem mächtigen Rauschen und Brausen, das, immer wenn er einen Fuß vor den andern setzte, gewaltiger und tosender wurde und schließlich derart anschwoll, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand und hätte man aus Leibeskräften geschrien. Dann wichen die Bäume und Joaho konnte weit ins Land blicken. Vorsichtig und langsam schritt er nun voran, bis er eine Felskante erreicht hatte.

Zu seiner Linken stürzte der Ach-Horenn in die Tiefen, wild und ungezügelt und es war der größte Wasserfall, den die Welt je sehen sollte. Unzählige Male kehrte Joaho später noch zurück und maß dabei eine Höhe von über tausend Schritten aus. Dabei stürzte sich das Wasser in mehrere Stufen in die Tiefe. Die Erste - an die dreihundert Schritte tief - war die

größte. Rauschend und spritzend fiel das Wasser herab und kleine Wassertröpfchen, die ihren eigenen Weg suchten, glänzten in der Sonne wie kostbare Edelsteine und wenn das Licht sich in ihnen brach, leuchteten sie in blau, rot, grün und anderen Farben, so dass es schien, ein bunter Nebel hülle alles ein. Dann sammelte sich das Wasser in einem ersten Becken und es kochte und brodelte gewaltig, denn dieses Becken war mehr breit als lang und mit Macht schoss der Fluss aus diesem hinaus und stürzte sich weiter in die Tiefe. Unregelmäßig und rau war der Wasservorhang und nur an dieser Stelle schien der Ach-Horenn bedrohlich und tatsächlich beschütze er auf diese Art die Höhlen von Gohrmarron, von denen an dieser Stelle aber nicht erzählt werden soll, obwohl Joaho die besondere Kraft dieses Teils der Fälle schon beim ersten Mal ins Auge stach.

Das nächste Becken, in welches das Wasser

stürzte, war größer als das erste und besonders tief, so dass der Fluss sich sammeln und beruhigen konnte. So floss er langsam über die nächste Kante und fiel gleichmäßig und glatt herab, so dass man glauben konnte, einen schönen blauen Vorhang zu erblicken. Auch rauschten die Wasser hier nicht so sehr, klangen dafür aber beruhigend und wer bei den Fällen übernachtete, tat dies zumeist hier und für einen erholsamen Schlaf war gesorgt. Das nächste Becken war fast so groß wie das darüber, jedoch ähnelte es einem länglichen Teich und an dessen Ende ragte eine gewaltige Felsnase empor, die es in zwei Teile spaltete. So stürzte der Fluss hier in zwei Fällen in die Tiefe, die sich, so schien es, ein Wettrennen lieferten und darum rauschte das Wasser hier besonders laut, so als riefen die beiden Fälle sich gegenseitig aufmunternde Schmähungen zu. Wer der Gewinner war, konnte man nicht sagen, denn schließlich klatschten sie beide in das

letzte flache Becken. Dabei spritze viel Wasser umher und ein wilder Nebel wie bei einem Sprühregen hing in der Luft, ungezügelt und alles in der Nähe des Beckens benetzend, weshalb man hier auch die meisten und größten Pflanzen an den Fällen fand.

Wild und ungezügelt in vielen unzähligen kleinen Fällen stürzte der Ach-Horenn nun das letzte Stück nach unten, aber alles Wasser sammelte sich in einem großen See, der bei den Fällen wild und aufgewühlt war, aber sonst friedlich und glatt dalag, wie ein polierter Spiegel. Joaho gab ihm einen Namen, doch dieser geriet bald in Vergessenheit, weshalb er hier auch nicht genannt werden kann und später nannte man ihn den Spiegelsee, meist jedoch einfach den Spiegel. Mit solcher Bewunderung stand Joaho jedoch vor den Wasserfällen, dass er ihnen keinen Namen gab, denn jeder schien ihm zu klein, um sie zu beschreiben. Erst später pflegte man sie die Joahofälle zu nennen

und darum nannte man den sie umgebenden Wald den Wald der Fälle.

Weil Joaho jedoch die Fälle immer zu seiner Linken zum Spiegelsee hinabgeklettert war und auch bei seinen späteren Reisen dies anfangs immer tat, blieb ihm eines lange verborgen. Denn auf der rechten Seite der Wasserfälle besaß der Ach-Horenn einen steilen, aber nicht zu schnell fließenden Bach, den er in das Gestein getrieben hatte und über diesen, der sich in unzähligen engen Schlingen seinen Weg zum Spiegel hinabsuchte, fanden die Fische in den See und mussten nicht den gefährlichen Weg über die Wasserfälle nehmen, obwohl spätere Reisende berichteten, dass manche dies aus reiner Freude taten. Ob man das glauben kann, sei jedem selbst überlassen.

So kam es, dass Joaho vor dem großen glatten See stand, und tiefer Frieden überkam ihn. Lange hatte er ein unstetes Leben geführt, nicht wissend wohin er gehört und was seine Aufgabe

ist. Darum glaubte er zunächst, für immer hier bleiben zu müssen und tatsächlich schlug er am Ufer des Sees ein Lager auf und baute sich eine einfache Holzhütte. Ein Jahr blieb er und in dieser Zeit lernte er ebenso viel über sich selbst wie über den Wald. Und darum verstand er schließlich, dass er weiterziehen musste, um den Fluss zu verstehen, allen zu berichten und so zu zeigen, dass er sein Leben nicht unnütz verstreichen ließ. So brach er denn eines Tages auf, auch wenn es ihm schwer fiel, denn sein Herz und sein Verstand liebten den See und darum zog es ihn später auch immer wieder dorthin zurück.

Über drei Ausflüsse verließ der Ach-Horenn den See und später nannte man diese zuweilen Galva, Tulva und Rana, doch bekannter waren sie unter den Namen großer Zufluss, kleiner Zufluss und Zufluss. Alle drei waren kaum zehn Meilen lang und ähnelten sich sehr, außer an Breite und Geschwindigkeit und kaum etwas

ist über sie berichtet worden. Wohl waren sie wie der ganze Fluss freundlich und lebensspendend, denn Joaho nannte sie immer die drei kleinen Brüder, auch wenn das außer ihm niemand sonst tat. Wo sie sich wieder trafen, bildeten sie einen mächtigen Strom. Die Ufer im Wald der Fälle waren frei von Bäumen und es war, als treten diese ehrfurchtsvoll zurück, den Fluss achtend, aber auch liebend. Wie sehr sie ihn liebten, zeigte sich am Rande des Waldes, denn hier gruben die Bäume ihre Wurzeln bis in die Uferböschung, um ihn vor der Neugier der Elfen zu schützen. Zwei Meilen bevor der Ach-Horenn den Wald verließ, hatten die Bäume sich entschieden, sogar in seinem Bett zu wachsen und der Fluss ließ es geschehen. So erschien es den Elfen, dass die Bäume selbst den Fluss speisten, auch wenn sie wussten, dass es unmöglich war.

Ab der Stelle, an welcher der Ach-Horenn den Wald verließ, wussten die Elfen viel über den

Fluss, denn kannten sie schon immer ab dort seinen Verlauf und ursprünglich trug er erst von da an seinen Namen. Erst die Reisen des Joaho ließen sie seine ganze Länge erkennen. Drei Bücher schrieb Joaho. Es waren das Buch des Waldes, das Buch des Flusses und das Buch über die Tiere des Waldes und des Flusses. Als er das letzte vollendet hatte, überreichte er alle drei seinem Vetter Heorei, trug ihm die Reinschrift auf, umarmte ihn lange, nahm sein Bündel und verließ die Welt. Nie mehr ward er wiedergesehen, doch es wird erzählt, wenn man lange genug am Ufer des Spiegel sitzt, könne man sein zufriedenes Seufzen hören.

Über den bekannten Teil des Ach-Horenn

Der längste Abschnitt des Ach–Horenn war der, den die Elfen den fruchtbaren Unterlauf nannten und er soll hier in knappen Worten beschrieben werden, denn kein Bericht könnte den lebensspendenden Wasser gerecht werden, es sei denn, man hätte eine Lebensspanne um zu lesen, denn so zahlreich war das Gute, das der Fluss bewirkte und so viele Schicksale hat er glücklich gelenkt.

Er war nun breit und floss langsam und nicht einen Strudel soll er gehabt haben. Selbst ein kleines Boot drohte niemals zu kentern. Darum bauten die Elfen auch lange Zeit keine Übergänge über den Fluss, denn viel Zeit benötigt man, um Brücken, zumal solche aus Stein, zu bauen. Statt dessen gab es unzählige Fährleute an den Ufern des Flusses und sie transportierten alles über das Wasser. Es gab

ganz kleine Boote für nur einen Wanderer und große, auf denen ganze Herden von Tieren Platz fanden. Das war auch nötig, denn jene Elfen, welche an den Ufern des Ach–Horenn lebten, betrieben Viehzucht und Ackerbau. Ihre Arbeit war weit geringer als die der Bauern und Hirten nach dem Einsturz der Welt und trotzdem waren ihre Erträge am Ende des Jahres um vieles höher. Weite Teile aller Länder versorgten sie und berühmt war das Ach–Horennmehl, denn es gab viele Mühlen, welche die Kraft des Flusses nutzen. Buk man aus diesem Brot, so stillte es den Hunger für Tage.

Überschwemmungen gab es nicht, aber dennoch war das Land an die hundert Meilen zu beides Seiten des Flusses das Fruchtbarste jener Tage. Viele Elfen taten nicht mehr, als im Frühjahr zu säen und im Herbst zu ernten. Der Ach–Horenn kümmerte sich um das Wachsen und Gedeihen. So lohnte sich auch das Bestellen von kleinen Feldern und das war der

Grund, warum es so viele Dörfer gab, die zumeist gar nicht weit voneinander entfernt beim Fluss standen.

Das erste Städtchen war Röppen und es lag am Westufer des Ach–Horenn. Die meisten Häuser waren aus Holz, boten aber ausreichend Schutz gegen die Unbillen des Wetters, denn der Fluss vertrieb alle Gewitter und Stürme. Dies war die Heimat von Joaho gewesen und hier lebte auch sein Vetter Heorei, der in späterer Zeit ein Opfer des Krieges der Elfen gegen die Sirenen wurde. Röppen war ein altes Städtchen und es wird erzählt, dass Dihanech von dort stammte. Tatsächlich lebten viele kluge Männer und Frauen in Röppen, aber ob das ein Zeichen dafür war, dass Dihanech hier geboren war, oder ob es diesen dorthin zog, eben weil man sich das erzählte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Es gab eine berühmte Büchersammlungsstätte in Röppen, doch wie reichhaltig ihr Wissen war, vermag heute

niemand mehr zu sagen, denn sie verbrannte mit allen Werken im Kriege, am selben Tag, an dem Heorei fiel.

Zwei Tagesreisen flussabwärts lag die größte Stadt am Ach–Horenn. Badur hieß sie und war die schönste Stadt der Welt. Als der Krieg gegen die Sirenen tobte, baute man sie zur größten und mächtigsten Festung der Elfen aus und nannte sie dann Baronn. Doch über den Krieg soll hier nicht berichtete und sie darum Badur genannt werden. Alle Häuser waren aus Stein und sie waren groß und schön. Nicht selten war weißer Marmor für den Bau verwendet worden und geschickte Bildhauer waren ständig irgendwo in der Stadt bei der Arbeit und schufen reiche Verzierungen, Büsten und Skulpturen von Tieren, Inschriften oder einfach nur schöne runde Bögen. Diese spannten sich über die schmalen Gassen und Straßen zwischen den eng beieinander stehenden Häusern. Die meisten waren vier

Stockwerke hoch und eben weil eines dicht bei dem andern war, konnte man, über die flachen Dächer gehend, viel der herrlichen Stadt erkunden. Es gab sogar einen Dachmarkt, der zwar nicht der größte Badurs, aber doch ein ganz besondere war. Hier wurden Dinge feilgeboten, die anderswo nur schwer zu bekommen waren. So wurden hier zum ersten Mal die drei Bücher des Joaho gezeigt und immer gab es einen Stand, an dem ein Exemplar von Dihanechs Werk auslag. Wer wollte, konnte es erwerben, doch war auch jeder willkommen, der einfach nur im Buch der Welten stöbern wollte. Es galt allerdings als unhöflich, danach nicht über das Gelesen mit anderen zu streiten. Denn auch in jenen Zeiten, als Dihanech noch unter den Elfen umherging, gab es so manchen Disput über seine niedergeschriebenen Worte.

Viele Wanderstäbe wurden angeboten, denn die Elfen zogen gerne durch die Welt. Jedoch auch für das, was heute Zauberei genannt wird, waren

sie notwendig und es heißt, für die Errichtung der Hellgoron und die Erschaffung der Milrure benötigten die Elfen so viele Stäbe, dass ganze Wälder abholzt werden mussten. Dabei war das Geheimnis dieser Taten nicht die Zauberei oder die Wanderstäbe, sondern die gemeinsame Arbeit für ein gutes Ziel, was Menschen, Blimps und Wenden später vergaßen.

Nie wurde jedoch finsteres Machwerk auf irgendeinem Markt in Badur angeboten, denn es war die hellste und schönste Stadt der Elfen. Sie lag an beiden Ufern des Ach–Horenn und um diese beiden Hälften zu verbinden, erbaute man ein große Brücke aus Stein. Elf Bögen wurden über den Fluss geschlagen und jeder war fünfzig Schritte breit. Dort wo zwei Bögen sich trafen, waren Statuen aufgestellt worden, zehn an jeder Seite, die all das zeigten, was die Elfen liebten. Auf der einen Seite standen ein Fuchs, ein Dachs, ein Rabe, ein Hirsch, ein Hase, ein Pferd, ein Eichhörnchen, ein Stier, ein Schaf und

ein Wolf. Die Statuen auf der anderen Seite waren ein Raubvogel (der sehr an die kommenden Milrure erinnerte), ein Langschwertkämpfer, ein Bogenschütze, ein Lesender, ein Koch, ein Wanderer, ein schwer Gewandeter mit Kapuze und ohne Gesicht, ein Schmied, ein gebücktes Männchen mit einem schelmischen Grinsen und die Sonne. Gebaut war all dies aus hellem Stein der, sorgsam poliert, im Sonnenlicht strahlte ohne das Auge zu blenden. Darum schlug das Herz aller Elfen höher, wenn sie über diese Brücke gingen und die Statuen ließen sie nachdenklich werden. Der Ach–Horenn floss friedlich unter der Brücke dahin, doch er erfreute sich nicht an der schönen Stadt, sondern an dem friedlichen Gemüt der Elfen, die in ihr lebten. Und auch wenn Badur schon zu jener Zeit von einer Mauer umgeben war, so hatte man sie nicht errichtet, um Feinde abzuwehren, sondern weil die Elfen meinten, zu einer Stadt aus Stein

gehöre eine Mauer aus Stein. Warum das so war, vermochten sie aber nicht zu sagen. So war diese Mauer zwar hoch, aber nicht besonders breit und diente nicht der Verteidigung. Die Innenseite dieser Mauer bemalten Künstler mit Bildern und wenn der Regen diese abwusch, waren andere Maler an der Reihe und neue Bilder entstanden.

Mehr soll über Badur hier nicht erzählt werden, denn ein ganzes Buch würde nicht ausreichen, die Schönheit der Stadt zu beschreiben. Und auch wenn die Elfen sie später, als sie gegen die Sirenen ziehen mussten, zu einer mächtigen Festung ausbauten, ging von ihr, obwohl nun trutzig und mit unzähligen Türmen versehen, immer noch eine einzigartige Anmut aus, für die im Kriege aber niemand Platz in seinem Denken fand.

Etwas weiter flussabwärts gab es einen Ort der Werken hieß. Das war jedoch weniger ein Name, als vielmehr eine Beschreibung dessen,

was dort geschah. Viele Wassermühlen standen am und auch im Fluss und der Ach–Horenn erleichterte auf diese Weise so manchem Müller sein Handwerk. Aber auch viele andere Handwerke, bei denen große Kraft von Nöten war, hatten hier ihren Platz, ganz gleich ob die Meister sich dem Eisen, dem Holz oder dem Glas zugewandt hatten. Und noch zahlreicher als die Meister waren die Lehrlinge und Gesellen in Werken, weshalb es immer eine junge Stadt war, in der viele Erfindungen gemacht und noch mehr Fragen gestellt wurden.

Von hier an ähnelte der Ach–Horenn weiter sehr dem fruchtbaren Unterlauf, nur dass es unterhalb von Werken mehr Städtchen und sogar einige Städte gab, auch wenn keine sich mit Badur messen konnten und gab es einmal eine Brücke über den Fluss, war diese aus Holz. Viehzucht und Ackerbau waren auch hier sehr ergiebig und so wurde dieser Teil des Flusses Stadt und Land genannt, oft jedoch weiterhin

fruchtbarere Unterlauf. Wochenlang war ein Reisender unterwegs und der Fluss änderte seinen Charakter nicht. Freundlich, breit und lebensspendend war er und die Elfen verehrten ihn wie einen nahen Verwandten und wer fortging und erst nach Jahren wiederkehrte, begrüßte den Ach–Heron wie einen lange verlorengegangen Freund. Auch später, als die Elfen im Kriege gegen die Sirenen und ihre Verbündeten kämpften, vergaßen sie nie die sanften Wasser des Flusses und sie schickten ihre Verwundeten an seine Ufer, in der berechtigten Hoffnung, der Fluss möge deren Leiden mindern.

Doch schließlich änderte sich das Erscheinungsbild des Ach–Horenn. Nach zwei großen Schleifen - fast so als wolle er sich von dem fruchtbaren Land nicht trennen - wurde der große, breite und langsam dahinfließende Fluss schmal und floss nun sehr schnell. Mit aller Macht grub er sich tief in das Gestein der Welt

und an seinen Ufer türmte sich der Fels zu einem mächtigen Gebirge auf. Diesen Teil nannten die Elfen den steinigen Weg, denn der Ach–Horenn rauschte hier mäandernd durch eine enge Klamm.

An beiden Ufern gab es nur schmale Wege und steil aufragende Felsen. Nur selten war Platz für ein Ort und jene waren zumeist klein und nur besonders zähe Elfen ließen sich dort nieder. Sie lebten als Flößer, was nicht ungefährlich war, denn der Fluss war wild und schäumend und nicht selten zerschellte ein Floss an scharfem Gestein. Doch auch hier hatte sich der Ach–Horenn seine Freundlichkeit bewahrt, denn selbst wenn alle Waren dann verloren waren, niemals kam auch nur ein einziger Elf zu Schaden.

Als Bauern oder Hirten hätten die Elfen ein ruhigeres Leben gehabt, doch wer hier lebte, tat dies zumeist, um sich selbst oder den Fluss oder beides zu besiegen. Es war schwierig, dem

Verlauf des Flusses zu folgen, doch wer es wagte, vergaß es sein Leben lang nicht mehr, denn nirgendwo sonst in der Welt gab es soviel Kraft, Schönheit, Trotz und wilden Eigensinn zu bewundern. Nicht selten spritze das Wasser bis auf die schmalen Wege, als wolle der Ach–Horenn jeden herausfordern, um dann doch lachend davonzurauschen, denn mit seiner Kraft konnte sich niemand messen und alle Sirenen der Welt hätten ihn nicht besiegen können. In der Nacht klangen die Wasser bedrohlich, denn ihr Brausen echote durch die schmale Schlucht. Wer sich jedoch die Zeit nahm und genau hinhörte, der vernahm nicht anders als das übermütiges Gelächter eines heiteren Gesellen der froh war, zumindest für den dunklen Teil des Tages unbeobachtet seines Weges zu fließen. Die Flößer taten oft so, als verstünden sie all das, doch das stimmte nicht und vielleicht begriff es nur Dihanech.

An den Ufern des steinigen Weges erzählte man

sich viele Märchen und Geschichten und wenn sie auch nicht wahr waren, so änderte das doch nichts daran, dass die Elfen sie, besonders des Nächtens an einem Lagerfeuer, gerne weitersponnen. Die bekanntesten Drei sollen hier in gebotener Kürze erzählt werden. Dereinst lebten Maleos und seine Frau Sasena bei dem großen Fluss. Beide stammten vom fruchtbaren Unterlauf, doch dort waren ihnen die Geschehnisse des Lebens zu wiederkehrend und vohersehbar. Darum verliebten sie sich und schließlich beschlossen sie zusammen fortzugehen. Doch liebten beide den Ach–Horenn genauso wie einander und wollten sich nicht von ihm trennen. So zogen sie in das steinige Tal und erfreuten sich lange an seinem Rauschen und seiner Wildheit. Unter großen Mühen errichteten sie die erste Mühle aus Stein in der Klamm und sie sah aus wie eine Festung, musste sie doch der Kraft des Flusses trotzen.

Nur das Wasserrad war aus Holz gemacht und darum zerschlugen die Wellen es immer wieder und immer wieder mussten sie es ausbessern und nicht selten auch ein ganz Neues bauen. Doch das machte ihnen nichts aus, denn deshalb waren sie hierhin gekommen.

Ihr Erstgeborener war Kelos und als dieser heranwuchs, sprach Maleos: "Sechzehn Jahre ist unser Sohn und er kennt nur einen wilden Fluss. Ich wünsche mir, dass er ihn, wenn er älter wird, genauso liebt wie wir. Doch wenn es an der Zeit ist, soll es seine Entscheidung sein und um zu entscheiden, muss er die ganze Welt kennen. Darum sollten wir losziehen und ihm alle Wunder dieser Welt zeigen."

Sasena erwiderte: "Auch ich glaube, dass unser Sohn die Welt kennen muss. Doch was ist mit unsere Mühle? Wir können sie nicht einfach zusperren, denn viele verlassen sich auf ihre Arbeit. Darum gehe du mit Kelos und zeige ihm alles, was er wissen will und muss. Ich hingegen

bleibe hier und mach unsere Arbeit."

So reichten sie sich die Hände zum Abschied und Maleos zog mit Kelos flussaufwärts. Lange hörte Sasena nichts von ihnen, doch das verwunderte sie nicht, kannte sie doch die Welt und manchmal glaubte sie, dass der Ach–Horenn ihr von dem Staunen ihres Sohnes erzählte. Ein Jahr verging und sie arbeitete hart alleine in der Mühle. Das sie von Sohn und Mann immer noch nichts hörte verwunderte sie immer noch nicht weiter. Doch auch das zweite Jahr verging ohne eine Nachricht von ihren Liebsten. Das dritte Jahr war schon fast vorüber, da übernachtete ein alter Wanderer bei Sasena, den ein Unwetter überrascht hatte. Er dankte ihr die Freundlichkeit mit vielen Geschichte, denn er war ein fahrender Spielmann. Er erzählte von schimpfenden Bäumen, wilden Tieren und Steinen, die jeden erschlugen, der ihnen nicht gefiel. Doch es waren nicht diese Schauergeschichten, die sie

erschreckten, sondern jene von dem Jüngling, der sich in einer Stadt am Fluss so innig verliebte, dass er dort für den Rest seines Lebens bleiben wollte und seinen Vater bat, ihm ein Haus zu bauen und mit ihm dort zu bleiben. Als Sasena diese Geschichte zu Ende gehört hatte, wusste sie, das Maleos und Kelos nie mehr zu ihr zurückkehren würden, denn der Vater hatte dem Sohn nie einen Wunsch ausschlagen können.

Unglücklich lief sie aus der Mühle und kletterte auf einen hohen Felsen über dem Fluss. Dort ließ sie sich nieder und ihr Weinen hallte durch das Tal. Ihre Tränen fielen in den Fluss und dieser trug ihre traurige Geschichte weiter. So lange saß Sasena dort und regte sich nicht, bis sie selbst zu Stein wurde. Dort sitzt sie heute noch, doch nur selten kann man sie sehen, denn eine Wolke von Traurigkeit hüllt den Felsen zumeist ein und bis heute fallen ihre Tränen noch wie Regen in den Fluss.


In der engen Klamm lebten die Elfen zumeist nur auf einer Seite des Flusses und überquerten ihn nur selten. Darum gab es auch keine Brücken und nur wenige Fährleute. Einer von ihnen war Bathmann und alle achteten in wegen seinem großen Mut, denn es war nicht ungefährlich, den Fluss zu überqueren. So kam es von Zeit zu Zeit vor, dass selbst Bathmanns Floss mit allem und allen kenterte. Doch immer konnten die Lebenden sich retten und nicht selten war es Bathmann, der sie aus dem tosenden Floss zog. Die Waren hingegen waren stets verloren.

Mit den Jahren wurde Bathmann jedoch unfreundlich, raubeinig und reich. Nicht selten fing er grundlos eine Schlägerei an und wenn er eine Schänke betrat, rückten alle eng zusammen, damit für ihn kein Platz mehr an ihrer Runde war. Sein Reichtum hingegen wuchs und wuchs und irgendwann bracht er nur noch solche über

den Fluss, deren Nasen ihm gefielen und das waren nicht sehr viele. Dann kenterte wieder einmal ein Floss und durch einen Zufall standen viele Elfen am Ufer. Einer der Verunglückten wurde abgetrieben und drohte zu versinken. Doch plötzlich zappelte er im Wasser, wie ein Fisch an der Angel. Und tatsächlich entdeckten die herbeigeeilten Elfen, als sie den Ertrinkenden retteten ein grobmaschiges Netz im Fluss. Es dauerte nicht lange und sie begriffen, dass Bathmann dies gespannt hatte. Denn wenn es ihm lohnend erschien, ließ er sein Floss kentern und holte sich in der Nacht die Dinge, von denen alle dachten, dass der Fluss sie davongetragen hätte. Das war die Quelle seines Reichtums. Da ergriff sie großer Zorn und in ihrem Rasen warfen sie Bathmann in den Fluss. Ein einziges Mal rettet der Fluss eine in ihm Treibenden nicht und Bathmann ertrank.

Doch waren die Elfen es gewohnt, den Fluss an dieser Stelle zu überqueren, also begannen sie

den Bau einer Brücke aus Stein. Als diese vollendet war, feierte man ein großes Fest, das bis in die Nacht andauerte. Kurz nach Mitternacht hörten alle Gäste unvermittelt Hammerschläge und ein böses Lachen. Sie eilten aus der Schenke und was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. Bathmanns Geist stand auf der Brücke und schwang einen großen Hammer mit dem er solange zuschlug, bis die Brücke zusammenbrach. Dabei lachte er wild und rief: "Niemand soll hier den Fluss überqueren, wenn ich es nicht will. Und ich will es nicht!" Aus Angst errichteten die Elfen keine neue Brücke und die Überreste der Rampen ließen sie an beiden Ufern stehen bis sie verwittert und aufeinanderzeigend von andern Felsen nicht mehr unterschieden werden konnten. Doch in dunklen Nächten erscheint ein Floss auf dem Ach–Horen. Wer es sieht, nimmt besser schnell Reißaus, denn sonst muss er - ob er will oder nicht - die Überfahrt machen. Und

auch wenn der Fährmann zunächst freundlich scheint, so wird sein Gesicht in der Mitte des Flusses doch zu einer abscheulichen Fratze und er lässt das Floss kentern und alle auf ihm müssen jämmerlich ersaufen.


Wild, mächtig und eigenwillig strömte der Ach–Horenn durch das enge Tal. Doch ebenso mächtig, aber gefährlicher erschienen den Elfen die scharfen Felsen der steilen Bergwände. Unter einer mächtigen Felsnase, kurz vor einer engen Windung des Flusses, lebte einst Rok allein in einem Hause. Er war ein geschickter Handwerker und schon bald als bester Bootsbauer in der Klamm bekannt. Er arbeitete nicht viel und selten waren es mehr als ein fünf Aufträge, die er in einem Jahr annahm. Doch waren es so meisterhafte Werke – es hieß keines von ihnen könne der Fluss zum kentern bringen –, dass er von dem Ertrag seiner Arbeit gut leben konnte und es dauerte nicht lange, bis es

hieß, er sei ein reicher Mann. Darum achteten ihn die meisten seiner Nachbarn, obwohl er klein von Statur war und in späteren Zeiten hätte man ihn ohne Zweifel für einen Blimp gehalten. Er war auch ein lustiger und geschwätziger Elf, wie es die Blimps gemeinhin sind und er ließ es sich nicht nehmen, wenn er in eine Schänke einkehrte, allen anderen Gästen eine Krug Wein zu spendieren. Die so Beschenkten tranken dann gerne auf Roks Wohl, worauf dessen Nasenspitze ganz rot wurde, aus Verlegenheit und wegen dem guten Wein.

So kam es das Rok viele Freunde, Kameraden und Bekannte hatte. Doch auf dem anderen Ufer, nur ein kleines Stückchen den Fluss hinauf lebte Peirowei, ein großer, kräftiger und - wie sich zeigen sollte - recht grimmiger Elf. Auch er versuchte sich im Bootsbau, doch was dabei herauskam, konnte selten schwimmen und schön war es nie. So verlegte sich Peirowei darauf, Flöße zu zimmern und davon lebte er

mehr schlecht als recht, denn niemand bestellte zweimal eines bei ihm. Darum hauste er in einer schäbigen Hütte, während er mit ansehen musste, wie Roks Haus jedes Jahr größer und prächtiger wurde. Mit den Jahren wuchs seine Verbitterung und niemand wollte mit ihm etwas zu tun haben, weil er sich ständig über sein hartes Schicksal beschwerte und noch nicht einmal, selbst wenn alles Sinne längst benebelt schienen, ein angenehmer Zechgenosse war. So saß er eines Nachts alleine in seiner Hütte, mit einer Flasche in der Hand und soff und soff, bis auch das Letzte bisschen seines mürrischen Geistes vom Weine hinfort gespült war. Als die Flasche dann leer war, warf er sie gegen eine Wand und sein Zorn war groß. Also bestieg er, trunken wie er war, eines seiner mühsam zusammengezimmerten Flösse und setzte über auf das andere Ufer. Er konnte gerade noch einen Fuß auf festen Boden setzten, als die Wasser des Flusses sein Floss zerschlugen und

die Überreste mit sich nahmen. Peirowei schwankte zu Roks Haus und mit einem einzigen Schlag seiner mächtigen Hand hob er die Tür aus den Angeln. Dann packte er sich den verängstigten Rok und sprach:

"Du bist schuld daran, dass es mir so schlecht und dir so gut geht. Du magst ein geschickter Bootsbauer sein, doch faul bist du und jeder sollte dich verachten, wie ich es tue. Aber nun wendet sich dein Glück. Von jetzt an wohne ich in diesem prächtigen Haus und dich jage ich auf die mächtige Felsnase darüber und von dort musst du zusehen, wie ich es mir gut gehen lasse."

Ohne zu zögern packte er Rok am Schlafittchen, zerrte ihn aus dem Haus und die steile Felswand empor, bis auf die steinige Nase, die bis über den Fluss reichte und eine tiefe Felsspalte von dem steilen Hang trennte. Da war Rok nun gefangen, konnte nichts tun außer ausharren, bei Sonne und Regen, denn er

konnte nicht über die Spalte springen und niemand wagte es ihm zu helfen, weil Peirowei jeden, der es auch nur versuchen wollte, prügelte bis er nicht mehr Laufen konnte. Er ließ es sich in Roks Haus gut gehen und es kümmerte ihn nicht, dass ihn alle fürchteten. Rok verging mit den Jahren. Er wurde kleiner und seine Kräfte schwanden. Doch nach drei Jahren, kurz bevor Gram ihn ganz verzehrt hatte, verlieh ihm sein Zorn noch ein Mal solche Kraft, dass er mit einem einzigen Sprung, die Felsnase, sein Gefängnis, zum Einsturz brachte. Krachend fiel sie auf das Haus und erschlug Peirowei, doch auch Rok überlebte den tiefen Sturz nicht. Alles, Steine und Haus und auch die beiden toten Elfen rutschten in den Ach–Horenn, der an diesem Tage besonders wild war und er trug alles zum Meer, nicht ohne den leblosen Körper Peiroweis gegen so manchen scharfen Felsen zu schleudern. Danach mieden die Elfen die Stelle,

wo die Felsnase abgebrochen war, denn es wird erzählt, dass hier öfters als irgendwoanders ein Steinschlag einen Elfen aus dem Leben gerissen hat. Nur die Weisesten unter ihnen begriffen, dass ehrliche und brave Elfen nichts zu befürchten hatten, denn es heißt, Roks Geist halte auf den Überresten der Felsnase Wacht und nur wenn ein von einem bösen Geist beseelter Elf auf dem Fluss oder an seinen Ufern erscheine, täte er einen mächtige Satz, um ihn so unter einem gewaltigen Steinschlag zu begraben.


Dies sind die drei berühmtesten Mythen des steinernen Weges. Doch waren es nicht die ersten und auch nicht die letzten. Doch verschwanden sie wie der ganze Fluss beim Einsturz der Welt.


Wer es wagte, den steinigen Weg zu befahren, was nur wenige taten, konnte den Eindruck

haben, dieses enge Tal würde niemals enden. Doch dann, nach unzähligen langen und gefährlichen Meilen, fielen die mächtigen Felsen plötzlich steil hinab und an beiden Ufern war flaches Land, fast so, als wollten die Berge den Fluss in die Freiheit entlassen. Dieser reckte und streckte sich und war nun nicht mehr schmal und reißend, sondern wieder breit und gemächlich floss er dahin.

Dieses Ende des steinigen Weges nannten die Elfen auch das Axttor, denn es war, als ob eine riesige Axt die Berge gespalten, fleißige Hände aber nur den einen Teil weggeräumt hätten. Sie wussten nicht, dass sie der Wahrheit damit sehr nahe kamen, denn zu Beginn der Welt, als die Elfen noch nichts ihrer schöpferischen Kraft eingebüßt hatten, waren einige von ihnen zusammengekommen um diese Berge zu errichten und sie hatten große Freude daran, Felsen aufzuschichten und scharfe Kanten ins Gestein zu hauen. Doch wollten sie noch viele

andere Dinge schaffen und glaubten nur wenig Zeit zu haben. So ergriffen an einem Tage alle ihre Hammer und Meißel und schlugen jenen steilen Abschluss in das Gestein. Trotz dieses jähen Endes waren sie mit ihrer Arbeit zufrieden und sie nannten das von ihnen errichtete Gebirge die Berge des Wassers. Da sie jedoch weiterzogen um andere Werke zu verrichten, geriet diese Name in Vergessenheit, auch wenn er im Buch der Welten von Dihanech niedergeschrieben stand.

Das Land, durch das der Ach-Horenn floss war nun wieder grün und fruchtbar, aber fast unbewohnt, denn sowohl der Weg durch das enge Klammtal, als auch jener um die Berge herum war zu beschwerlich. Dieses Land bot keine Verlockungen, außer für jene, welche die Abgeschiedenheit suchten, denn Besuch kam nie hierhin. Deshalb hieß dieser Teil des Flusses, wegen der ihn umgebenen Leere Ödland, was nicht rechtens war, denn wuchsen dort an seinen

Ufern die Feldfrüchte ebenso wie anderswo am Ach–Horenn. Doch kaum ein Elf wohnte hier oder blieb für eine längere Zeit. Stattdessen hatten sich viele seltene Pflanzen zusammengefunden, weil selten Pflug oder Schar den Boden umgrub. Und mit ihnen lebten Tiere, die sonst nirgends in der Welt ein zuhause hatten wie das Flusshörnchen, welches, einem Eichhörnchen nicht unähnlich, das Wasser nicht scheute und ein hervorragender Schwimmer war. Wenn die meisten dieser Tiere keinen Namen trugen, so lag das daran, dass nie ein Elfenauge sie geschaut hatte. Das Ödland war der kürzeste Abschnitt des Flusses und schon bald darauf erreichte der Ach-Horenn das Meer, nicht weit östlich von der Stelle, an der die Elfen später die Hellgoron errichteten, jenes mächtige Gebirge, hinter dessen hohen Bergen sie nach dem Kriege die Sirenen im Meer der Stille gefangen hielten.

Kurz vor dem Meer spaltete sich der Ach-Horenn in unzählige Arme und bildete so ein Delta, dass zu keiner Zeit erkundet wurde. Es war nicht mehr als eine Vermutung, das sich die Verläufe jener Flussarme sich ständig änderten, auch weil dort eine immerwährender Kampf ausgetragen wurde. Ohne Unterlass versuchten die Sirenen durch das Delta in den Ach – Horenn und damit in den fruchtbarsten Teil der Welt zu gelangen. Doch so lebensspendend und freundlich sein Gebaren flussaufwärts war, so tobend, mächtig und von Zorn gegen alle Feinde getrieben konnte der Fluss sein. Seine Wasser schwollen zu mächtigen Wellen an und wuschen die Sirenen zurück ins Meer, so oft sie es zu verlassen trachteten. Ganze Heere der Verbündeten der Sirenen zerschlug er und sein Tosen war schrecklicher und heimtückischer als ihr verderblicher Gesang, wenn er es wollte. Mit der ganzen Kraft seines Lebens stellte er sich

gegen Boshaftigkeit und Lug und Trug und nie wurde er besiegt. Nicht die Sirenen besiegelten sein Ende, sondern der Hass, der Eifer und die Gier nach Macht der Menschen, mit der sie am Ende der niederträchtigen Kriege große Teile der bekannten Welt zum Einsturz brachten, lange nachdem Wenden und Blimps diese bereits verlassen hatten.

Dies ist die Geschichte eines großen Flusses und keiner nach ihm sollte so mächtig, freundlich oder lebensspendend sein. Doch wer an einen Bach kommt und nur lange genug still sitzen bleibt, für den formen sich Worte und Geschichten aus dem Plätschern und diese erzählen vom Ach–Horenn. - ENDE

- Gewidmet Joachim Höppner (1946 – 2006). Die Welt ist leiser ohne ihn.

Einige kurze Anmerkungen zur Entstehung des Ach-Horenn

Es ist jetzt gut acht Jahre her, dass ich den Ach-Horenn geschrieben habe. Er ist als Teil einer Kosmogonie für zwei Fantasyromane entstanden. Doch das war aber nicht allein mein Antrieb für diese Erzählung.

Wer das Buch kennt, wird es nicht verwunderlich finden, dass ich, bevor ich den Ach-Horenn schrieb, gerade Das Silmarillion von J.R.R. Tolkien gelesen hatte, sozusagen als Abschluss meines ’ersten Tolkienjahres’ - zuerst habe ich Der Hobbit, dann Der Herr der Ringe, dann Das Silmarrillion gelesen - eine Reihenfolge, die ich jedem nur empfehlen kann, der sich Tolkien nähern will - und ich war von den Geschichten begeistert. Ich war so sehr von dem Gelesenen eingenommen, dass ich mir Das Silmarillion als Hörbuch zulegte. Gelesen wurde es von Achim Hoeppner und erst da erfuhr ich,

dass er bereits zwei Jahre zuvor verstorben war.

Sozusagen zwischendurch hatte ich noch von E.A. Poe Das Gut zu Arnheim gelesen und war ziemlich enttäuscht, vor allem weil hier ein existierender Fluss eine fantastische Beschreibung bekam. Es ist wohl nur dem Alter des Werks zuzuschreiben, dass man dem Autor dies durchgehen lässt. Würde heute jemand in einer Erzählung oder einem Roman von den mehrere hundert Meter hohen Wasserfällen der Volga berichten, das Urteil wäre vernichtend. Es mag überheblich klingen, aber ich dachte mir: ’Das kannst du besser.’

So begann ich an der Arbeit am Ach-Horenn und stellte die Erzählung in 6 Wochen fertig. Dabei hatte ich ständig die wunderbar warme Stimme von Achim Höppner im Ohr, stellte mir vor, er würde sie lesen. Und tatsächlich half mir das, die Ecken und Kanten der Geschichte zu erkennen. Zu lange Sätze kürzte ich und hatte ständig den Klang meiner Erzählung im

Hinterkopf. Ich war (und bin es auch immer noch) unbescheiden genug, dass ich mir wünschte - das tue ich bis heute - Achim Höppner hätte den Ach-Horenn einmal gelesen. Entsprechend eifrig ging ich zu Werke.

Das ich bei all dem auch versuchte, mich an der Sprachgewalt eines Tolkien zu messen, wurde mir erst später bewusst. Mit der Zeit wuchs darum auch die Furcht, nur ein billiges Plagiat zu erstellen. Vielleicht war das auch der Grund, warum die Erzählung sehr lange ein einsames Leben auch meiner Festplatte führte. Erst vor gut drei Jahren zeigte ich sie einem guten Freund - der sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass er keine Freundschaftreviews gibt, eine fast unschätzbare Eigenschaft von ihm - und er, der auch andere Erzählungen von mir gelesen hat und ein Tolkienkenner ist, war der Meinung, dass man in ihr meinen Stil wiederfindet und sie dennoch "tolkinesk" sei.

Ein Lob, dass mir Mut machte.

Doch zurück zur Konstruktion des Ach-Horenn ...

Ich wollte von Anfang an einen mythischen Fluss schaffen. Also machte ich mir Gedanken darüber, was einen Mythos ausmachte. Es ist sicherlich nicht die Wahrhaftigkeit. So darf man diese Erzählung auch verstehen. In universe betrachtet kann alles in ihr erfunden sein, denn sie entstand zu einer Zeit, in der selbst die Existenz der Elfen ein Mythos und nicht gesichert war. Das gab mir dann großen Spielraum. Ich konnte einen Fluss ganz "nach Lust und Laune" beschreiben. Denn letztlich ist ein Mythos auch immer ein Lehrstück. Dies gilt auch für den Ach-Horenn. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass die Geschichte (in universe) sich an ein Publikum richtet, dessen Lebensweise mit Hilfe des großen Flusses konterkariert und kritisiert werden soll. Dabei wird idealtypisch vorgegangen. Der Ach-Horenn kommt dem

Paradies auf Erden sehr nahe. Dagegen kann die reale Welt nur abfallen. Aber eben genau das ist ja auch beabsichtigt. Der Zuhörer - in universe wurde diese Geschichte ja erzählt, d.h. mündlich vorgetragen (Achim Höppner, s.o.) - soll sich sehnsuchtsvoll an die Ufer des Flusses wünschen und wenn es nur für einen Tag sei. Ziel der Erzählung ist es nicht, das Publikum kurzfristig aufzurütteln, sondern langfristig auf einen idealistischen Weg zu bringen, weil der Ach-Horenn zeigt, dass alles auch ganz anders sein könnte.

All das sind natürlich sehr hochgesteckte Ziele. Wenn sie nicht erreicht wurden, finde ich das nicht bedauerlich. Denn bei meinen Überlegungen über Mythen ist mir vor allem eines klar geworden: Mythen überleben und werden weitererzählt, wenn sie gute Geschichten sind. Sollte ich das erreicht haben, bin ich mehr als

zufrieden. ArnVonReinhard

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Hörbuch

Über den Autor

ArnVonReinhard
Zweifler, Pessimist, Misanthrop ...

... ungefähr so:

"Nein, nein, ich habe nicht bewundernswert gesagt, ich sagte, ich bin außergewöhnlich. Das was ich tue, das was dir so viel bedeutet ... du meinst, ich tue es, weil ich ein guter Mensch bin? Ich tue es, weil es zu schmerzhaft wäre, es nicht zu tun. (...) Weißt du, es tut weh (...), alles das! Alles was ich sehe, alles was ich höre, rieche, berühre, die Schlussfolgerungen, die ich imstande bin zu ziehen, die Dinge, die sich mir offenbaren ... die Hässlichkeit. Meine Arbeit fokussiert mich. Das hilft. Du sagst, ich benutze meine Gaben. Ich sage, ich geh nur mit ihnen um."
(Sherlock Holmes; In: Elemantary)


Fantasy- und Schauergeschichten sind mein Ding, weil sich darin alles Menschliche verarbeiten lässt.
Und ob ich es will oder nicht, auch das Thema "Freundschaft" taucht immer wieder auf.
Aphorismen.
Ein weiterer großer Bereich, mit dem ich mich beschäftige, in Erzählungen und Nonfiction, ist das Thema Krieg.

Arn von Reinhard ist EU-Skeptikerkritiker und Medienkritikerskeptiker.


foto by and with permission of Evelyne Steenberghe from vlien.net

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