Vorbemerkung
Nach meinem letzten Versuch als Parfümeur (nachzulesen in „Mein Parfüm“), dachte ich, dass ich meine Essenz weiterentwickeln könnte.
Schließlich kam meine neue Erfindung, nämlich „Eau de Doolittle“, das erst im Herbst zum Einsatz kam, zu seinen Lorbeeren.
Beitrag FB 54: Herbstgezwitscher.
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: Monika Heisig
Vorgegebene Wörter:
Blätterwald,
Vollmond,
Augenblick,
wandern,
herzlich,
entdecken,
Pfannkuchen,
antworten,
Besenstil,
Mauseloch,
faul,
rosarot
Sie wurden alle verwendet.
Eau de Doolittle
Ich hatte einen ganz eigenen Duft kreiert. Er sprach offensichtlich Tiere an. Wahrscheinlich jede Art von Tieren. Sie waren Sex-süchtig geworden, sobald sie mein Parfüm gerochen hatten. Meine Viole war damals in der Hosentasche ausgelaufen, aber ein kleiner Rest befand sich noch im Erlenmeyerkolben.
Gut, viel war es nicht, aber als Hobbychemiker hatte ich die genaue Zusammensetzung der Ingredienzien aufgeschrieben. So konnte ich mein Parfüm wieder auferstehen lassen.
Es wirkte auch noch genauso, wie zuvor. Bei diesem Selbstversuch war ich vorsichtig
gewesen, bevor mich die Tiere noch mehr lieb haben konnten.
Da kam mir die Erleuchtung.
Was wäre, wenn ich die Essenz so abwandeln könnte, dass man zum Beispiel wilde Hundebestien zu liebevollen Schoßhündchen verwandeln konnte? Einfach nur durch meinen neuen Duft? Eine Sensation wäre das. Die Entdeckung des Jahrhunderts! Wieder arbeitete ich fieberhaft die nächsten drei Wochen. Es sollte so funktionieren, dachte ich schließlich. Allein, mir fehlten die Beweise.
Daher brach ich zum entscheidenden Feldversuch auf.
Ich begab mich in den Zoo. Jetzt im Herbst,
tobte gerade Simba, der Bengal-Tiger, wie verrückt in seinem Areal herum. Es war Brunftzeit, aber seine Holde hatte man weggesperrt. Ich sprühte nur einmal mit dem Zerstäuber und Simba wurde lammfromm. Die Wärter staunten nicht schlecht und wischten sich den Angstschweiß von der Stirn. „Was ist denn nun los?“ „Ich kann mir das auch nicht erklären“, sagte der andere. „Wir wollten ihn schon erschießen lassen, so unbändig, wie er war.“ Beide schüttelten den Kopf, denn Simba schnurrte wie ein gurrendes Kätzchen und streckte sich faul, gemütlich und zufrieden am Boden aus.
Ich schlich davon.
Um es kurz zu machen: Ich eröffnete eine Praxis.
Ich nannte sie die Spezialpraxis Doolittle.
Als Tierflüsterer machte ich innerhalb kürzester Zeit Furore. Jeder Kläffer, scheuende Pferde, nervöse Spinnen, beißende Krokodile, mein neues Parfüm wirkte bei jedem Tier. Ich konnte ordentliche Preise verlangen und sollte schon mit Tomme Hanken, sie wissen schon, der Knochenbrecher, der Tiere heilt, im Fernsehen auftreten. Der Zoo rief öfters an und bat um meine nicht ganz billige Mithilfe.
Besonders stolz war ich immer, wenn es in meinem Wartezimmer voller aggressiver Tiere zu Übergriffen kam. Da erschien ich nämlich wie ein Messias und streckte salbadernd die Hände aus. Ruhe kehrte ein. Der Effekt war phänomenal. Natürlich war ein
kleiner, heimlich ausgelöster Druck auf den Zerstäuber von Eau de Doolittle der Grund.
Trotzdem, es war eine stressige Zeit.
Tagsüber rannten mir die Menschen mit ihren Haustieren die Bude ein und nachts arbeitete ich im Labor. Die Wirkung meines Duftstoffs verging nämlich ziemlich schnell. In meiner Not wälzte ich alte Hexenfolianten und stieß auf eine Lösung. Ich musste das Elixier bei Vollmond anrühren. Am besten mit Feenkraut. Die Wirkung währte jetzt dann nicht nur für einen Augenblick.
Über einige kleine Vorkommnisse muss ich allerdings leider berichten. Tante Eulalia's Nachtigall Elise war nach Genuss meines Parfüms verstummt und wollte nicht mehr singen. Kein Zwitschern mehr. Papagei Klaas
Klever, der dauernd Shanties gekollert hatte und in bester Rum-Laune gewesen war, wollte überhaupt nicht mehr antworten. Stumm und langweilig saß er apathisch in seiner Voliere.
Die Sache mit Knochenbrecher Ede und Nagelreißer Willie verschweige ich lieber. Ich half bei ihrem Einbruch, als ich die Wachhunde beruhigen musste. Was hätte ich denn tun sollen? Ich besprühte sogar die Gauner, aber sie waren noch genauso widerlich und drohend gewesen, wie zuvor. Bei Menschen wirkte es nicht. Nur bei dem Einbruch bei den Bluthunden, da hatte es funktioniert.
Irgendwie begann Alles schief zu gehen. In der Siedlung hatte ich für Ruhe gesorgt. Das
Herbstgezwitscher um 5:30 Uhr Morgens war verstummt und die Anwohner beschwerten sich, dass ihnen jetzt diese Ruhe auf die Nerven ging.
„Sie hatten es aber doch so gewollt“ ereiferte ich mich. „Aber doch nicht so! Zu einem Morgen gehören einfach Vogelstimmen, Gezwitscher! Sie Unhold, sie greifen in die Natur ein, ohne auf irgendetwas Rücksicht zu nehmen!“ “Sie haben doch förmlich darum gebettelt, dass…“ „Sie hören von uns! Wir hetzen ihnen die Anwälte auf den Hals!“ Einer drohte mir sogar mit einem Besenstil.
Ich floh zurück in meine Praxis, aber auch dort ging es hoch her. „Sie haben Klaas Klever so gequält, dass er nicht mehr spricht.“ „Elise, die Nachtigall ist unendlich
krank, weil sie gar nicht mehr singt.“
„Mein Kampfhund Attila hat den Einbrechern noch das Werkzeug gereicht“, schimpfte ein Anderer.
„Genau, mein Falke ist für die Jagd unbrauchbar geworden. Sie Tierquäler!“
Schließlich rief noch der Zoo an. Sie seien verzweifelt. Simba ginge es nicht gut, weil er nur noch Pfannkuchen fressen würde.
Wieder floh ich. Am liebsten hätte ich mich in ein Mauseloch verkrochen.
So wanderte ich ziellos in der Gegend herum und gelangte in ein Waldstück. Es dämmerte der Morgen und ich traute mich nicht nach Hause. Während der Nebel aufstieg, traf ich den Förster mit seinem Dackel. Er stellte mich zur Rede. Da erzählte
ich ihm von meinem Unglück.
"Sehen sie", er wies auf den Blätterwald. "Im Herbst färben sich die Blätter. Das ist Natur. Immer, wenn der Mensch in die Natur eingreift, dann gibt es böse Überraschungen."
Ich nickte geknickt.
"Ich habe es doch nur gut gemeint."
"Das sagen alle", sinnierte der Förster.
"Was soll ich denn jetzt tun?"
"Die Natur heilt sich selbst. Das wird schon wieder", machte er mir Mut. "Man muss sie nur in Ruhe lassen."
Ich ging heim.
Tatsächlich war die Wirkung des Eau de Doolittle doch nicht so langanhaltend, wie ich befürchtet hatte. Man konnte wieder dem
Herbstgezwitscher lauschen und sie werden es nicht glauben:
Als ich hörte, dass Simba einen Wärter anfallen wollte, da konnte ich wieder befreit und herzlich auflachen.
Die rosarote Brille konnte ich mir dennoch nicht aufsetzen.
Ein fader Geschmack blieb übrig.
"Ich werde nie wieder in die Natur eingreifen", nahm ich mir vor.
Und das sollten sich auch ganz Andere Herrschaften zu Herzen nehmen.