Kabakon
Geboren wurde August Engelhardt am 27.Nov. 1875 in Nürnberg. Die Unternehmer-Familie war wohlhabend. So besuchte August das Gymnasium, brach aber ab. Irgendwie stopfte man ihn dann in eine Apothekerlehre. Er schließt sich einem Vegetarier-Verein an, interessiert sich für Heilfasten und Rohkost. Höchst Modern aus heutiger Sicht. Na ja, die damalige starre, enge Gesellschaftsform des Wilhelminisches Reiches ging ihm sowieso auf die Nerven.
Im Herbst 1899 schloss sich unser Aussteiger-Spinner mit 24 Jahren „Jungborn“ an, einer Vereinigung von naturnahem Leben. Von Adolf und Rudolf Just gegründet,
strebten sie Vegetarismus und Nudismus an. Da können sich die Kommunen der 1960er Jahre nur wundern.
Damalig, um 1900, da waren solche Schweinereien natürlich unter Strafe gestellt. Außerdem landete Adolf Just im Gefängnis, weil er sich unstatthafter Betätigung als Naturheilkundler schuldig gemacht hatte, und so löste sich der „Jungborn“ auf.
In diesem Deutschen Reich konnte und wollte sich unser Freigeist natürlich nicht entfalten.
Nun kam ihm der Tod seiner Eltern zu Hilfe. Er erbte ein halbes Vermögen.
Engelhardt entfloh den zwanghaften Konventionen und den Spießern und landete 1902 in Neuguinea.
Das war insoweit praktisch, als dies damals
noch deutsche Kolonie war und außerdem fror man dort nicht, so ganz ohne Kleidung.
Er schwor also jeglicher Gesellschaft ab und beschloss radikal naturverbunden zu leben. Eine Ausnahme von der Abkehr der Zivilisation gab es. Bücher hatte er mitgenommen, nämlich 1200 Exemplare.
Natürlich braucht man ein Refugium für das Einsiedler Leben.
Am 2.Okt. 1902 erwarb er von der geschäftstüchtigen Emma Forsayth Coes eine Kokosplantage von 75 ha auf der Insel Kabakon, also fast die gesamte Insel.
Diese Insel war 2 Kilometer lang und ca. 700 Meter breit.
Sie gehörte damals zur Neulauenburg-Gruppe (heute – Duke of York Islands)
Diese neue Heimat war fast ausschließlich mit Kokospalmen bepflanzt.
(Duke of York Islands - Kabakon)
Er errichtete sich seine luftige Holzhütte und sah sich um.
Leider waren die wenigen Eingeborenen keine Vegetarier. Genau genommen waren es ursprünglich Kannibalen.
An diesem dürren, einzigen Weißen Inselbewohner vergingen sie sich nicht.
Zwei Dinge waren nun von entscheidender Bedeutung.
Der Schriftsteller August Bethmann war sein Freund und beide hatten noch in Deutschland von den Kokovoren in den USA gehört (urspr. Bewegung aus Kuba). Vegetarismus per Excellence! Motto: „Kokosnuss essen, Kokosmilch trinken, Erleuchtung finden."
Damit es nicht gar so erbärmlich klingt, war außer Hüllen-Losigkeit natürlich im tropischen Paradies auch freie Liebe ok.
Die Kokosnuss sei die einzige Nahrungsquelle, göttlich, weil sie wie der menschliche Schädel geformt wäre. Diese Frucht stünde Gott am nächsten und sei der Stein der Weisen, so meinte er.
Er hob immer mehr ab, denn er rief ein eigenes Evangelium aus.
Kurz und gut, es fehlte im Moment noch an Mitgliedern, welche diese Kokos-Sonnenanbetung in Papua-Neuguinea toll fanden. Nur Bethmann druckte in Deutschland Pamphlete, welche von dem Kokosparadies im Pazifischen Ozean kündigten.
Aber erst, als sich der berühmte Dirigent, Violinist und Pianist Zivilisations-müde geworden war und auf der Sonneninsel sein Hippie-Heil suchte, da folgten ein paar Jünger.
Bethmann und Lüzof begaben sich dann tatsächlich mit den ersten Adepten in das Paradies.
Der Kokovore empfängt alles aus der Sonne. Das bedeutete auch, dass man keine
Kopfbedeckung tragen durfte. Es würde sonst der göttlichen Sonne entgegen stehen. Ein echter Solaraspekt.
(l. Engelhardt, r. Max Lützof)
Nun, da endlich Untertanen vorhanden waren, gab es eine „Hauptstadt“ Namens„Herbertshöhe“.
Außerdem gründete er den „Sonnenorden – äquatoriale Siedlungsgesellschaft“.
Missionarisch versandte er die diffusen Schriften, die er mit Bethmann verfasste, nach Europa. Er warb für diese fruktive Hippie-Kommune
1905 fand man Engelhard selbst in einem erbärmlichen Zustand auf. Gehen konnte er nicht mehr. Er war völlig entkräftet, von Geschwüren gebeutelt, wog nur 39 Kilogramm und das bei 166 Meter Körpergröße. Im Krankenhaus dem heutigen Kokopo päppelte man ihn wieder auf.
Seinem Missionarsdrang tat das keinen
Abbruch. Er machte weiter.
Ein Problem war, außer den abgefahrenen, göttlichen Ansichten, dass die Kokosnuss allein eben nicht genügend Nährstoffe für den Menschen liefert.
Zudem kam es wohl zu Übergriffen auch auf Frauen der einheimischen Bevölkerung.
Von da an gab es Probleme. Erste Todesfälle. Es ist unklar, ob sich die Eingeborenen an ihre eigene Kannibalen-Vergangenheit zurück erinnerten, oder ob es einfach Eifersuchtsdramen unter den Jüngern selbst waren, die zu den ersten Todesopfern führten. Die Jünger Schar dezimierte sich. Ein paar Todesfälle gab es außerdem durch Unterernährung und Krankheit. Zwei, drei konnten ausgehungert
noch per Boot evakuiert werden.
Auch Bethmann kamen nun Zweifel. Angeblich hätten sich die Beiden völlig zerstritten. Bethmann wollte mit dem nächsten Boot abreisen. Noch bevor ein Boot anlanden konnte, da war August Bethmann plötzlich tot. Wie praktisch, hätte er doch durchaus wieder in Deutschland ganz Anderes veröffentlichen können, als es unserem Messias lieb sein konnte.
Bethmanns Tod im Jahr 1906 blieb im Dunkel. So etwas passiert eben auf einer einsamen, unkontrollierten Insel. Man sagt, dass es besonders deshalb Streit gegeben habe, weil Engelhard auch über die Braut Bethmanns „drüberziehen“ wollte. Sie war aus Stuttgart ihrem Bräutigam nachgereist.
So hatte Bethmann sich die Praxis der freien Liebe nicht vorgestellt.
(Bethmann, Freundin Schwab, Engelhardt)
Der Mord blieb ungeklärt, oder war es nur Entkräftung und Krankheit? Unwahrscheinlich, wie ich meine.
Engelhard hingegen beschimpfe seine verbliebenen Jünger und vor allem die Braut Anna Schwab, dass sie Bethmann auf dem Gewissen hätten, weil sie ihm anderes, als Kokosnüsse zu essen gegeben hätten. Kein Wunder, dass er verstorben sei.
Kurz darauf reisten die Jünger, die Wenigen, die übrig geblieben waren, ab. Anna Schwab war auch unter den Überlebenden und wetterte in der Heimat öffentlich gegen den Sektierer.
Der Krieg kam dazwischen. Das Archipel fiel schließlich den Australiern zu. Engelhard
wurde als Kriegsgefangener inhaftiert, doch nur drei Wochen lang. Danach wurde er offiziell als „armer Irrer“ entlassen.
Engelhardt machte alleine weiter.
Wohl am 6.Mai 1919 verstarb er einsam, bis zu einem Skelett abgemagert, in seinem Kokosnuss-Reich. Er soll auf dem Inabui-Friedhof auf Mioko begraben worden sein. Von seiner letzten Ruhestätte sind keine Spuren erhalten.
Immerhin vererbte er eine ganze Insel. Der Erblasser rechnete, stellte Statistiken auf und betrog, wie heutzutage die Politiker. Erbnehmer war der Australische Staat. Nach gewissen und unerklärlichen Abzügen wurden Australien genau 6 Pfund ausbezahlt.
Er wollte ein internationales, tropisches Kolonialreich des Fruktivorismus gründen und scheiterte total.
Ich persönlich bin nach wie vor für eine Ausgewogenheit der Ernährung.
Jeder mag da seine eigenen Prioritäten setzen.
Sich nur von Kokosnüssen ernähren zu wollen, bringt jedenfalls nichts.
(Trotzdem mag ich sie selber zu gern)
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