Anmerkungen
Dies ist eine Sammlung von Texten, inspiriert durch Shakespeares Macbeth. Es ist keine Prosanacherzählung, sondern ich versuche, die einzelnen Akte bzw. Teilaspekte von ihnen vor meinem geistigen Auge erstehen zu lassen und ich gestatte meinen Gedanken darüber hinauszugehen. Ich weiß jetzt noch nicht, was im Einzelnen dabei entstehen wird. Die Texte hängen nicht zusammen. Dies ist keine mehrteilige Erzählung. Für mich geht es dabei um die Entwicklung einzelner und unterschiedlicher Ideen. Selbstverständlich sind ab und zu
Zusammenhänge möglich. Diese (die Zusammenhänge) ergeben sich gegebenenfalls beim Lesen der unterschiedlichen Texte, ohne das ich darauf hinweisen werde.
Ich folge dabei der deutschen Übersetzung von Thomas Brasch (Shakespeare, William; Macbeth; Aus dem Englischen von Thomas Brasch; Insel-Verlag; Frankfurt a.M./Leipzig 1992/ND 2015), was daran liegt, dass ich des frühneuzeitlichen Englisch des
ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts nicht mächtig genug bin, wie es zum Verständnis des Originals nötig wäre. Ich wäre also auf eine Übertragung ins zeitgemäße Englisch angewiesen und denke, dass es dann keinen großen Unterschied macht, dass ich gleich die deutsche Übertragung verwende.
Zitate sind durch Kursivschrift mit einem* gekennzeichnet und werden jeweils noch genau verortet.
1. Akt, 2. Szene
Zusammenfassung:
Ein verwundeter Hauptmann wird in das Feldlager des schottischen Königes Duncan gebracht und berichtet dem, seinen Söhnen und Adeligen über den Verlauf der Schlacht gegen einen abtrünnigen und verräterischen Gefolgsmann. Die Sache der Königlichen steht nicht gut, bis Macbeth auf den Plan tritt und den Aufrührer tötet. Doch dann versucht der König von Norwegen, erneut mit der Unterstützung von untreuen Adligen, die Schwäche der Schotten auszunutzen.
Zusammen mit Banquo schlägt Macbeth auch diesen Angriff zurück, worauf König Duncan ihm den Titel eines der Abtrünnigen - Than von Cawdor - verleiht.
Aus dem Tagebuch des Majors ...
Oh, Spiel der Macht, meiner Liebe muss du nicht entsagen. Ich schaue und ich tue und ich liebe. Schlag auf Schlag. Mein Gewinn, meine Lust. Freude am ganzen Leib. In was für großartigen Zeiten lebe ich. Erste Reihe. Ich möchte das Jetzt nicht missen und niemals eintauschen.
30. Juli 1914: Man hat mir mein geliebtes Bataillon weggenommen! Stattdessen bin ich nach Berlin befohlen. Was mich in Friedenszeiten
erfreuen würde, ist es doch ein guter Schritt für die Beförderung, beschämt mich und entfacht meinen Zorn. Die Österreicher haben Belgrad beschossen und der Rus's ist dabei, mobil zu machen. Das Vaterland ruft, auf das jeder deutsche Mann sich dem Meer von Feinden in den Wege stellt. Wie lange, hart und ohne Unterlass habe ich mein Bataillon auf diesen Tag vorbereitet. Nun hat man es mir gestohlen. Oh, wie verlangt es mir nach Satisfaktion!
(…)
5. August 1914: Unser Vormarsch gen Westen hat begonnen. Freundlich und mit
vielen Zusicherungen, dass unsere Soldaten sich anständig verhalten werden, haben wir die Belgier gebeten, uns den Durchmarsch zu gewähren. Doch dieses kleine Volk von Idioten hat sich entschlossen, uns Widerstand zu leisten. Jeder weiß, wie zwecklos und verräterisch dieses Ansinnen ist. Wir haben ihnen unseren Schutz angeboten, doch sie wollten nicht hören. Steckt der Franzos’ hinter dieser Niederträchtigkeit? Wer will das bezweifeln.
(…)
6. August 1914: Mit vorbereiteten Plakaten weisen unsere Armeen darauf hin, welche fatale und nötige Folgen der Verrat der Belgier (bald schon wird "Belgier" der Name für Verräter überall in der Welt sein) für diese Kreaturen haben wird. Wir sind hart und unnachgiebig. Generaloberst von Molkte tut recht, wenn er sagt: "Unser Vorgehen in Belgien ist gewiss brutal. Es handelt sich aber für uns um Leben und Sterben und wer sich uns in den Weg stellt, muss die Folgen tragen."(1) Dies Heckenschützenvolk muss eingeschüchtert
werden.
(…)
7. August 1914: Harte Kämpfe um Lüttich. Ziele nicht erreicht. Doch dann stieß die 14. Brigade bis zur Zitadelle vor. General Ludendorff ergriff die Situation und wagte den Handstreich, furchtlos und mit großer Kühnheit. Er ist der Held von Lüttich! Große Freude auch bei uns in Berlin. Der Kaiser war skeptisch, doch diese Nachricht befreite sein Gemüt und er umarmte General von Molkte wie einen Bruder. Es geht voran, alles Dank
Ludendorff!
(…)
19. August 1914: Wir treiben den Franzosen weiter vor uns her. Jeder Tag bringt weitere Siege für unsere Armeen. Doch jetzt rührt sich der Russ, will ausnutzen, dass wir Westen gebunden sind. So handelt der Feigling. Der Kaiser ist von seinem Cousin enttäuscht, vermutet aber, wohl nicht zu unrecht, London dahinter, dort, wo die verlogenen Puppenspieler
hausen.
(…)
20. August 1914: Schwere Kämpfe in Ostpreußen, bei Gumbinnen.
(…)
22. August 1914: Prittwitz ist der Situation nicht gewachsen. Seine Schwarzseherei infiziert die gesamte 8. Armee. Abgelöst. Hindenburg übernimmt das Kommando. Und damit die 8. Armee auch wirklich kämpft, ist Ludendorff sein Stabschef. Der Held von Lüttich wird es dem Russ schon
zeigen.
(…)
26. August 1914: Schwere Kämpfe bei Seeben.
(…)
30. August 1914: Unser herrlicher Sieg in der Schlacht bei Allenstein!(2) Das wird dem hinterlistigen Russ eine wahre Lehre sein! Glückwunschtelegramm des Kaisers an die 8. Armee. Hindenburg ist der Held von Allenstein. Ludendorff ist der Held von Allenstein UND der Held von Lüttich. Gesegnet ist die Heimat, hat
sie gleich zwei von solchen Helden!
Anmerkungen:
(1) aus: Conrad von Hötzendorff, Franz Graf; Aus meiner Dienstzeit, 5 Bd.; Wien, Leipzig, München 1906-18; Bd. IV, S. 193
(2) Die Schlacht von Tannenberg von Ende August 1914 wurde zunächst Schlacht bei Allenstein genannt und erst später auf Initiative von Hindenburg in Schlacht von Tannenberg umbenannt.
Historischer Kontext
Mir ist nach einigem nachdenken aufgefallen, dass es durchaus Parallelen zwischen Macbeth und Ludendorff gibt. Beide sind Generäle ihres Königs/Kaisers. Beide gewinnen entscheidende Schlachten für ihren Herrschern. Dabei sind die Verteufelungen des Feindes in Shakespeares Stück und der historischen Wirklichkeit nicht unähnlich. Die Deutschen hielten das Verhalten der Belgier - allein weil sie es "wagten", ihr Land gegen die eindringenden deutschen Armeen zu verteidigen - im Sommer 1914 - ja
tatsächlich für niederträchtig. Hier sei an die Heckenschützen/Franc-tireurhysterie erinnert.
Währen die Führung des Kaiserreichs 1914 im Westen große Siege sah - Ludendorff machte sich einen Namen als "Held von Lüttich" - und glaubte, den Plan (Niederwerfung Frankreichs in 39 Tagen) erreichen zu können, regte sich im Osten die zaristischen Armeen sehr viel schneller als erwartet. Dort war nur eine Armee stationiert und der verantwortliche General (Prittwitz) schien überfordert. Hindenburg und Ludendorff wurden gen Osten in Marsch gesetzt und besiegten eine der russischen Armeen in der später so
genannten Schlacht von Tannenberg (der Plan dazu war vom Stab der 8. Armee ohne Ludendorff und Hindenburg erstellt worden). Damit war der russische Offensivplan gegen Ostpreußen gescheitert.
Im Stück nützt der norwegische König die Möglichkeit, weil das schottische Königreich durch den Aufstand der Adeligen geschwächt scheint. Hier ist die Parallele zwischen 1914 und Stück (Königreich geschwächt = Großteil des Heeres im Westen gebunden). Doch zur Allgemeinen Überraschung schlägt Macbeth zusammen mit dem hier erstmals genannten Banquo, die Norweger = Ludendorff und Hindenburg
schlagen die zaristische Armee.
Der letzte Punkt ist die Aussicht auf das Kommende. Macbeth wird König Duncan töten. Banquo ist daran nicht beteiligt, aber eingeweiht. Zwar ermordet das Duo Hindenburg/Ludendorff Kaiser Wilhelm II. nicht, aber seine Entmachtung ist, als die beiden im Jahre 1916 die sogenannte "3. OHL" bilden, endgültig und abgeschlossen. Darum sind Macbeth und Ludendorff Königs-/Kaisermörder.