WAs im leben wichtig ist
Ich stoße mit dem Fuß gegen irgendetwas Hartes und fluche leise vor mich hin. Warum muss sie nur auch so verdammt unordentlich sein? Schulsachen und Kleidung liegen verstreut auf dem Boden und Pflanzen lassen ihre Blätter traurig hängen, fast vollkommen ausgetrocknet in der milden Sommersonne. Es gibt mehrere Regale, wie auch in meinem Zimmer, die mit Büchern und Spielen vollgestopft sind. Einen Schreibtisch und ein Bett, in ihm liegt ein Mädchen. Auf dem ersten Blick, könnte man die Gestalt auch für mich
halten, doch die Haare des Mädchens sind kürzer und sie hat kleine Sommersprossen auf der Nase, ihre Züge sind weicher und ihre Haut ein wenig blasser als meine. Joline liegt in dem großen Bett, alle Viere von sich gestreckt und in einem süßen zartrosa Nachthemd, mit Rüschen, indem sie wie ein kleiner Engel aussieht. Sie gibt leise Geräusche von sich, sie murmelt immer wieder denselben Satz vor sich hin, doch ich kann sie nicht verstehen. Ich will sie nicht wecken, sie liegt dort so friedvoll, ihr hübsches Gesicht wird von der Mittagssonne beschienen und ihr Haar leuchtet golden, wie meines ( karamellfarben ). Ich werfe schnell
einen Blick auf ihren Wecker, er zeigt 13.32 Uhr mittags an. Sie kann am längsten aus der Familie schlafen, und ich bewundere sie, sie wacht einfach nicht auf. Egal wie laut es draußen ist, oder wie spät. Sie ist immer in tiefsten Träumen, wenn ich sie, wie heute auch, am Wochenende zum Mittagessen wecke. Sie meint immer, sie müsse ihren Schlaf aus der Woche nachholen, was sie definitiv tut. Ich setzte mich auf die Bettkante und beobachte sie einen kleinen Moment. Sie murmelt immer noch wirres Zeug vor sich hin und rekelt sich leicht. Ich habe sie so unendlich lieb! Ich beuge mich vor und drücke ihr einen sanften Kuss auf die Wange, sie
zuckt leicht zusammen, doch wacht nicht auf. Ich gebe ihr noch einen und noch einen, beim vierten Kuss beginnen ihre Augenlieder endlich zu flattern und öffnen sich schließlich ganz. Ich liebe ihre Augen, große braune Rehaugen, die einen immer anlächeln, immer leuchten. Ich bin mir sicher, sie würde später mal einen sehr schönen Mann abkriegen, jeder musste sich einfach in diese zarte Gestalt, mit diesen großen Augen verlieben. Ich tue es auf jeden Fall.
>> Deine Haare kitzeln, wie spät? << Sie reibt sich die Augen und gähnt laut. Ich streiche mein Haar hinter mein Ohr und werfe erneut einen Blick auf den
Wecker.
>> Kannst aufstehen, schon viertel vor zwei! <<
>> Ohh, gut! << Sie gähnt erneut und ich muss lachen.
>> Sind wir hier im Zoo oder was? << Sie macht den Mund beim Gähnen so weit auf, dass man ihre Zähne zählen kann. >> Siehst aus wie ein Nilpferd, nur in schöner! Obwohl, vielleicht auch doch nicht. Also, das mit dem Schöner und so… <<
>> Hey danke, und du siehst wie so ein traumatisierter Esel aus! Guck nicht so, dass macht mir Angst! << Als ich sie fragend angucke fährt sie fort >> Du guckst, wie so ne verknallte
Schnarchnase, die volle Kante gegen einen Baum rennt, und zwar im Galopp! << Ja, so wird die Liebe erwidert, halt Schwesternliebe.
>> Was gibt es zum Essen, habe Kohldampf?! <<
>> Keine Ahnung! <<
>> Riecht ganz gut, findest du nicht? << sie schnuppert wie ein Hund in die Luft und überlegt was es wohl sein könnte.
>> Vielleicht Hähnchen, oder Pommes? Nein, Pommes würde sie nie machen, so ein Fast Food würde sie uns nie machen, was würde denn dann Alphas Mummy denken? Das wird nur bestellt. Vielleicht, hm, frittierte Kartoffelecken! <<
>> Hast recht, riecht ein bisschen nach Kartoffeln, aber freu dich nicht zu früh, Mom kocht. Sie hat nichts bestellt, sie kocht! Und wenn es Kartoffelecken sein sollte, sind sie mit Sicherheit angebrannt! << Ich seufzte, manchmal wäre es echt schön, sie würde einfach mal etwas leichtes, wie Pommes Frites machen, doch wenn sie kocht, dann nur aufwendige Sachen, die sie sowie so nicht vernünftig hinkriegt.
>> Hast recht, aber wie schon gesagt, ich habe kohldampf, ich würde wahrscheinlich sogar ihre veganen Sojamilchbrötchen mit Kräuteraufstrich essen, und das heißt schon was, findest
du nicht? << Oh ja, das heißt definitiv etwas, denn Moms Sojamilchbrötchen sind echt, naja… sie entsprechen auf jeden Fall ihren Kochkünste und auch dem Namen, sie sind grauenhaft! Joli schwingt ihre viel zu dünnen, langen Beine über die Bettkante und springt auf, voller Hoffnung auf leckere Kartoffelecken.
>> Ah, da seid ihr endlich! Joli du Schlafmütze, hättest fast mein neues Gericht verpasst! <<
>>Hey Mom, seit wann bist du mit so viel Elan beim Kochen? <<
>> Tja, wenn das Radio mein Lieblingslied spielt und meine zwei Süßen in der Zeitung sind, muss mir das
Kochen einfach Spaß bringen. Außerdem ist es doch spannend mal etwas Neues auszuprobieren, findet ihr nicht? << Sie schaut uns erwartungsvoll an und hängt ihre Schürze an einen Hacken.
>> Äh ja klar, super spannend! << Ich versuche in den Ofen zu spähen, wo ein riesiges Blech, voll mit irgendeinem ihrer Gerichte ist. >> Wenn es dann wenigstens halbwegs verkömmlich ist! << füge ich noch leise hinzu.
>> Wo sind wir in der Zeitung, Mom wo? << Joli durchwühlt den gesamten Tisch, der voll mit Formularen und Schülerinfos ist. Mom deutet auf einen Küchenstuhl und dreht den Ofen aus.
>> Ah endlich, ich habe so lange auf
diesen Artikel gewartet! << Joli drückt die Zeitung liebevoll an ihre Brust und prägt sich unser Foto, wie es scheint, bis ins kleinste Detail genau ein. Wir hatten vor zwei Wochen einen Waisenhund gefunden, genauer gesagt hatte Beats ihn gefunden. Er war noch ein kleiner armer Welpe, der an einem kleinen Bach, mitten in der Wildnis angekettet wurde. Wir hatten sofort gehandelt und waren stolz über unsere Leistung. Wir wurden sogar interviewt, da die Zeitung ja sonst nicht mehr zu berichten hat, müssen sie halt nehmen, was relativ interessant ist.
>> Schönes Bild von euch zwei nicht, und der Hund…hach, ich könnte bei dem Anblick dahin schmelzen, so ein süßes
Tier! << Mom konnte Tierbabys noch nie wiederstehen, deshalb hatte sie auch Beats ins Haus geholt. Unser Bild ist wirklich gut getroffen. Joline und ich Arm in Arm und zwischen uns die kleine Welpe, die neugierig ihre Schnauze in die Kamera steckt.
>> Was genau gibt es denn zu essen Mom? << Mein vorsichtiger Tonfall bleibt nicht unentdeckt und ich bekomme einen Klaps mit dem Küchentuch gegen die Hüfte, während Mom scherzhaft schnalzt.
>> Sei froh, dass es überhaupt Essen in diesem Haus gibt! << sie macht den Ofen auf und heiße Luft strömt uns entgegen, mit einem beißenden Geruch nach Fisch,
Fisch ich hasse Fisch! Von wegen Kartoffeln.
>> Fisch, warum Fisch? <<
>> Das ist gar kein richtiger Fisch, es ist Backfisch! <<
>> Das ist genau das Selbe, Fisch ist Fisch, egal ob gebacken, gebraten oder roh! <<
>> Tja, dieser hier ist gebacken und mit einer Honigsoße paniert, dazu frische Zitrone und anderes Gemüse und gespaltene Kartoffeln, in Sojacremesoße. << Mum klingt stolz und beachtet meinen kritischen Blick gar nicht. >> Klingt gut, nicht? << Jap, wirklich fantastisch! Und da ist schon wieder so ein typischer Samstag, immerhin konnte
man sich auf Mum gut verlassen. Samstag gab es meistens neue selbstgekochte Rezepte und Sonntag durften wir uns etwas beim Chinesen oder so holen.
Ein Ausschnitt aus meinem Roman Four Dreams