Romane & Erzählungen
Gefangen für immer - 8. Kapitel

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"Gefangen für immer - 8. Kapitel"
Veröffentlicht am 04. September 2016, 22 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Meistens bin ich ruhig. Im wahren Leben habe ich einen Mann, zwei Töchter, eine Hand voll Enkelkinder, zwei Katzen und alle zusammen leben wir im Süden Deutschlands. Wenn ich nicht schreibe, fotografiere ich, denn Fotos sind für mich auch kleine Geschichten - wenn man sie lesen kann. Ansonsten bin ich optimistisch, (fast) immer gut drauf und stehe mit beiden Beinen fest im Leben. Ergänzung: Das wahre Leben gibt es nicht mehr. Ich musste ...
Gefangen für immer - 8. Kapitel

Gefangen für immer - 8. Kapitel

8. Kapitel Eine gute Nachricht gab es in diesen letzten Tagen meiner Urlaubszeit. Nur noch eine gute Woche und die Schule würde wieder beginnen. In jedem Jahr davor hatte ich mich auf den September gefreut, auf die Kids und ihre Erlebnisse, auf den neu erwachten Elan und auf den Alltag, der eigentlich keiner war. In diesem Jahr war nichts, wie sonst. Hatte schon das letzte Schuljahr für mich anders als gewohnt geendet, freute ich mich nun nur bedingt auf das neue. Zu sehr war ich damit beschäftigt, Amelie in jeder freien Minute zu treffen, Zeit mit ihr zu verbringen, ihr

nah zu sein und vor allem damit, gemeinsam mit ihr von einer Zukunft zu träumen, die wohl nur ein Traum bleiben sollte. Obwohl Amelie und ich uns in dieser Zeit fast jeden Tag sahen, schickte sie mir plötzlich eine SMS, dass sie mich am Nachmittag unbedingt sehen wollte und sich über eine gute Nachricht freute. Wir waren sehr vorsichtig mit dem Verschicken von Nachrichten über das Handy, denn sie war sich nicht sicher, ob Josef ihr hinterher spionierte. Umso mehr war ich verwundert und neugierig, was dahinter steckte. Ich vermisste Amelie jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde, in der ich sie

nicht sah und sie nicht bei mir war. Glücklich hörte ich ihr Auto und das inzwischen vertraute Zuschlagen der Autotür, während ich schon im Garten auf sie wartete. Immer, wenn ich später die Augen schloss, sah ich sie auf mich zulaufen. Sie trug kurz abgeschnittene, ausgefranste Jeans, ein weißes Top und war barfuß, weil sie ihre Schuhe wieder irgendwo stehen gelassen hatte. Ihre Haare trug sie offen und ein leichter Wind, ließ sie um ihren Kopf fliegen. „Stell Dir vor, er fährt weg!“, teilte sie mir schon mit, ehe sie bei mir angekommen war. Kurz darauf lag sie in meinen Armen und wir begrüßten uns mit einem leidenschaftlichen Kuss, der

inzwischen dazugehörte. „Er fliegt nach Denver, zu einem Kongress. Vier Tage wird er nicht hier sein. Ich freu mich so. Vier Tage lang Ruhe, keine Fragen und keine …“ Ich wusste, vor was sie vier Tage lang verschont bleiben würde und freute mich mit ihr auf die unerwartet geschenkte Zeit. „Wirklich? Vier Tage lang? Das ist ja genial!“ Auch meine Begeisterung war sofort erwacht und noch einmal senkte ich meine Lippen auf ihre, küsste sie stürmisch und leidenschaftlich. Ihre Freude war fast körperlich spürbar und wieder einmal fragte ich mich, was sie alles durchmachte, von dem ich trotz unserer Vertrautheit noch immer nichts

wusste. Eng schmiegte sie sich an mich, ich genoss den Moment und es fühlte sich glücklich an. Warum schaffte sie es nicht, diesen Kerl zu verlassen? Ich biss mir auf die Zunge, um die Frage nicht laut auszusprechen, wollte den Augenblick nicht zerstören, denn auch ich begann, mich auf die nächsten Tage zu freuen. „Wann?“, fragte ich nuschelnd zwischen zwei Küssen. „Morgen früh ist er weg. Matthew bringt ihn schon um sieben zum Flughafen und holt ihn erst Donnerstagnachmittag wieder ab. Jimmy, ich freu mich so! Vier Tage Urlaub. Ich habe mir überlegt, dass ich hier bleiben werde, dann spare ich

mir die Hin-und Herfahrerei. Und für Dad ist es sicher auch schön, wenn er mich mal wieder den ganzen Tag um sich hat.“ „Gute Idee!“, pflichtete ich ihr sofort bei. „Dann bekommst Du mal richtig Abstand und vielleicht überdenkst Du danach noch einmal alles neu.“ „Nix da, keine Pläne, keine Zukunftsvisionen. Einfach Urlaub und genießen. Bitte hilf mir dabei.“ „Wobei soll ich helfen? Beim Genießen? Nichts lieber als das!“, zog ich sie erneut an mich und küsste ihren Scheitel. Ich wusste nicht, wie sie sich das vorstellte und was sie konkret damit meinte, aber alles was in dem Moment

zählte, war die Tatsache, dass sie entspannt und fast glücklich wirkte. Vier Tage in Ruhe, ohne den ständigen Hintergedanken an Josef - eine schöne Tatsache. Sogleich wollte sie zu ihrem Dad, um ihm die gute Nachricht mitzuteilen, auch wenn sie wusste, dass er nur noch wenig verstand und vieles gleich wieder vergaß. Ich bewunderte ihren Umgang mit dem alten Mann. Obwohl er oft wie ein Kleinkind reagierte und vieles durcheinanderbrachte, behandelte sie ihn jederzeit respekt -und hingebungsvoll. Nie wurde sie müde, kleine Details wieder und wieder zu erklären und lächelte ihn auch noch

liebevoll an, wenn er zum fünften Mal während einer Mahlzeit seine Kleidung beschmutzte. Er freute sich, weil sie sich freute. Ich freute mich, weil die Zwei sich freuten und alles hätte einfach schön sein können und das war es die nächsten vier Tage auch. Meine letzten freien Tage wollte ich nur in ihrer Nähe verbringen und da auch Amelie diesen Wunsch hatte, blieb ich, nicht wie sonst, nur einigen Stunden bei ihr, sondern tauchte schon am Morgen mit Frühstück auf. Wir setzten ihren Vater in den Rollstuhl und nahmen ihn mit auf die Terrasse, wo wir gemeinsam eine gemütliche Stunde verbrachten. Später erledigten wir zusammen die

anfallenden Arbeiten, für die wir nun jede Menge Zeit hatten. Während ihr Dad zum Ausruhen auf seinem geliebten Sofa Platz nahm, machten wir es uns während der Mittagszeit, in unserer Ecke gemütlich. Noch war es warm, wenn auch die schönen Tage kürzer wurden. Wir waren uns nah, sehr nah und kamen uns immer näher. Inzwischen wich auch die anfängliche Scheu, etwas falsch zu machen. Wir sprachen eine gemeinsame Sprache, wenn sich unsere Lippen berührten, wenn unsere Hände auf Wanderschaft gingen und leise flüsternde Worte einen wohligen Schauer auf der Haut erzeugten. Beide verspürten wir die Sehnsucht nach mehr.

Manches Mal brachte mich Amelie mit ihren liebkosenden Händen an den Rand der Beherrschung und auch ihre Reaktion blieb nicht aus, wenn meine Lippen eine kribbelnde Spur auf ihrer Haut hinterließen. Und doch zog sie jedes Mal dir Bremse, stoppte unser Tun, kurz bevor wir den letzten Schritt gehen wollten. Mir blieb nichts weiter übrig, als das zu akzeptieren. Sie sollte den Zeitpunkt festlegen, aber sie schaffte es nicht. „Es geht nicht, kannst Du das verstehen?“, waren ihre Worte, als wir uns abermals, nacheinander verzehrend, im Garten wiederfanden. Sie saß auf der Schaukel und wie bei unserem ersten

Treffen, stand ich dicht davor, hielt aber dieses Mal nicht die Seile fest, sondern sie. Eng umschlungen hatte ich ihren schmalen Körper und meine Lippen zeigten ihr deutlich, was ich so gern getan hätte. „Ich kann ihn nicht hintergehen“, wisperte sie angespannt. „Aber tun wir das nicht längst?“ „Wie schlafen nicht miteinander.“ Das war die Tatsache, mit der sie sich wohl vor ihrem eigenen Gewissen rechtfertigte. Mir erschloss sich ihre Logik nicht ganz. Für mich machte es keinen Unterschied, ob Sex dazu kommen würde oder nicht, nach meinem Dafürhalten hatten wir ihren Ehemann

längst betrogen. „Wir schlafen nicht miteinander, das stimmt, aber was sich in unseren Köpfen abspielt, ist doch mehr als Betrug, oder?“ „Versuche mich doch zu verstehen, Jim! Ich bin gefangen in dieser Beziehung, es gibt keine Flucht. Er lässt es nicht zu, dass ich ihn verlasse und noch weniger würde er zulassen, wenn ich dann mit Dir zusammen wäre.“ Wie immer, wenn wir über Josef und ihre Ehe sprachen, schaute sie mich unsagbar traurig an und wieder funkelten ihre Augen verräterisch von aufsteigenden Tränen. Zärtlich strich ich ihr über das Gesicht, küsste ihre Augenlieder, um den Schmerz

zu mildern. „Und wir sind gefangen in unserem Gefühl. Irgendwann musst Du auch dazu stehen“, sagte ich, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Wir führten diese Diskussion noch eine Zeit lang und danach immer wieder, ohne auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Für Amelie war es offensichtlich wichtig, diesen letzten Schritt nicht zu gehen und ich fand mich damit ab. Irgendwann, so wusste ich, wird es eine Entscheidung geben müssen, für oder gegen uns und mein einziger Wunsch war der, dass diese Entscheidung Amelie treffen würde und nicht ihr Ehemann. Immer wenn es uns

glückte, Josef auszublenden, genossen wir herrliche Stunden, die den Wunsch in uns nach einer gemeinsamen Zukunft immer größer werden ließen. Am letzten der drei Abende - es war schon fast dunkel, da wir die letzten warmen Stunden, auf der Terrasse genossen hatten, wollte ich mich bis zum nächsten Morgen verabschieden. Amelie schmiegte sich an mich, küsste mich und hielt meine Hände fest, bis ich mich zum Gehen umwandte. „Du…“ Ganz leise war ihre Stimme. „Wenn Du meinst, dass Du es schaffst, würdest Du bei mir bleiben?“ Ich wusste was sie meinte und ich wusste, dass ich nichts lieber täte, als

mit ihr in den Armen einzuschlafen. „Ich schaffe noch ganz andere Sachen, da sei Dir sicher!“, lächelte ich sie an und wortlos zog sie mich hinter sich her, die Treppe zu ihrem ehemaligen Zimmer nach oben. Wir gingen also noch einen Schritt weiter und die Grenzen waren trotzdem eindeutig abgesteckt. Etwas merkwürdig war die Situation in ihrem Zimmer trotzdem, wir standen uns gegenüber und wussten beide nicht so recht weiter. „Gibt’s hier ein sauberes T-Shirt von Deinem Dad?“, versuchte ich die Situation aufzulockern. Sofort verschwand Amelie und brachte mir kurz darauf ein frischgewaschenes

Oberteil. Entkleidet hatte ich mich bereits, stand nur in Boxershorts vor ihr und genoss den Blick, den sie sehnsuchtsvoll über meinen Körper gleiten ließ. Kurz darauf lag ich unter ihrer Decke und durfte mit anschauen, wie sie in einen kurzen Schlafanzug schlüpfte, um sich dann zu mir zu kuscheln. Schon lag sie in meinem Arm, ganz dicht, fast Haut an Haut, mit mir unter einer Decke und ich wusste, dass es eine schwierige Nacht für mich werden würde. Die Nacht war schwer für uns beide und dennoch war es die schönste in meinem ganzen bisherigen Leben. Amelie schlummerte in meinem Arm, nuschelte

ab und zu einzelne unverständliche Worte oder schnarchte ganz leise. Vor allem aber war sie bei mir, an mir und auch irgendwie in mir. Ich habe in dieser Nacht fast nicht geschlafen - vor Freude, weil wir die Stunden gemeinsam verbrachten, aber auch vor Angst, ich könnte allein aufwachen, weil alles nur ein Traum gewesen wäre. Immer wieder streichelte ich über ihre Haut, denn längst war meine Hand unter ihr dünnes Hemd gerutscht, immer wieder küsste ich ganz sanft ihre Stirn und ihre Haare und genoss jede Regung ihres schlafenden Körpers. Alles an ihr reizte mich ungemein, ich wollte mehr und doch hielt ich mich an die Vereinbarung.

Obwohl wir schon so weit gegangen waren, hatte sie Angst vor dem letzten Schritt. Fürchtete sie sich davor, weil sie vielleicht von ihrem Ehemann verletzt worden war? Was tat er ihr hintern den Mauern seiner protzigen Villa an? Bremste sie wirklich ihre moralische Einstellung, weil sie sich verpflichtet fühlte, auch in schlechten Zeiten zu ihm zu halten? Immer mehr Fragen türmten sich in meinem Kopf auf und doch war ich in dieser Nacht ein glücklicher Mann. Meine körperliche Reaktion auf ihre Nähe versuchte ich bei unserem gemeinsamen Aufwachen gar nicht erst zu verbergen. Ich stand dazu, dass ich

gern mit ihr geschlafen hätte. Als Amelie meinen deutlichen Wunsch spürte, schaute sie mich schuldbewusst lächelnd an. „Du hättest Dir das hier nicht antun müssen.“ „Ich habe mir nichts angetan, im Gegenteil. Das war die allerbeste Nacht meines Lebens“, erklärte ich ihr wahrheitsgemäß. „Und ich habe seit Jahren nicht so gut geschlafen, wie in dieser Nacht.“ Zärtlich streichelte sie mir über die Brust, zog ihre Hand jedoch augenblicklich zurück, als ich mit einem Seufzen darauf reagierte. So konnte das nicht weitergehen. Mit einem Schwung warf ich die Decke von uns, setzte mich

abrupt auf ihre Oberschenkel, hielt mit einer Hand ihre Hände über den Kopf und begann sie, mit der anderen auszukitzeln. „Du kleines Biest, Du hast wohl vor mich zu quälen, was?“ Sie war verloren und mir hoffnungslos unterlegen. Wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelte sie unter mir, chancenlos, sich befreien zu können. Ungehalten kicherte sie, versuchte sich zu wehren, bis sie kampflos aufgab und sich in die Kissen zurückfallen ließ. Was für ein traumhafter Anblick. Rote Wangen, glänzende Augen und ein viel zu schneller Atem. Ich dachte schon wieder an Sex und kam mir langsam wie ein Monster vor, welches nur das eine im

Kopf hatte. Ich liebte die Momente, wenn wir es schafften, Josef zu vergessen. Ich liebte Amelie. Es waren wunderschöne vier Tage, in denen wir viel Zeit mit ihrem Dad verbrachten, unsere Zweisamkeit genossen und vor allem von einer glücklichen, wenn auch hoffnungslosen Zukunft träumten. Wir fühlten uns sicher, weil wir davon ausgingen, sicher zu sein. © Memory

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Meistens bin ich ruhig.
Im wahren Leben habe ich einen Mann, zwei Töchter, eine Hand voll Enkelkinder, zwei Katzen und alle zusammen leben wir im Süden Deutschlands.
Wenn ich nicht schreibe, fotografiere ich, denn Fotos sind für mich auch kleine Geschichten - wenn man sie lesen kann.
Ansonsten bin ich optimistisch, (fast) immer gut drauf und stehe mit beiden Beinen fest im Leben.
Ergänzung:
Das wahre Leben gibt es nicht mehr. Ich musste meinen Mann, meine große Liebe, ziehen lassen. Seit dem steht die Welt still.

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KaraList Der letzte Satz lässt Böses ahnen ... ich bin gespannt.
Ich finde das Kapitel auch nicht "dünn". Dafür gibt´s ***** weil mein Portemonnaie leer ist. Ich war wieder gern dabei!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Dankeschön, liebe Kara, für dein "Urteil".
Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass du mit deine Ahnung ziemlich richtig liegst.
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Wolkenstill Keineswegs "dünn "
Nur das Ende etwas zu... Unterbrechend :-)

Du ziehst den Leser mit... Super

Liebste Grüße
Wolkenstill
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Unterbrechend also ... :)
Dünn oder nicht dünn, du kennst es selbst sicher auch. Es gibt immer eigene Texte die einen selbst weniger begeistern und andere mehr. Das hier ist nicht mein liebstes Kapitel gewesen aber es gehört dazu.
Auch hier vielen Dank für alles und liebste Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Sehr gern gelesen! Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Danke, liebe Loraine, das freut mich sehr.
Liebe Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Du schreibst einfach so leicht, wunderschön und sehr fesselnd!
liebste Grüße
deine fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Da suchst du dir gerade das Kapitel raus, das ich selbst am "dünnsten" finde... :)
Aber totzdem vielen Dank fürs Lesen und den Favo, ich freu mich, dass du hier warst.
Gute Nacht, liebste Nachtblume und lieben Gruß
deine Sabine
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