Freundin
Sie antwortete mir nicht. Sie tat so, als hätte sie mich nicht gehört, als gäbe es mich nicht. Sie stand einfach da und wartete bis meine Feindin näher kam. Beide begrüßten sich, sie lachten. Traurig und die bittere Enttäuschung auf der Zunge schmeckend trottete ich mit gesenktem Kopf hinter ihnen her. Es war nicht das erste Mal, dass sie mich so behandelte. Schon seit ein paar Wochen lief es immer nach dem selben Schema ab. Hin-her, hin-her. Ich konnte mir eigentlich nichts mehr einbilden, ich durfte es nicht zulassen, doch wir haben
gelacht. Nicht sie haben gelacht, nein, wir und wir waren wieder die alten BFFs, unzertrennlich. Doch waren wir es wirklich wieder, oder hatte ich mir auch das nur eingebildet? Doch gerade waren wir es nicht mehr, das war sicher. Und ich ärgerte mich. Die Enttäuschung sickerte durch mich, quetschte meine Knochen und krümmte sie. Sie schmeckte bitter, schrecklich bitter. Doch wem galt die Enttäuschung mir oder ihr? Ich durfte mich nicht manipulieren lassen und sie galt ganz sicher uns beiden. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie sah, wie weh mir ihr Verhalten tat. Ich wollte nicht noch mehr verspottet werden. Nicht von ihr und ich
wollte auch nicht vor den Anderen, wie eine klettende Außenseiterin dastehen. Es reichte doch, wenn ich mich schon wie eine fühlte. Ich versuchte meine Schultern wieder zu senken und den Kopf zu heben. Ich musste jetzt stark und selbstbewusst sein. Ich musste ihr zeigen, dass ich nicht von ihr abhängig war, oder? Hatte ich nicht ohnehin nur drei Varianten? Ich hatte doch immer noch die Wahl ihr zu sagen, wie ich mich fühlte. Vielleicht war ich ja im Unrecht, oder sie hatte unsere Trennung gar nicht wahr genommen. Ich hatte auch noch die Chance einfach nichts zu sagen. Sie ab jetzt zu ignorieren, wie sie es mir antat und sie auch nicht wieder mit
offenen Armen zu empfangen. Ich meine, wer bin ich denn, dass sie mich umarmt und als Freundin zählt, wenn die Andere nicht da ist und kaum ist sie wieder zur Stelle werde ich Ruck-Zuck ersetzt und wie Luft behandelt. Nein, wie Matsch. Stinkend und einsam, einfach nur eklig, hallo? Ich konnte den Verlust meiner alten Freundin mit Hilfe Anderer überwinden und sie vergessen. Vielleicht war das das Beste. Als Dritte Variante bleib mir dann noch die derzeitige Realität. Ich konnte im Stillen vor mich hin schluchzen, heulen, mich hin und her wälzen. Ich konnte ihnen mit gekrümmten Knochen folgen und mich von meiner Familie betrauern lassen.
Doch ich weiß, das ist armselig. Also war damit schon eine Variante ausgeschlossen. Ich wusste, dass das nur vernünftig war. Es wäre zwar die mit Abstand einfachste Variante. Doch ich war kein Haufe Scheiße und warum sollte ich mich wie einer behandeln lassen? Drauf hatte ich einfach keinen Bock mehr. Ich hatte die Nase voll, gestrichen voll. Ich konnte mit ihr sprechen oder sie eben auch verlassen. Eigentlich wollte ich meine alte BFF nicht verlieren, doch mein Gefühl sagt mir schon so lange, dass ich das eh längst habe, doch ich wollte auch nicht, dass sie aus Mitleid oder Schuldgefühlen wieder in Anwesenheit von ihr mit mir
sprach, oder sich mit mir traf. Nein, ich wollte, dass sie mich so mochte, wie ich war, wie ich bin und, dass sie selbst merkte, wie sie mir zusetzte. Ich wollte nicht mit ihr sprechen. Dann würde ich mir nur noch mehr wie die armselige Außenseiterin vorkommen. Wenn ihr unsere Freundschaft doch noch irgendwie wichtig war, dann musste sie auf mich zukommen, nicht ich auf sie. Und wenn sie wirklich nicht merkte, wie ich mich fühlte, war sie dann eine Freundin? Oder war sie ganz einfach nur eine miese… Ich kannte die Antwort ganz genau, wollte sie aber nicht wahr haben. Aber ich wusste auch, wie schwer es mir fallen würde, sie hinter mir zulassen.
Wir hatten zusammen schon so viel gelacht und Scheiße gebaut. Wir waren schon so lange befreundet und das konnte nicht so schnell enden. Die eine Möglichkeit, dass sie es merkte, bestand ja noch. Doch ich kenne längst die Wahrheit. Ich bin nicht dumm, auch wenn sie mich vielleicht für das hält.
In den alten Fotoalben fast auf jedem Bild zusammen. Verkleidet in pinken Prinzessinkleidern, mit kleinen Kronen auf dem Kopf und Flügeln. Wir können abheben, wenn wir es nur wollen. Im Kindergarten, mit dem Regenschirm in der einen Hand und mit der anderen Hand ihre umklammert. Wir springen
von dem großen Holzpferd und…wir schweben, in unserer Welt. Ich kann mich an so vieles noch erinnern. Der Rauswurf aus dem Kindergarten, unsere Schultüten, beide die Selben blauen Augen und blonde Haare. Ein Traumpaar? Unser Lied. Die glücklichen Gesichter und Augen. Die Bilder sind fast genau so schön, wie die Erinnerungen. Was hatten wir nicht alles zusammen erlebt. Ich denke zurück und muss unwillkürlich grinsen. Die Erinnerungen sind noch so scharf, als wäre es erst gestern gewesen. Verrückt. Wir sind noch so jung und am Strand. Ihr Vater Surfer und uns bleibt ein ganzes Wochenende dort, direkt am
Wasser. Die Marinkäferplage und die geriffelten Pommes mit Ketchup. Es regnet. Ein Sonnentanz, wildes Gehampel am Strand und wir sind einfach nur so glücklich und krümmen uns vor Lachen. Es ist unsere Zeit und wir leben sie so weit es nur geht aus. So viele Höhepunkte und jetzt kommen halt all die Tiefpunkte. Doch wir hatten diese schöne Zeit und die ist jetzt vorbei. Wir sind beide älter und haben uns verändert, neue Freunde gesucht, nicht mehr auf der selben Schule. Ich weiß, ich muss Abschied nehmen und die schönen Erinnerungen und Bilder in meinem Kopf festhalten, nicht die letzten Treffen. Und wenn ich mich dann
erinnere, bin ich nicht mehr traurig, sondern glücklich. Ich hatte Glück, so eine Freundin lange zu haben. So viel erlebt… Was das Richtige ist, habe ich längst begriffen, trotzdem will ich Rache. Ich habe sie zwar schon hinter mir gelassen, aber blöd bin ich nicht und auch wenn es bescheuert klingt. Ich will noch einen letzten Triumpf, nach all diesen Zurückweisungen. Ich habe es satt. Im selben Zimmer abends im Bett sie lachen zusammen und essen Muffins. Werde ich beachtet, geht jemand einmal auf mich ein? Keine Chance ich bin einfach nur da und wieder nicht da. Ja, Freundin ich habe dich auch dolle lieb. Ich will, dass
du dich einen ganz kurzen Moment, das reicht mir schon, genauso Scheiße fühlst, wie ich die ganze Zeit. Ich bin so angekotzt >> Ich will es dir nur sagen, ich brauche keine Antwort und will es einfach nur los werden. Wir werden uns bald nie wieder sehen und das will ich auch nicht mehr. Du hast dich mir gegenüber so scheiße und daneben benommen, dass du mir jetzt auch egal bist und ich möchte nur, dass du es weißt, falls du es nicht mitgekriegt hast…<< Sie ist ganz gelassen >> Ja, ich weiß. Meine Mutter hat es mir erzählt. << >> Schön und? << >> Ja, tut mir leid, aber…<<
>> Du weißt schon, dass du mich permanent ignoriert hast und mir nicht eines Blickes gewürdigt hast, wenn sie da war und wenn sie mal wieder geschwänzt hat kommst du zurück, ja? << >> Aber…<< >> Ich habe doch gesagt, ich brauche keine Antwort, vor Allem nicht so eine Beschissene. Tschüss, ein Hoch aufs nimmer Wiedersehen! <<
Ich weiß, ich habe nicht erwachsen gehandelt. Aber wozu immer einen auf Erwachsen tun, wenn man es doch noch gar nicht ist? Und auch wenn man es ist, kann man nicht einmal seinem Herzen
trauen und folgen? Manchmal sind die Entscheidungen richtig, manchmal falsch. Doch immer hat man das getan, was man wirklich möchte und nicht was der logische Verstand für am Wertvollsten hält. Vielleicht bereut man Entscheidungen die man aus dem Kopf heraus trifft, doch die Entscheidungen, die einen immer befriedigen und als das Richtige erscheinen, bestimmen immer das Herz.Egal, wie man handelt, es ist für einen das Richtige. Vielleicht nicht das Klügste, aber das Beste.