Anmerkungen
Dies ist eine Sammlung von Texten, inspiriert durch Shakespeares Macbeth. Es ist keine Prosanacherzählung, sondern ich versuche, die einzelnen Akte bzw. Teilaspekte von ihnen vor meinem geistigen Auge erstehen zu lassen und ich gestatte meinen Gedanken darüber hinauszugehen. Ich weiß jetzt noch nicht, was im Einzelnen dabei entstehen wird. Die Texte hängen nicht zusammen. Dies ist keine mehrteilige Erzählung. Für mich geht es dabei um die Entwicklung einzelner und unterschiedlicher Ideen. Selbstverständlich sind ab und zu Zusammenhänge möglich. Diese (die Zusammenhänge) ergeben sich gegebenenfalls beim Lesen der unterschiedlichen Texte, ohne das ich darauf hinweisen werde.
Ich folge dabei der deutschen Übersetzung von Thomas Brasch (Shakespeare, William; Macbeth; Aus dem Englischen von Thomas Brasch; Insel-Verlag; Frankfurt a.M./Leipzig 1992/ND 2015), was daran liegt, dass ich des frühneuzeitlichen Englisch des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts nicht mächtig genug bin, wie es zum Verständnis des Originals nötig wäre. Ich wäre also auf eine Übertragung ins zeitgemäße Englisch angewiesen und denke, dass es dann keinen großen Unterschied macht, dass ich gleich die deutsche Übertragung verwende.
Zitate sind durch Kursivschrift mit einem* gekennzeichnet und werden jeweils noch genau verortet.
1. Akt, 1. Szene
Zusammenfassung:
Drei Hexen treffen sich auf einer Ebene und besprechen verschlüsselt und in diebischer Vorfreude ihr künftiges Vorgehen. Es blitzt und donnert.
Trügt das Auge?
Ich bin das Auge der Wahrheit und fliege mit dem Wind (dem treulosen Gesellen). Ich komme aus dem Norden und dem Süden, dem Osten und dem Westen. Ich bestehe vor meines Geistes Gesetz. Ich weiß, was ist.
Es war kurz vor der Abenddämmerung. Die Winde fielen von den Bergen herab in die Täler und Ebenen, streiften die Wipfel der Bäume, kräuselten die Wasser auf den Seen, Flüssen und Bächen, heulten, ließen Äste, Blätter und Farne erzittern und zwangen sie, in ihr Lied einzustimmen. Mit den letzten Strahlen wollte die Sonne das Land erreichen, ein hilf- und kraftloser Versuch, sich dem Kommenden in den Weg zu stellen. Lachend schwang die Nacht sich zum Herrscher auf, glaubte, sie hätte den Tag gemordet und besiegt. Denn dieses Mal schien sie noch schwärzer, so als habe die Finsternis
die Welt in einen Topf voll Pech gestaucht. Die Jäger, deren Zeit gekommen war, nun wie jede Nacht loszuziehen, blieben daheim, verkrochen sich in ihren Löchern, verteidigten ihren Bau gegen jeden Eindringling, ganz gleich, ob da einer war, oder nicht. Das Getier, welches es liebt, sich am Tage in der Erde zu verstecken, grub sich noch tiefer ein. Nur der Mensch schlief tief und fest, so wie er es immer tut.
Dunst sammelte sich über allen Wassern, bewegte sich aber nicht, sondern blieb, wo er war. Die undurchsichtigen Heere sammelten sich, bis sie zu Nebeln gewachsen waren, so dick wie vergorene Milch, stinkend wie der Unrat von Tausenden. Dann machten sie sich auf. Wehte der Wind von Ost, krochen die Nebel dorthin, kam er von West, wollten sie in jene Richtung. Und ging gar kein Wind, taten sie, was immer sie wollten. Die Nebelheere waren auf dem Weg. In breiten Kolonnen zogen sie über das Land, ließen nur die Bergspitzen
unbedeckt, wohl der Orientierung Willen, aber wer vermag das schon zu sagen. Und doch mieden sie die großen Straßen und Städte, jene Orte, wo man zusammenkommt, singt und lacht. Doch spielte das in jener Nacht, damals, als alles Unglück seinen Anfang nahm, keine Rolle. Denn der Mensch schlief tief und fest, so wir er es immer tut.
Fast alle Nebelkrieger strebten einer Ebene zu. Wo diese lag oder liegt, vermag heute niemand mehr zu sagen und selbst wenn es einer wüsste, Mann oder Weib, Greis oder Kind, Herr oder Knecht, er würde es nicht über sich bringen, zu sagen, was er weiß. Denn weitere Nebel zogen durch das ganze Land, ihre und die Herrschaft ihrer Brüder und Schwestern zu behüten und es heißt, sie tun es zuweilen noch heute. Nur drei Gestalten kümmerte das wenig. Sie machten sich auf den Weg und es wird erzählt, sie kamen aus den Bergen. Andere sahen sie aus dem Meere steigen und mancher meinte, ihre
Behausungen fänden sich auf dem flachen Land. Donner und Blitz brachten sie mit sich, spalteten mit der Himmelsgewalt so manchen Baum, oder ließen sich durch den dumpfen Himmelstrommler den Weg frei machen. Eisige Regenschauer verhüllten das Antlitz der Drei. Aber ein Reiter, den die Nacht überraschte, weil er eine dringende Nachricht zu überbringen hatte, schwor, sie befahlen die Nebelkrieger. Doch jener starb kurz darauf, geschüttelt von Angst und Wahnsinn, ohne dass ihm jemand Glauben schenkte. Und der Mensch schlief tief und fest, so wie er es immer tut.
Die Drei erreichten die Ebene. Die Nebel machten artig Platz und gaben den Blick frei auf einen dunklen Himmel. Nicht ein Stern leuchtete am Firmament. Selbst der Mond, der in der Nacht zuvor noch liebevoll sein Licht zur Erde gesandt hatte, auf dass die Verirrten den Weg Heim fänden, war verschwunden. Worte wurden gesprochen und die Nebel wichen.
Donner und Blitz waren nun auf Wacht und hätten jeden, wenn er sich dorthin wagte, gleich ob Mensch oder Tier, sie hätten ihn mit einem lauten Schlag aufgefordert zu gehen, oder jeden, der das nicht verstand, mit leuchtender Kraft erschlagen. Dabei waren diese Wachtposten pflichtvergessen und faul (und hielten sich selbst doch für besonders fein) und da waren Lücken so groß wie die Tore der Feste von Forres mit genug Platz für das Flussbett des Findhorn. Ein Schleicher hätte sie gefunden und hätte die Worte gehört, welche die Drei sich zuriefen. Wenn Irrewirre ist vollbracht*. Doch hätte er die Bedeutung verstanden? Denn der Mensch schlief tief und fest, so wir er es immer tut.
Anmerkungen:
Wenn Irrewirre ist vollbracht* (1.Akt, 1. Szene; S.9)
aus: Shakespeare, William; Macbeth; Aus dem Englischen von Thomas Brasch; Insel-Verlag; Frankfurt a.M./Leipzig 1992/ND 2015