Vorbemerkung
Als Beispiel für katastrophales Projektmanagement ist das sogenannte Vasa-Syndrom bekannt.
Mich ärgert die totale Unfähigkeit von Politikern, die offensichtlich von der speziellen Materie keine Ahnung haben, sich wichtig tun und unendlich Steuergelder verprassen.
(Der Berliner Großflughafen, Elbphilharmonie, Stuttgart 21).
Ach, was bin ich froh, dass es solche Hirnlosigkeit und Großmannssucht schon früher gab.
Nun kann man die Geschichte und das
Unglück der Vasa durchaus googeln, aber hier kommt meine vielleicht etwas unterhaltsamere Beschreibung.
Die Personen und Daten entsprechen den historischen Fakten.
(wegen vieler neuer Abonnenten eingestellt: 08,03.2019)
Copyright: G.v. Tetzeli
Cover: G.v. Tetzeli
Vasa
Auf dem Söller der königlichen Burg Tre Kronor stand Klaas Flemming.
Er war der Vizeadmiral der Schwedischen Marine und man schrieb das Jahr 1628. Er hätte einen herrlichen Blick auf das Hinterland der Insel Gamla Stan werfen können, aber vor
allem das riesige Schiff am Kai erregte Freude bei Klaas. Neben ihm funkelten die Augen von Kapitän Söfring Hansson, einem erfahrenen Seebär. Was würde er für eine Ehre haben das gewaltige Schiff auf seiner Jungfernfahrt zu befehligen. Beide sahen sich glücklich an und nickten.
Das gewaltigste Kriegsschiff, das Schweden je gesehen hatte, war nach 3 Jähriger Bauzeit am Kai gefiert.
Vasa hieß es nach dem Adelsgeschlecht des Königs. Es war der berühmte Schwedenkönig Gustav Adolf persönlich gewesen, der dieses Prunkstück in Auftrag gegeben hatte.
Zu den beiden Glücklichen gesellte sich nun der Generalfeldzeugmeister Eric Jönsson. Er trat zwischen sie.
„Na“, fragte er schmunzelnd, „ist sie nicht eine Augenweide?“
(So hätte es sein können)
„Wohl, wohl“, bestätigte Kapitän Hansson. „Martin Redtmer, der Bildhauer, hat wundervolle Arbeit geleistet.“ Söfring Hansson wies auf die über 500 kunstvollen Figuren am
Heck.
(Rekonstruktion der Figuren und Farben nach neuesten Erkenntnissen)
Der Vizeadmiral knirschte.
„Er wurde ja wohl auch fürstlich bezahlt, obwohl er Deutscher ist. Admiralitätsgehalt wohlgemerkt, ohne dass er überhaupt zur See gefahren ist!“
„Wie dem auch sei“, Eric Jönsson stellte sich gerade, „wir sollten mit dem Test anfangen.“
Er machte ein Zeichen hinunter zum Deck. Dort stand Hein Jacobsson. Zusammen mit seinem Bruder zeichnete er sich für die Fertigstellung der Vasa verantwortlich. Eigentlich war der Schiffsbaumeister, ihr Vater, der berühmte Henrik Hybertsson der Konstrukteur gewesen, aber Henrik war bereits 1627 verstorben.
Hein Jacobsson verstand den Wink. Nun
brüllte er Kommandos.
Die Vertäuung wurde gelöst. Mehr geschah aber nicht. Wieder brüllte Jacobsson. Nun rannten 30 vollgerüstete Soldaten von Back- nach Steuerbord und wieder zurück. Nach kurzer Pause, als das Schiff sich etwas neigte, erfolgte die Prozedur erneut.
Diesmal aber, da neigte sich die schwerfällige Vasa richtig.
Oben am Söller waren die drei Herren mit Leichenblässe überzogen, als sie sahen, wie sehr die Vasa kränkte.
„Um Gottes Willen! Aufhören!“
Der Vizeadmiral schrie, wie wenn es um sein Leben ginge. Es dauerte eine Weile, bis sich die Vasa wieder von ihrem Taumeln erholt hatte.
"Abbrechen", signalisierte der zitternde Klaas Flemming.
Die Herren trafen sich am Abend wieder im Burgsaal. Die Luft wabberte vor Anspannung. Die Augen des Vizeadmirals, des Generalfeldzeugmeisters und des Kapitäns waren auf einen sichtlich zerknirschten Schiffsbauer Hein Jacobsson gerichtet.
"Was war los?"
Der Schiffsbauer zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Mein Vater hat die üblichen Maße zugrunde gelegt, dann einfach hoch gerechnet.
Ihr wisst, dass ein Kriegsschiff von
67 Meter Länge und 11,7 Meter Breite noch nie zuvor in Auftrag gegeben wurde. 1000 ausgesuchte Eichenbäume wurden verbaut.
Aber das reichte noch nicht! Unser geliebter König Gustav Adolf kam andauernd mit Sonderwünschen daher. Ein weiteres Kanonendeck sollte mein Vater einbauen. Man stelle sich vor: 64 Kanonen, 32 auf jeder Seite. Und diese Kanonen sollten vor allem superschwere 24 Pfünder sein. Die können 11,2 Kg schwere Kanonenkugeln auf die Reise schicken. Soviel hat die ganze Armada Polens nicht an Feuerkraft. Was sollte unser Vater tun, noch dazu als Holländer? Er fügte sich, obwohl man dadurch mit Statik und Proportionen völliges Neuland betreten würde. Er war verzweifelt, wie ich weiß. Und dann kam der König noch mit seinen zusätzlichen Prunkaufbauten daher.
Hoch, höher sollten die Aufbauten sein. Das
musste zur Destabilibierung führen!"
Fast hätte Jacobsson zum Weinen angefangen.
Der Vizeadmiral fragte nach.
„Waren die schweren Kanonen auch ordentlich fest gezurrt, oder schlidderten sie vielleicht.“
Klaas Fleming erhoffte sich eine natürliche Erklärung.
„Alles war perfekt, ordnungsgemäß festgezurrt.“
Eric Jönsson hatte eine weitere Idee.
„Wie viel Ballast war gebunkert?“
„Rund einhundert Tonnen.“
Die Herren sahen sich an.
„Was sollen wir machen?“
„Wir legen noch 20 Tonnen Ballast zu, dann
hat sie einen tieferen Schwerpunkt.“
Danach vereinbarten sie Stillschweigen über die Angelegenheit. Es müsste schon irgendwie hinhauen.
Leider war der König Adolf dafür bekannt, dass er nicht gerade ausgeglichen reagierte, wenn etwas schief ging. Und so wollten die Herren eigentlich vor allem ihre eigene Haut retten.
Am 10 August 1628, so zwischen 16:00 und 17:00 Uhr legte die Vasa ab. An Bord war die Creme de la Creme der geladenen, schwedischen Hautevolee, samt Familienanhang. Hunderte Boote begleiteten das Superschiff auf den ersten Metern. Überall an den Ufern hatte sich die Bevölkerung
eingefunden und jubelte. Ganz Stockholm war auf den Beinen. Gerade am späteren Nachmittag stand die Sonne so, dass das Monster wunderbar zur Geltung kam.
Kapitän Söfring Hansson hatte nun 120 Tonnen Ballast bunkern lassen, so dass die Vasa bedenklich tief im Wasser lag. Die unteren Kanonenpforten befanden sich jetzt nur zwei Meter über der Wasserlinie.
Die Vasa hatte noch keine nennenswerte Zuladung, auch war man von den angestrebten 427 Mann Gesamtbesatzung (mit 300 Soldaten) weit entfernt. Sie war leicht und noch nicht vollständig getakelt.
Kapitän Hansson ließ Segel setzen und er war sehr vorsichtig. Nur 4 der 10 Segel des
Dreimasters ließ er in den Wind fieren. Die mannigfachen Wimpel gaben eine gute und bunte Vorstellung.
Noch war die Vasa von Böen verschont, weil die Berge der Landzunge die Winde bremste. Auffallend war die Trägheit, mit der die Vasa langsam vorwärts schlich. Für die ersten tausend Meter brauchte die Vasa fast eine Stunde. Anfangs wurde sie mit Muskelkraft vom Pier weggezogen.
125 Matrosen und die vornehme Gesellschaft, die an Bord live dabei waren, bekamen aber schon jetzt einige Schwankungen mit. Nach weiteren 15 Minuten Fahrt und rund 1300 Meter zurückgelegter Strecke, da geschah es. Eine Briese erfasste den Koloss und prompt neigte sich die Vasa verhängnisvoll. Dadurch,
dass sie so tief lag, drang Wasser in die unteren Kanonenluken und das Schiff kippte zur Seite. Das Wasser drang ungehindert in den Schiffsrumpf ein. Innerhalb von Minuten war die Vasa gesunken.
Von den rund 150 Mann an Bord, darunter auch Frauen und Kinder, kamen nur 50 ums Leben, weil schnell genügend Boote zur Stelle waren, um die Schiffsbrüchigen zu retten.
Peinlich, peinlich!
Vor der gesamten Bevölkerung spielte sich das Drama ab. Die Schweden sahen, wie ein Kriegsgerät im ungeheuren Wert von 100.000 schwedischen Reichstalern einfach in den Fluten verschwand. (ca. 1 Million Euro, wobei man bedenken muss, dass dies praktisch der gesamte Staatshaushalt eines Jahres war).
(Vasa Museum - Schweden)
[Die Vasa scheint abermals in Gefahr. Obwohl man nach der Bergung 1959 das Holz in Lauge gelegt hatte, zerfällt die Vasa unaufhörlich]
(1. urspr. Werft; 2. Tre Kronor; 3.Gesunken)
Wie König Gustav Adolf reagierte, als er von der Tragödie erfuhr, ist nicht genau überliefert. Dass er einen Tobsuchtsanfall bekommen
hatte, dürfte aber ziemlich gewiss gewesen sein. Trotzdem wurde niemand einen Kopf kürzer gemacht.
Schließlich wurde eine Kommission unter dem sehr erfahrenen, angesehenen Admiral Karl Gyllenhielm einberufen.
Dass der Vizeadmiral Klaas Flemming den verpatzten Elchtest hätte melden müssen, wurde unter den Tisch gekehrt.
Ein eindeutig Schuldiger für die Katastrophe wurde nicht heraus gefunden.
Wäre ja auch sehr blöde gewesen. Der Gesamtverantwortliche für den Bau der Vasa war nämlich eigentlich der König selbst.
Und wie wir wissen, können Könige und
politisch Verantwortliche nie schuldig sein.