Gnade
Es war die richtige Entscheidung gewesen das Mädchen zu erschießen – oder besser die leere Hülle besudelt mit Blut und Dreck, die von ihr übrig geblieben war – das stand außer Frage. Trotzdem fühlte er sich nicht besser, verhinderte es nicht diesen Schmerz in seiner Magengrube oder die Last, die sich ihm jetzt so schwer auf die Schultern legte, das er kaum atmen konnte. Er hatte sie getötet, ein Leben beendet, daran gab es nichts zu beschönigen, keine Ausreden in die er sich flüchten konnte, um sein Gewissen zu beruhigen.
Doch es war keine Schuld, die er fühlte, als er
die Treppen zurück zum Erdgeschoss hinauf lief, sondern Erleichterung. Erleichterung darüber, dass er das Leiden dieses armen Mädchens hatte beenden können, das es er und nicht einer der Anderen den Abzug hatte betätigen müssen, die anderen, die einfach nicht so kalt und herzlos wie er waren und sich für diese Tat hätten jemals verzeihen können.
Oben angekommen verriegelte er die Tür zum Keller und vergrub den Schlüssel unter einem blühenden Strauch im Garten. Mehr konnte er nicht mehr für sie tun.
TAG 99, 8.August 2016