Der Hexenflugwettbewerb
Es war wieder einmal so weit. Es war Oktober und wie jedes Jahr im Oktober bekam jede Hexe auf der Erde eine Einladung zum großen Besenflugwettbewerb. Hierfür gab es wie bei jedem Wettbewerb und bei den Hexen ohnehin strenge Regeln. Schummeln durch Anwendung von Magie führte ebenso zum sofortigen Ausschluss und Disqualifikation und das nicht nur für das laufende Jahr, nein, die Disqualifikation galt dann für die nächsten 666 Jahre.
Normalerweise tat keine Hexe etwas Böses, daher war es auch den meisten völlig fremd
bei einem Wettbewerb zu mogeln, oder irgendwelche Besen der Mitbewerber zu sabotieren.
Leider gab es aber auch Ausnahmen. Jedes Jahr versuchte auch Svenja wieder teilzunehmen, und das obwohl sie schon längst ihre Disqualifikation erhalten hatte. Allerdings konnte Svenja besonders gut sich selbst verhexen und sich damit verändern und so fiel es meistens erst recht spät auf, dass sie wieder dabei war.
Vor 13 Jahren war es ihr sogar einmal gelungen bis zum Schluss des Wettbewerbs unentdeckt zu bleiben. Was war das für ein Theater als ihr Zauberspruch genau in dem
Moment die Wirkung verlor als sie auf dem Siegertreppchen stand und ihren Pokal entgegennehmen wollte.
Dieses Jahr hatte sich Olga sehr gut vorbereitet. Sie hatte sich extra einen der neuen Besen gekauft, die sich selbst reparierten, wenn mal eine Borste herausbrach. Normalerweise beeinflusste so eine fehlende Borste die Flugeigenschaften sehr negativ. Olga hatte auch extra bei der Wettbewerbsleitung gefragt, ob sie vielleicht auch einen Schrubber oder gar einen Staubsauger als Fluggerät verwenden dürfte. Das wurde jedoch von den Schiedshexen
und den Organisier-Hexen eindeutig abgelehnt.
Olga bereitete sich dieses Jahr besonders gut auf den Wettbewerb vor. Jeden Abend flog sie mit ihrem neuen Besen durch die gesamte Nachbarschaft. Die Menschen wunderten sich wieso in der letzten Zeit so viele Halluzinationen hatten. Da sie davon ausgingen dass es sich dabei um eine ansteckende Krankheit handelte, vermutlich verursacht durch irgendein neuartiges Virus wurde jeder, der eine fliegende Hexe auf einem Besen sah sofort ins Krankenhaus gebracht.
Nach einigen Wochen war es dann soweit und Olga packte ihre Sachen. Glücklicherweise war sie eine Hexe und konnte ihr ganzes Gepäck auf eine Minimalgröße schrumpfen. Schließlich war auch bestimmte Kleidung für das Besenwettfliegen vorgeschrieben. Jede Hexe, die an dem Wettbewerb teilnahm hatte sich die Haare schwarz zu färben (was bei den meisten kein Problem war, da die meisten Hexen ohnehin schwarze Haare hatten) und ein schwarzes Kleid war ebenso Pflicht.
Olga flog frühzeitig los, da sie die Erste am Veranstaltungsort sein wollte. Wie jedes Jahr
fand auch dieses Jahr das Hexenwettfliegen wieder direkt hinter dem Mond gleich links statt.
Als Olga angekommen war, checkte sie bei den Hexen der Organisation ein, die erst einmal ihren Pass und ihre Besenflugerlaubnis überprüften. Olga hatte jedes Jahr ein bisschen Angst, denn es war nicht gern gesehen, wenn man als Hexe in Flennenturm schon Punkte wegen verkehrswidrigem Fliegen eingeflogen hatte.
Doch solange es noch keine 8 Punkte waren, konnte sie ihre Besenflugtauglichkeitsbescheinigung
behalten und auch am Wettbewerb teilnehmen.
Nach und nach trafen jetzt auch die anderen Hexen ein. Die meisten kannte Olga, schließlich kam sie schon seit vielen hundert Jahren hierher und nahm immer wieder an diesem Wettbewerb teil. Allerdings waren auch dieses Jahr wieder einige Junghexen dabei, von denen einige sogar gerade erst 100 Jahre jung waren. Und das Mindestalter zur Teilnahme am Besenflugwettbewerb lag bei 100 Jahren.
Olga verstand es ja irgendwie, dass diese mehr kicherten, als dass sie sich auf den Wettbewerb vorbereiteten, schließlich war
auch sie einmal jung gewesen, andererseits ging ihr das Geschnatter auch mächtig auf die Nerven. Einen Zauber anwenden konnte sie aber nicht, denn wenn das eine der Hexen des Organisationsteams mitbekommen hätte, dann wäre sie auf der Stelle disqualifiziert worden. Denn solange der Wettbewerb lief war jegliches Benutzen von Magie strengstens verboten.
Da kam auch schon die Durchsage:
„Liebe Hexen, wie jedes Jahr begrüße ich Euch zum großen Hexenbesenwettfliegen. Um sicher zu gehen, dass alle die Regeln verstanden haben hier sind sie nochmal
Teilnahme nur für Hexen mit gültiger Besenflugtauglichkeitsbescheinigung und
einem eigenen Besen erlaubt.
Wer Magie benutzt, um sich einen Sieg zu erschleichen. wird für die nächsten 666 Jahre disqualifiziert.
Sollte eine Hexe versuchen hier mitzumischen, obwohl sie bereits disqualifiziert ist, so wird es ab diesem Jahr eine verschärfte Strafe hierfür geben. Diese Hexen werden in einen Frosch verwandelt und müssen ihr Leben in einem Brunnen vor einem Schloss verbringen, es sei denn sie werden von einem Prinzen gegen eine Wand geworfen.
Und jetzt geht es los. Alle Hexen bitte am Start aufstellen!“
Alle 66 Hexen, die an diesem Wettbewerb teilnahmen, stellten sich auf und dort erklärte die Oberhexe des Organisationskomitees nochmals, dass es nicht nur auf Schnelligkeit, sondern auch auf Geschicklichkeit ankam. Gewonnen habe die Hexe, die zum Schluss 6 Goldklumpen, die auf der Rennflugstrecke schwebten, am schnellsten eingesammelt hatte. Schnell war es geschehen, dass nur noch fünf Hexen um den Sieg kämpften, alle anderen Hexen waren so weit abgeschlagen, dass sie keine Chance mehr hatten.
Olga schaffte es die 6 Goldklumpen innerhalb
von weniger als 5 Minuten einzusammeln, was ihr eindeutig den ersten Platz einbrachte. Allerdings hatte sie auch eine Hexe gesehen, die verbotenerweise Magie benutzt hatte. Olga überlegte sich noch, ob sie es den Hexen sagen sollten, denn petzen war eigentlich nichts für eine Hexe. Andererseits sollte es aber auch bei diesen Wettbewerben ehrlich zugehen und so entschloss sich Olga ihre Beobachtung der Oberschiedshexe mitzuteilen, die daraufhin sofort die fragliche Hexe zu sich bestellte und untersuchte. Und schnell war klar, dass diese Hexe wirklich geschummelt hatte, denn bei jedem Benutzen von Magie erschien ein Leberfleck in Form eines Pentagramms auf dem Handrücken einer Hexe der erst nach
mehreren Tagen wieder verschwand.
Und bei dieser Hexe war das Pentagramm eindeutig zu erkennen. Daher sagte die Oberhexe:
„Ihr seid für die nächsten 666 Jahre disqualifiziert.“
Dummerweise ließ genau in diesem Moment der Zauber nach und die Oberschiedshexe erkannte, dass es sich bei dieser schummelnden Hexe um Svenja handelte. Da wurde die Oberschiedshexe so sauer, dass man es sogar bis auf die Erde spüren konnte. Und die Oberschiedshexe sorgte auf der Stelle dafür, dass Svenja in einen Frosch verwandelt wurde und nun bis ans Ende ihrer
Tage in einem dunklen Brunnen leben musste, es sei denn sie fand einen Prinzen, der sie erlöste. Sie versuchte es immer wieder ob es ihr nicht gelingen könnte, wie dem Frosch im Märchen des Froschkönigs, sich wieder zurückzuverwandeln, doch sie hatte leider kein Glück und musste bis an ihr Lebensende Frosch bleiben.
Olga wurde geehrt, dass sie diese Schummelei aufgedeckt hatte, und da sie auch noch den Flugwettbewerb gewonnen hatte, konnte sie sich auf einen Hexenurlaub der besonderen Art freuen. Sie durfte alle Hexen, die in den verschiedenen Märchen vorkamen, auch einmal spielen.
Olga wurde die glücklichste Hexe und dachte nur:
„Ehrlichkeit und gute Beobachtung lohnt sich eben doch!“