Ohne Hoffnung, kein Leben
Was bisher geschah:
Wohin Marina auch schaut, da sieht sie lauter Haare auf dem gelblichen Fliesenboden liegen. Eine freundliche Dame bat das Kind, dass sie sich gleich bei der Tür vom Salon, auf den Stuhl setzen solle. „Ich möchte das nicht Mami, ich will nach Hause!“ „Jetzt höre mir mal gut zu mein Fräulein, du tust gefälligst das machen, was ich dir sage. Also, setz dich auf diesen verdammten Stuhl da und ich möchte keinen Ton mehr von dir hören.“ Mit einem bitterbösen Blick schaut die Mutter ihre Tochter an und wandte sich anschließend wieder der Friseurin zu.
Schicksalsroman/ Thriller Teil 10
Dann hört sie noch wie die Mutter meint, „man ist das ein schwieriges Kind, nichts als Ärger habe ich mit der. Überlege schon, ob ich dieses Balg nicht in eines der Heime stecke. Weißt du noch wie wir in dem Zoo waren, vor eineinhalb Jahren?“
„O ja! Zu gut kann ich mich noch entsinnen, weil die Kleine gar fürchterlich gestunken hat. Du Deiner Tochter immer wieder gesagt hast, sie soll nicht so dicht an das Löwengehege gehen. Und dann war es geschehen, der Löwe hat sie an gepinkelt.“
Gar herzhaft, müssen beide Frauen darüber
lachen.
„Kannst dich noch daran erinnern, Regula, wie viel Platz wir in der Straßenbahn hatten?“
Und die Friseurin meint dazu; „Ja, Eli, und noch viele Tage danach mussten wir darüber lachen. Selbst noch nach einer Woche, haben die Haare von der Kleinen, gar fürchterlich gestunken. Schade war es nur um das rosa Kleidchen, denn das war ja hinüber.“
„Aber echt Regula, ich habe Tage lang daran gesessen, um das Kleid zu ändern. Ihre Schwester Inge, hätte das heute noch tragen können“. Endlich war Marina fertig und sitzt nun unter der Trockenhaube, denn mit nassen Haaren, konnte sie in der Kälte ja nicht hinaus gehen. Während beide Damen
sich noch immer intensiv unterhalten, merken sie auch nicht, dass die Trockenhaube viel zu heiß wird und Marina sich sehr verbrennt. Sie traut sich nicht darunter hervor zu kommen, so großist ihre Angst vor der Mutter, dass sie lieber die Verbrennung in Kauf nimmt. Als Regula es endlich bemerkt hat, das die Haube zu heiß wird, ist es schon zu spät. Eine große Brandblase hat sich vom Ohr her, bis zur rechten Schulter hinunter gebildet.
„Ach, lass nur Regula! Bis zu ihrer Hochzeit, da ist alles schon wieder vergessen.“
„Warte Eli, ich habe noch eine Brandsalbe da“, und schon verschwand sie in einem anderen Zimmer. Die Mutter zog der Tochter schon mal den Mantel an und weil ihr Kind leise, „Au“, sagt, meint sie nur kurz und
bündig, „Hab’ dich nicht so!“
Regula kommt zurück und bittet darum, die Wunde behandeln zu dürfen. Wie sie fertig ist, bindet die Mutter dem Kind ein Kopftuch um und schubst die Tochter zur Tür hinaus. Anschließend hält Regula die Tür auf, damit die Mutter mit dem Kinderwagen hinaus kann, aus dem Friseursalon. Nach einer ganzen Weile, da bleibt die Mutter erneut vor einem Laden stehen und bittet Marina darum, auf ihr Schwesterchen zu achten und mit niemanden Fremdes zu sprechen, oder an dem Kinderwagen zu lassen. Dann verschwindet sie hinter der dunklen Tür. Im Schaufenster sind sehr viele Puppenköpfe, mit kurzen und lockigen Haaren. „Werden hier nun auch meine Haare sein“, dachte sie
gerade, als die Mutter schon wieder aus dem Laden kommt. Verstohlen schaut Marina in das Gesicht ihrer Mutter und bemerkt, das es gar nicht so freundlich aussieht. Sie auch ständig, so hektisch auf ihre Armbanduhr schaut. Es wurde ja auch allmählich Zeit, denn ihre Schwester muss langsam das Fläschchen bekommen. Wie lange sie noch unterwegs waren, konnte das Kind nicht abschätzen. Aber als sie endlich zu Hause angekommen sind und Marinas Blick ganz zufällig in den großen Spiegel auf dem Flur fällt, sieht sie erst, wie kurz ihr Haar geschnitten wurde. Denn das Kind dort in dem Spiegel, nein, das ist nicht ihr gewohntes aussehen. Dann wurde sie auch noch von der Mutter in die Wohnstube
geschubst, damit der Vater seine Tochter in Augenschein nehmen konnte. Doch der Vater war total betrunken und schläft, tief und fest.
Ihre beiden Geschwister sitzen unter dem Tisch und spielen mit der kalten Asche aus dem Ofen, scheinen vergeblich eine Sandburg bauen zu wollen. Und beide Geschwister sehen aus, wie solche kleinen Ferkels, von oben bis unten mit Asche beschmiert. Marina konnte nicht mehr anders, sie tat ganz laut lachen, als sie so ihre Geschwister sieht. Was noch viel schöner ist, auch die Mutter lacht und drückt ihre beiden Kinder. Es ist unheimlich schön, dieses herzhafte lachen zu hören. All der ganze Kummer, all das ganze Leid, das eine
kleine Kinderseele bedrückte, scheint auf einmal vorbei zu sein. Vergessen für einen kleinen Augenblick, ist sogar der Schmerz über die abgeschnittenen Haare, doch leider nur bis zum Abend. Sehr oft wird Marina wach und immer wieder fällt ihr Name im Gespräch der Eltern. Auch das Wort, Heim, kann sie nun immer öfter hören.
„Was ist denn nur ein Heim?“, fragt sich Marina selber. „Warum soll ich fort gehen und wieso darf ich hier nicht zu Hause bleiben? War ich denn wirklich so böse zu meinen Eltern gewesen? Ich habe doch gar nichts gemacht.“ Müde geworden und sich schrecklich einsam und allein fühlend, geht Marina ins Bett. Macht die Augen zu und schläft dann sehr unruhig ein. Schreckliche
Alpträume quälten sie in der Nacht und lassen sie einfach nicht zur Ruhe kommen.
Da war eine riesengroße Frau mit langen roten Haaren und die wollte ständig das Marina in das Haus geht, welches wie ein Monster ausschaut. Es hat zwei große runde Fenster und die Tür, die sehr weit geöffnet ist, sieht aus wie der große Mund von einem Hund. Schweißgebadet wacht sie auf und hört, wie stark ihr Herz schlägt. Als ob es ihr jeden Augenblick aus dem Körper springen möchte. An der Zimmerdecke wandern zwei kleine Lichter, hin und her, was ihr auch noch mehr Angst bereitet. Hastig zieht sie ihre Bettdecke über den Kopf und fängt langsam wieder an, einzuschlafen. Am nächsten Morgen, noch ehe die Kinder aufgestanden
sind, klingelte es an der Wohnungstür.
„Diese Stimme, ich kenne diese Stimme doch!“
Sie hält für einen Augenblick den Atem an und lauscht den Stimmen. Es klang so geheimnisvoll, so beängstigend. Dann entdeckt sie die große Reisetasche, die ihr Vater immer mitgenommen hatte, wenn er zu seinem Schiff musste. „Papa muss ja auch wieder fort“, denkt Marina gerade, als die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet wurde.