Was bisher geschah:
Hans-Joachim Gote ist nach 20 Jahren in seinen Heimatort zurückgekehrt. Kurz darauf werden angesehene Bürger im Ort, der Geschäftsmann Jürgen Reeder und der Architekt Christian Meyer, tot aufgefunden. Die Polizei geht in beiden Fällen von Selbstmord aus. Gote lernt in einem Buchladen Anna Bäcker kennen und die beiden kommen sich näher. Erstaunlicherweise scheint das Ding in dem Holzkästchen, das Gote mitgebracht hat und welches so wertvoll zu sein scheint, dass es in einen Safe gehört, keinen Einfluss auf sie zu haben. Der Grund dafür ist, dass sie selbst eines besitzt, das aber schweigt. Die Gewalt nimmt kein Ende, als der stadtbekannte Landstreicher Hans Hasenscharte die Institution des Ortes, Leni Silberstein, angreift, die Mutter die ihn verstoßen hat. Schließlich stirbt mit Arndt Münzer noch ein dritter Mann.
"Everyone must bury their own"
Nightwish - The poet and the pendulum
Einige Sachen waren wie immer, andere waren anders. Das ein weiterer Anruf aus dem Nest am See hinter den Bergen das Präsidium Werrentheim erreichte, überraschte Polizeioberkommissar Alexander Böwes nicht. 'Aller schlechten Dinge sind drei', dachte er verbittert.
Irgendetwas ging dort vor und er fragte sich langsam, ob die Kriminalpolizei dafür der geeignete Ansprechpartner war. Er war davon überzeugt, dass die Fälle – nun hatten sie es mit dem dritten Toten zu tun – zusammenhingen, sah aber keine Verbindung. Nahm man den prügelnden Landstreicher noch
hinzu, konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Gewalt sich in dem Nest am See niedergelassen hatte. Vielleicht benötigten die Menschen dort eine Psychotherapeuten, einen Geisterheiler oder einen allwissenden Scharlatan.
Der erste Bericht passte. Es zeichnete sich das übliche Bild ab: Ein Mann, der auf skurrile Art und Weise zu Tode gekommen war. Böwes und Lisa-Maria Krahn warteten ein wenig, um der Spurensicherung die Möglichkeit zu geben, die ersten Ergebnisse zu sammeln. Mussten schnelle Entscheidungen vor Ort gefällt werden, war Hermann Felder, der Chef der Spurensicherung, ja vor Ort und würde sie auch sofort benachrichtigen. Erstaunlicherweise wollte Justus Töpfer, der Dritte in ihrem Team, sie begleiten. Er konnte kein Blut sehen und mied in der Regel Tatorte, doch dieses Mal war er fest entschlossen, auch wenn es ihm offensichtlich schwer fiel.
So fuhren Böwes, Krahn und Töpfer los. Wie üblich saß Lisa-Maria am Steuer. Das nächtliche Gewitter hatte die Luft gereinigt. Darum hatten sie die Fenster heruntergefahren. Der Fahrtwind war frisch und roch nach Frühling mitten im Sommer. Die Pflanzen schienen den kräftigen Guss genossen zu haben, denn ihr Grün wirkte lebendiger als in den Tagen zuvor. Aus den schattigen Ecken war der Morgentau noch nicht verschwunden. Außerdem war es nicht mehr so warm wie in den vergangenen Tagen. Böwes mochte das. Gutes Wetter sorgte bei den Menschen für jene fürchterlich gute Laune, die er hasste, weil er wusste, dass es dafür eigentlich keinen Grund gab. Wurden sie dann mit der Wirklichkeit konfrontiert, fielen sie um so tiefer, denn diese veränderte sich ja nicht, nur weil die Sonne schien. Im Sommer stieg die Anzahl der Gewaltverbrechen, davon war er nicht abzubringen.
Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto ruhiger
wurde Justus Töpfer. Immer tiefer vergrub er sich in die Rücksitze und starrte angestrengt aus dem Fenster, nahm aber nur vorbeifliegende Farben war. Böwes bemerkte das, wusste aber nicht, wie er dem Kollegen, den er sehr schätzte, helfen sollte. Also sagte er nichts. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, war Töpfer nur noch ein stummer Stein, der sich weigerte, das Auto zu verlassen. Also stiegen die beiden anderen alleine aus. Ein Mann der Spurensicherung, der sich auf der Straße gerade an einen großen Ausrüstungskoffer zu schaffen machte, bemerkte das uns grinste feist. Böwes sah es. Lisa-Maria Krahn zupfte noch an seinem Ärmel, doch ihr Chef war schon auf dem Weg. Er kannte den Spurensicherer, hielt ihn für aufgeblasen, unbegründet selbstbewusst und zutiefst unterqualifiziert. Bei ihm angekommen, baute sich Böwes vor dem Mann auf, lächelte freundlich und stupste dann mit dem Zeigefinger den Rhythmus seiner Worte auf die
Stirn des anderen: „Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß, Schorschi!“
Das Haus, dass sich hinter der hohen Hecke verbarg, überraschte die beiden Ermittler. Lisa-Maria Krahn hatte herausgefunden, dass Arndt Münzer, der Tote, bei der Sparkasse Werrentheim arbeitet. Dort war er kein niederes, aber auch keine hohes Tier. Von seinem Gehalt konnte er sich einen solchen Bau auf jeden Fall nicht leisten. Rechts neben dem Haus war ein eingezäunter Tennisplatz. Ein Rasenplatz! Es war bestimmt lohnend, noch einmal mit den Kollegen von der Wirtschaft zu reden. Die seltsamen Geschäfte der drei Männer hatten bestimmt etwas mit ihrem Tod zu tun. Die Kehrseite von wirtschaftlichem Erfolg war immer die Tatsache, dass es einen Haufen Verlierer gab. Da musste es einen Zusammenhang geben, es musste einfach.
Hermann Felder stand auf dem exakt verlegten
Plattenweg vor dem Haus und starrte über den gepflegten Rasen auf die auf die sauber gestutzte Hecke. Er und seine fleißig im Garten herumwuselnde Mitarbeiter wirkten fehl am Platz, brachten Unordnung an diesen aufgeräumten Ort. Vor allem aber lag Verwirrung auf seinem Gesicht.
"Hallo Hermann."
Der Chef der Spurensicherung brauchte eine Weile, bis er Böwes erkannt. "Oh, Alex. Hallo. Lisa."
Man nickte sich zu.
"Was kannst Du uns berichten?"
Hermann Felder sammelte sich. "Soweit ich es übersehen kann, ist es wie bei den beiden anderen. Keine ungewöhnlichen Spuren im Haus. Alles vorläufig. Drei Personen. Arndt Münzer, die Frau die... , seine Frau eben und eine Köchin." Er stockte.
Lisa-Maria Krahn kam ihm zu Hilfe. "Karin Münzer", las sie von ihrem Notizblock ab, "die
Ehefrau. Geborene Kranz. Seit 20 Jahren verheiratet. Und Irina Lyutokova, die Köchin. Kommt aus Weißrussland. Die Aufenthaltsgenehmigung ist in Ordnung."
Felder nickte. "Genau. Lyutodingsbums. Die Ehefrau war völlig hysterisch. Haben sie zu ihrem Hausarzt gebracht. Die Dingsbums ist bei ihr. Eine von uns auch. Man hat sie mit Beruhigungsmitteln vollgestopft. Also, die Ehefrau meine ich."
Da stimmte etwas nicht. Böwes packte Felder am Unterarm. Er war ein methodischer und ruhiger Mann, für seine Aufgabe war das unerlässlich. Doch er schien verwirrt.
"Hermann, was ist los? Hab ihr was gefunden?"
Der Chef der Spurensicherung schaute ihn erstaunt an. "Was los ist? Ob wir was gefunden haben? Oh ja, das haben wir. Aber es stimmt nicht, nichts stimmt, Alex!"
"Immer schön langsam, Hermann. Erzähl und
wir überlegen dann zusammen."
Lisa-Maria Krahn nickte zustimmend.
"Da gibt es nichts zu überlegen!", fluchte Felder. "Gut, Du willst wissen, was los ist? Spuren, mein Freund, jede Menge Spuren. Hier draußen, Spuren von nagelneuen Turnschuhen."
"Aber das ist doch gut", meinte Böwes.
Der Chef der Spurensicherung schüttelte heftig den Kopf. "Nichts ist gut. Es hat bis zum Morgen geregnet und auf der gegenüberliegenden Seite hat dann sofort ein Nachbar begonnen, sein Motorrad vor der Garage zu reparieren. Er hat niemanden gesehen. Der Arzt sagt, Münzer ist wahrscheinlich gestern Abend verbrannt. Klar, nur eine Schätzung, aber der Quacksalber liegt ja meistens richtig. Gehört hat keiner etwas. Und es hat ja nicht nur geregnet, es hat geschüttet. Der Boden links und rechts des Plattenwegs ist fest und der Regen hätte alle Spuren verwischen, sie aber zumindest
undeutlich machen sollen. Hat er aber nicht. Sie sind so deutlich, dass man die Einzelheiten der Sohle erkennen kann. Das gilt für jeden Abdruck. Jeden, verstehst Du? Als hätte jemand gewollt, dass wir sie finden. Und außerdem hat dieser jemand sie unempfindlich gegen Regen gemacht, wie auch immer. Sie sollten niemals da sein, sind es aber. So etwas habe ich noch nie gesehen, weil es unmöglich ist!"
- Fortsetzung folgt -