3. Aussenseiter
( ürberarbeitete Version )
Was passiert wenn ein Teil deiner Familie gestorben, ein anderer verschwunden ist und du nicht weist wem du trauen kannst? In deinem Körper die Kraft von Generationen schläft und die Hoffung dir das Tor zur Hölle zeigt? Wenn diese Fragen beantworten kannst, dann weist du was Kai bevor steht.
Kapitel 3 Aussenseiter
Der Mann, eine Gestalt mit unbestimmtem Alter, wusste nicht so recht, was er vor sich hatte.
So etwas kam im Grunde noch nie vor. Aber es passte auch nicht ganz in die Hausordnung der Schule. Sein Gegenüber schien ja nicht einmal in diese Institution hinein zu passen.
"Der Enkelsohn der Frau Professor", wie das Kollegium Kai nannte, wirkte wesentlich älter, als er war. Zum einen lag es an seinen grauen Haaren, zum
anderen war es seine Ausstrahlung, die befremdlich wirkte. Dieser Junge verhielt sich nicht normal, darüber brauchte der Direktor nicht einmal nachzudenken.
"Du hast also deine Katze mit in den Unterricht genommen, und das schon seit Tagen!"
"Sie gehört nicht mir, und sie ist auch nicht mein Eigentum."
Diplomatische Rebellion, denn Kai log nicht. Von niemandem war Mia das Eigentum. Schuldbewusst und so klein wie möglich kauerte sich das schwarze Fellknäuel auf den Schreibtisch des Herrn Schulleiters. Vor lauter Angst war sie nicht einmal im Stande zu jammern.
Der ältere Mann putzte sich die veraltete Brille besorgt, und meinte: "Wie auch immer. Mr. Andrews hat einen Anfall erlitten, als das Tierchen ihn angefallen hat."
Dabei tat ihm die verängstigte Katze ja fast selbst schon leid.
"Sie hätte ihn niemals angefaucht und gekratzt, wenn er keinen Panikanfall bekommen hätte. Ich hätte sie sonst wegschicken können."
Für seinen Englischlehrer aus Oxford hegte Kai keinerlei Sympathien. Dieser Herr ritt für sein Empfinden zu viel auf Kais Herkunft herum.
"Er hat eine Katzen-Phobie", verteidigte
der Schulleiter seinen langjährigen Kollegen.
"Wie lange wissen Sie schon, dass Mr. Andrews eine Phobie hat?"
Die Bestimmtheit in Kais Stimme klang irritierend. Hatte dieser Junge die Situation etwa besser unter Kontrolle, als er selbst?
"Es passt nicht zu dir solchen Unfug zu veranstalten. Das Tier hat nichts in der Schule zu suchen. Es kommt nicht mehr mit in den Unterricht. Haben wir beide, nein wir Drei uns da verstanden! Sonst habe ich morgen womöglich noch Hunde und Mäuse einzufangen."
An das hysterische weibliche Kollegium wollte der Mann erst gar nicht denken.
Die Andeutung auf die Katze kam dem Direktor schließlich etwas dumm und eigenartig vor. Wieso sprach er mit einem Tier? Verstörenderweise glaubte er sogar für einen Moment daran, dass Mia seine Worte verstand und begriff.
"Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Haben Sie schon mal eine Katze dressiert?"
Natürlich konnte der Schulleiter so etwas nicht, und bei diesem Tier störte es ihn sogar. Diesen Jungen zu Maßregeln war anstrengend und langwierig.
Im Grunde war es dem älteren Mann bei Kais Verhalten sogar recht. Der Junge war schon zu erwachsen. So etwas konnte
für einen Heranwachsenden nicht gut sein. Diese kleine Regelüberschreitung hatte doch etwas ganz Natürliches an sich. Der Rektor selbst brachte als kleiner Lausbub Frösche und Spinnen mit in den Unterricht, und piesackte mit diesen niedlichen Tierchen das Fräulein Lehrerin. Warum dann nicht einmal eine kleine Katze? Mit seinem Kollegen würde er schon eine zufrieden stellende Einigung dafür finden.
Also ließ er den Enkelsohn der Frau Professor, mit Mia auf dem Arm, ohne Strafe ziehen. Immerhin gab es wirklich schwerwiegendere Fälle, die nach ernsten Maßnahmen verlangten. Dabei war ihm nicht im Geringsten klar, dass er
auf Grund dieser gefällten Entscheidung noch mehr Kopfschmerzen bekommen würde und zwar sehr zeitnah.
"Na, wie war es bei dem Alten, in der Kammer der Schande?"
Die Stimme von Lukas sorgte dafür, dass Mia keine verwöhnenden Krauleinheiten mehr bekam und sofort in der Tasche verschwand. Jetzt schärften sich Kais Sinne. Die Augen seines Mitschülers sahen auf Streit mit ihm aus. Es schien eine Genugtuung für Lukas zu sein, seine Rivalen in einer misslichen Lage anzutreffen. Sein jetziger Blick ließ ihn zu einem Menschen werden, welcher in Hollywoodfilmen verstörend lachte und
die Welt beherrschen wollte. Lukas Nase war nach einer Schlägerei gebrochen und nicht mehr richtig verheilt, weswegen sich ein typische Stauchung auf seinem Nasenrücken zeigte. Der dadurch entstandene Knick ließ damit noch mehr Sympathie für den Jungen verschwinden.
"Ich konnte nicht mehr machen, als mich zu verantworten und mich zu entschuldigen", stellte Kai klar und wollte an Lukas vorbeilaufen, um eine größere Konfrontation zu vermeiden. Im Flur unterhalb der Treppe hörte er bereits Anika mit ihrem Bruder lamentieren.
Die Pause hatte also schon begonnen.
Eigentlich glaubte Kai genügenden Abstand zu seinem Gegner zu haben, damit dieser ihn maximal mit Worten streifen konnte. Leider eine völlige Fehleinschätzung seitens des kampferprobten Jungen. Vielleicht vermochte Lukas keine perfekte Kampftechnik beherrschen, allerdings bewegte er sich blitzschnell. Sein athletischer Körperbau hatte sich schon in mehr als einer Prügelei messen können. Somit verfügte Lukas über eine vergleichbare Kampferfahrung wie sein Gegner.
Der Angriff kam völlig anders als erwartet und für Kai ungünstig gesetzt.
Die Attacke konnte er abwehren, sah sich dann aber gleich mit dem nächsten Problem konfrontiert. Wenn er jetzt Lukas Schlag ablenkte, würde dieser unweigerlich die Treppe herunterstürzen. Im Gegensatz zu Kais Möglichkeiten, käme es somit zu einem schwerwiegenden Unfall mit erheblichen Folgen.
Also nahm der Junge die Wucht des Angriffs auf sich und schloss seine Augen. Lautes Schreien des Entsetzens ging durch die Schülerschar unterhalb der Treppe.
In Tempelruinen war Kai schon ganz anders gefallen und gestoßen worden. Mit Leichtigkeit landete er elegant auf
dem glatt polierten Steinboden der Aula. Was geschah konnten Anika, Marcel und einige andere Schüler nicht einmal begreifen, denn der eigentlich schwer verletzte Kai stand auf und wollte verschwinden, um sich nicht noch mehr Ärger einzuhandeln. Aber auch diesmal rechnete er nicht mit Lukas.
"Du bist ein Freak, ein Gott verdammter Freak! Du und deine Familie wären vor zweihundert Jahren am besten auf dem Scheiterhaufen gelandet!"
Nun taumelte Kai und fiel fast hin, so sehr trafen ihn diese Worte bis ins Mark. Die Kälte hüllte ihn ein. Um seinen Zorn halbwegs in den Griff zu bekommen, ballte Kai so fest seine
Fäuste, dass sich seine Fingernägel schmerzhaft in die Haut gruben. Bevor Schlimmeres passierte, gestand er sich die Schande der öffentlichen Kränkung ein und rannte vom Schulgelände, so schnell wie seine Füße ihn nur tragen konnten.