Kapitel 24 Ismaiels Geschichte
,, Wir glaubten einst, alles zu beherrschen. Kein Feind, ob es nun einer der wenigen von außen oder von innen war, konnte sich unserer Magie wiedersetzen und für eine Weile, Jahrhunderte, Jahrtausende, schien es keine Grenzen mehr für uns zu geben. Immer größere Werke erschufen wir, Städte und Festungen , wie diese hier, die über dem Erdboden schwebten und uns erlaubten unser ganzes Imperium zu bereisen und zu schützen , Flüsse, die nicht mehr über Land, sondern durch die
Himmel flossen, Täler und Wälder, die von ewigem Sommer eingehüllt waren . Berge formten wir mit bloßen Willen in Siedlungen um, verwandelten die See in Land, wo es uns gefiel oder öffneten die Fluten des Himmels um Seen, Bäche, ja sogar Meere aufsteigen zu lassen. Landschaften aus Kristall und Gold , Tempel die Leben und dem Licht der Sterne geweiht waren, den selbst die finsterste Nacht konnte den erwachenden Göttern keine Furcht bereiten. Die erwachenden Götter, die Recrude Infer, so nannten wir uns in unsere Arroganz selbst damals noch.
Es schien, dass es für uns keinen Schrecken mehr geben könnte, keine
Herausforderung die nicht bezwungen, keine Kunst und Schönheit, der nicht Form gegeben werden könnte. Wir hätten uns nicht weniger täuschen können. Ich wurde am Ende jenes goldenen Zeitalters geboren, auch wenn es damals noch niemand wusste. Im Gegenteil. Es schien, als sei nun endgültig der Moment gekommen unseren Platz als ewige Herrn dieser Welt einzunehmen. Den trotz all unserer Macht und unserer Wunder wussten wir, dass alles, was wir erschufen auch vergänglich war. Selbst unsere Leben waren es, wenn wir bei der Seelenwanderung versagten oder sie schlicht nicht ein weiteres Mal auf uns nehmen wollten und es gab immer noch
genug, die sie wohl nie meistern würden. Und so beschlossen einige von uns, sich des letzten großen Mysteriums zu widmen. Viele der niederen Völker sahen uns bereits als Götter an. Die primitiven Menschen der Eisebenen, die Gejarn die sich in ihren Wälder verbargen und selbst die Zwerge, die immerhin schon etwas errichte hatten, das man Zivilisation nennen konnte. Man sah die Zeit für unser Volk gekommen, diesem Anspruch endgültig gerecht zu werden. Götter zu werden und nach Gutdünken für und von uns zu erschaffen. Wächter eines ewigen Imperiums, Leuchtfunken in einer Welt, von der manche unserer Weißen bereits spürten, dass sie nicht
von Dauer sein würde. Davon jedoch wollten die großen Magier nichts hören, meinten sogar, der Untergang, den die Alten vorhersahen sei einfach nur die Folge davon, wenn sie nicht handeln würden. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich zuerst auf ihrer Seite gestellt habe. Und so wurde unsere größte Schöpfung in Angriff genommen. Der Herr der Ordnung war einst nur einer unter vielen aus meinem Volk, einer der wenigen, der sich den arkanen Ritualen, die seine Brüder ersonnen hatten unterzog um am Ende Aufzusteigen. So dachten wir damals noch. Der Zirkel der Magier hatte sich im roten Tal versammelt um den Versuch
zu wagen. Ich habe nie erfahren was oder ob bei den Ritualen etwas schief gegangen ist. Vielleicht nicht. Vielleicht war es alles nur eine Folge dessen, was bereits in uns schlummerte. Wir wollten einen Gott erschaffen, der die Welt für uns Ordnen möge, auf das sie immer unter unserer Herrschaft stehe. Vielleicht haben wir missverstanden, was dies bedeutet. Vielleicht hat er es missverstanden. Und vielleicht haben die Zauber seinen Verstand gebrochen. Was wir für Ordnung hielten, war das genaue Gegenteil. Ein Volk das sich über alle erhebt. Wir waren zu Arrogant… Und deshalb hat unser eigener Wunsch uns zerstört. Die großen Magier des Zirkels,
unsere mächtigsten und weisesten wurden in einem einzigen Augenblick vernichtet oder zu den ersten Kreaturen der Ordnung korrumpiert. Anfangs, so entsetzt wir waren, so schockstarr aufgrund unseres Fehlers unseres Versagens, glaubte man noch, der Dinge schnell Herr zu werden. Ein Fehler, den während wir glaubten, nur eine Schlacht im roten Tal schlagen zu müssen, begannen die Einflüsterungen Herrn der Ordnung sich bereits wie die Wurzeln eines Baumes in unsere Gesellschaft einzuwachsen. Die Macht eines Gottes war für viele ein verlockendes Angebot und so wurde aus der Flamme ein Feuersturm, der sich mit jeder Dekade
tiefer in unser einst friedliches Imperium fraß. Den der Kampf dauerte lange, länger als ein Menschenleben, lange genug um sich an den neuen Schrecken zu gewöhnen. Und manchmal sah es sogar so aus, als könnten wir Boden gut machen, als hätten wir eine Chance… doch mit jeder Korruption die eingedämmt, mit jeder Stadt die zurück gewonnen wurde, flammte das Feuer an zwei neuen auf, verschlang der Einfluss des Herrn der Ordnung weitere unserer einst Größten.
Und in unserer Verzweiflung griffen einige zum Letzten Mittel, das sie sahen. Das Ritual zu wiederholen, um den Fehler zu finden oder zumindest ein
Gegengewicht zur Zerstörerischen Macht in unserer Mitte zu gewinnen. Doch fürchtete man, das Problem nur zu vergrößern und so wurde diesmal die gesamte Kraft des Rituals nicht auf ein einziges Individuum konzentriert… sondern auf zwölf. Zwölf, die gemeinsam hoffentlich die Macht habe sollten, ihrem gefallenen Bruder entgegen zu treten. Und Anfangs gelang es. Obwohl ich meine Zweifle hatte, erschufen wir eben nicht weitere Monstrositäten sondern tatsächlich gutartige Wesen, zwölf Unsterbliche, jeder mit einer Aufgabe und genug Macht, selbst die mächtigsten unserer Zauberer in den Schatten zu stellen.
Jedoch, als wir unsere neuen Götter um Hilfe anflehten, verließen sie uns und in unserer Stunde der Not, sahen sie nur Schweigend auf uns herab. Als hätten wir es verdient, als wäre ihre Arroganz nicht genau so schuldig wie die unsere… und als unser Volk im Sterben lag, erklärten sie nur, das sie beschlossen hätten, das ihre Macht zu groß sei um sie frei einzusetzen oder jemals zu benutzen. Sie waren entsetzt und erschrocken über das, was wir ihnen gegeben hatten, ja sie sahen es sogar als Strafe… Sie ließen uns sterben. Genauso wie sie jetzt euch sterben lassen. Um ihr ach so wertvolles Gleichgewicht zu erhalten…
Und so… blieben wir alleine, unserer
letzten Hoffnung beraubt und der Dunkelheit nun Hilflos ausgeliefert. Trotzdem dauerte der Krieg noch Jahre. Wir waren ein stolzes Volk uns auch wenn unsere Niederlage sicher schien… dieser Dunkelheit wollte sich keiner Freiwillig beugen und wer es doch tat, diente nur als warnendes Beispiel für die anderen, wenn er als verdrehte Monstrosität zu ihnen zurück kehrte um unter ihren Klingen und Zaubern zu fallen.
Und am Ende kam unsere Rettung von den Sternen, die wir so lange verehrt hatten. Als hätten unsere alten Götter uns letztlich doch nicht vergessen, obwohl wir versucht hatten, sie so
kläglich zu ersetzen. Ein Meteor aus silbernem Kristall, der über unserer Küste niederging und beim Einschlag eine halbe Welt vernichtete… und dabei eine neue Insel erschuf. Als die Feuer, die er entfachte schließlich nach Wochen verloschen waren und die ersten Bruchstücke gefunden wurden, stellte sich schnell heraus, dass niemand je etwas Vergleichbares gefunden hatte. Das Metall, das beim Einschlag entstanden war, schien jede Art von Magie einfach aufzunehmen und zu reflektieren. Keine mystische Macht dieser Welt hätte es vermocht, es irgendwie zu verändern, doch unter den Händen eines Schmieds ließ es sich bearbeiten wie normaler
Stahl. Und so entstand der letzte, verzweifelte Plan eines Gefängnisses für den Herrn der Ordnung. Die letzten unseres Volkes mussten letztlich als Köder dienen, um ihn hervorzulocken und ich selbst stellte mich ihm schließlich entgegen. Die Falle in Form eines Schwerts, war die perfekte Täuschung. Er rechnete nicht damit, war unvorsichtig und sah den Moment seines endgültigen Triumphes gekommen. Und so gelang es mir ihn letztlich zu bannen, nicht jedoch ohne dass er eine letzte Drohung ausstieß… Das er jene Aussenden würde, die ihn finden konnten, wo immer man sein Gefängnis auch verbarg. Was auch geschehen ist,
wie man sieht…
Ich vermute, den Rest der Geschichte kennt ihr. Das alte Volk war vernichtet, die Welt praktisch leer von jeglichem höheren Leben. Einige wenige Gejarn hatten in ihren Verstecken überlebt und die Menschen sich soweit nach Norden zurückgezogen, das sie wohl nie erfuhren, was eigentlich vor sich ging. Doch als die ersten schließlich das Eis verließen, fanden sie eine tote Welt vor. Ruinenstädte und Gärten aus gesprungenem Kristall . Eine Welt, die darauf wartete, erobert zu werden.
Ich selbst jedoch verließ Canton mit dem Schwert und brachte es an die Nebelküste um es dort, hoffentlich für
jeden Unerreichbar, zu versiegeln. Bis schließlich jemand die Zwerge über das Meer führte, die den Schrecken des Ordnung-Krieges erlebt hatten… und da sie nicht wussten, was am Ende geschehen oder wohin die Kreaturen verschwunden waren, die sie fast vernichtet hatten, fürchteten wohl einige, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sie zurück kehren würden. Vielleicht war das der Grund, aus dem sie schließlich die Reise über die See antraten. Vielleicht hat sich jemand in meine Pläne eingemischt. Ich weiß es nicht. Ich will es nicht wissen. Das Ergebnis ist jedenfalls, das wir wieder genau da stehen, wo mein Volk vor
einigen Jahrtausenden war. Am Ende…“
Es war still geworden im Thronsaal der fliegenden Stadt. Alle Augen ruhten auf der Gestalt, die im Zentrum des großen Saals stand auch Merls. Doch wo Quinn und der Kaiser den Mann misstrauisch beäugten, wo sie den Mann sehen mochten, der einst fast alles zerstört hatte, konnte Merl nur Zachary erkennen. Außer wenn er sprach, dachte der junge Magier. Oder wenn er ihm in die Augen sah… Die Stimme seines Meisters schien alles Vertraute verloren zu haben, so als hätte der alte Geist, der ihn nun kontrollierte, noch Schwierigkeiten damit umzugehen. Und seine Augen hatten sich in Teiche aus
loderndem, grünem Feuer verwandelt. Nein, er machte sich keine Illusionen. Was hier vor ihnen stand hatte nichts mehr mit Zachary gemein. So schwer es fiel, sich das jetzt eingestehen zu müssen, dachte Merl.
Es war eine lange Geschichte geworden und wr wusste schon, wie lange Ismaiel sie bereits mit sich herumgetragen oder ob er sie überhaupt je jemanden erzählt hatte. Jahrhunderte.. oder vielleicht eher Jahrtausende. Seit dem Fall dem Fall des alten Volkes…
Mit einem hatte er wohl Recht, dachte Merl. Sie standen tatsächlich am Ende, wenn stimmte, was er ihnen enthüllt hatte. Wenn das gesamte alte Volk daran
gescheitert war, den Herrn der Ordnung aufzuhalten.. welche Chance hatten sie dann?
Der Kaiser schien wohl ähnlichen Gedanken nachzuhänge, während er schweigend auf dem Thron saß, den Kopf in die Hand gestützt und die Stirn in Falten gelegt. Das Licht, das durch die honigfarbenen Steine der Lehne gefiltert wurde, erschuf eine kaum sichtbare, goldene Aura um seine Gestalt herum. Am Fuß des Throns standen wie schon zuvor, Quinn, Syle und dieses Mal auch die Kaiserin und Merl fragte sich tatsächlich einen Moment, wer der drei eigentlich am schlechtesten Aussah. Quinn, der vom Alter bereits leicht
gebeugte Ordensoberste wirkte nicht, als hätte er in letzter Zeit viel geschlafen und behielt jede Bewegung Zacharys genau im Auge. Der Hochgeneral hingegen ließ sich sein misstrauen vielleicht weniger Anmerken, doch war er hellwach und sah immer wieder zu den Wächtern an den Türen des Thronsaals herüber. Es waren insgesamt acht, zwei Schwertträger aus Helike , zwei Gardisten und auch zwei Ordensmagier, die vor einigen Tagen mit Nachrichten von den Pässen der nördlichen berge herab gekommen waren.
Und Jiy… Die Kaiserin wirkte einfach nur erschöpft, dachte Merl. Müder, als
die anderen beiden zusammen genommen. Im Gegensatz zu Syle oder Quinn schien sie den Mann, der jetzt in der Gestalt Zacharys vor ihnen stand nicht zu fürchten. Oder vielleicht war ihr ein Grund sich zu fürchten abhandengekommen. Wer wusste das schon zu sagen. Nach wie vor war es ruhig genug, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Ismaiel stand nach wie vor regungslos in der Mitte des Saals, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und sah die Anwesenden der Reihe nach an, als wollte er sie herausfordern, etwas zu sagen.
Es war Quinn, der schließlich wieder das Wort ergriff und vortrat. ,, Und das
glaubt ihr, nützt uns diese Geschichte jetzt ?“
,, Es sollte euch eines klar machen.... Zauberer. Alleine und auf euch gestellt, werdet ihr ihn nicht aufhalten können.“ In Ismaiels Stimme lag Genugtuung, das konnte Merl selbst über den verzerrten Klang hinweg heraushören. ,, Ihr braucht mich… Und wenn ihr es noch nicht erkannt habt: Ihr braucht mich mehr… als ich euch.“