Was bisher geschah:
Hans-Joachim Gote ist nach 20 Jahren in seinen Heimatort zurückgekehrt. Dabei hat er eine Kleinigkeit mitgebracht, die so wertvoll scheint, dass sie in einen Safe gehört. In einem Buchladen hat er zwei Bücher bestellt und Anna Bäcker kennengelernt. Die beiden kommen sich näher. Gleichzeitig werden angesehene Bürger im Ort, der Geschäftsmann Jürgen Reeder und der Architekt Christian Meyer, tot aufgefunden. Die Polizei geht in beiden Fällen von Selbstmord aus.
"Search for beauty, find your shore"
Nightwish - The poet and the pendulum
Über Nacht wollte Anna nicht bleiben. Gote glaubte ihr das. Von nun an glaubte er ihr alles. Auch wenn ihm nicht alles gefiel.
Als das Fernsehprogramm zu lächerlich wurde - in Gotes Erinnerung ging es um die Qualität des Blumenlieferservice von Lottoannahmestellen -, wandte sich Anna ihm zu, strich ihm zärtlich über die Wange und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.
"Ich muss nach Hause."
"Musst Du?"
"Ich will nach Hause. Bin hundemüde. Meinen Schlaf brauche ich ganz dringend und hier würde ich ihn nicht bekommen." Anna lächelte.
"Bin halt unwiderstehlich", sagte Gote. Darauf
lachte sie und knuffte ihn in die Rippen.
Als sie sich ihre Schuhe anzog, schaute Gote ihr aufmerksam zu. Er hatte nur den Ton des Fernsehers heruntergedreht. Die bunten Bilder, die er immer noch in den Raum warf, beleuchteten Anna wie eine Schauspielerin, eine grazile, sich gleichmäßig bewegende Schauspielerin. Ihr schwarzer Rollkragenpulli ließ sie verführerischer erscheinen als der tiefer Ausschnitt ein Pin-Ups.
Die Nacht begann aufzuziehen. Still, aber Anna bei der Hand haltend brachte Gote sie zur Haustür. Als er diese für sie öffnete, ließen vom nahen See reflektierte Abendsonnenstrahlen alles vor dem Haus rotgolden erstrahlen. Anna trat durch die Tür und das Licht umspielte sie, als wäre es ihr Diener. Die beiden umarmten sich lange, noch immer still, aber ganz beieinander. Dann nahm Anna ihr Rad von der Wand, setzte sich auf den Sattel und ließ es am Seven vorbei hügelabwärts
rollen. Gote schaute ihr nach, bis die Landschaft sie verbarg, seine Blicke im Nichts endeten. Lange stand er so noch da.
Zurück im Haus stieß Gote mehrmals mit der Stirn heftig gegen die Wand. Warum hatte er das getan? Er misstraute ihr doch gar nicht. Er liebte sie. Natürlich, das würde Probleme mit sich bringen, aber das stand auf einem ganz anderen Blatt. Vielleicht war er auch einfach nur ein Trottel. Doch dann begriff Gote: Er hatte es getan, weil er es konnte! Macht korrumpierte, sie korrumpierte auch ihn! Er musste seinen Plan schnell zu Ende führen.
Noch ein Dutzend Mal stieß er mit der Stirn gegen die Wand. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer. Auf der rechten Seite des Sofas, dort wo Anna sich zuerst hatte hinsetzen wollen, lag, unter zwei Kissen verborgen, das geöffnete Holzkästchen. Als sie im Keller gewesen war, hatte er es aus dem Safe geholt
und dort deponiert. Doch das Ding hatte keine Wirkung auf sie gehabt. Sein kleines Spielchen war umsonst gewesen. Anna hatte nichts zu verbergen, oder ihr Geheimnis bestand aus der Tatsache, dass sie war, wer sie war.
- Fortsetzung folgt -