-Berliner Trauer-
Ein Buch über Abschied und Einsamkeit, Schmerz und Ausweglosigkeit. Und was daraus folgert.
Yelyzaveta Denysova
Prolog
“Was hältst du von dem Mann?„ Fragte mich gegenebfalls Paolo. Er wusste selbstverständlich, dass ich schon weit weg von ihm war, nicht mehr ein Teil von ihm, sondern ein harmloser, in Freiheit gesetzter Gefangener. Solchermaßen kam es stets vor, wenn jemand auftrat, wie durch Zauberei…
“Er ist auf dem Weg zu Enttäuschung und…Laßheit.” Und wie gewöhnlich hatte ich Recht. Kaum trat der Mann in die Tür, sah ich, wie entkräftet er war. Über eineinhalb Meter groß, schmal in den Schultern, glattrasiert. Bekleidet war er mit einem alten karrierten Jackett.
Dem Aussehen nach, war er etwas über fünfzig. Scharf sah er mich an, ohne mich zu begrüßen.
Das auf der ersten Seite geöffnete Buch ließ ich fallen.
‘‘Seit mehr als fünf Monaten habe ich niemanden gesehen, geschweige denn mit jemandem gesprochen.‘‘ Sagte er, als er sich etwas unentschlossen näherte. Die unnatürliche Gebrochenheit seiner Stimme schlug mir über den Kopf. Und dann kam der Antwort, komischerweise vollends gleichmütig:
‘‘Wie kommt es denn?‘‘ Ein Zittern durchlief mich, als der Mann seine breite Hand zu mir streckte.
“Es würde mir keine Wahl gelassen“,
antwortete er, etwas fahrig.
“Ha, ich verstehe, ich…ja… „ . Stotterte ich, ohne zu zögern. Überrachend beherrscht nahm ich seine warme Hand. Es kam mir plötzlich vor, als ob ich ihm diese feste rauhe Hand schon tausendmal gedrückt habe. Die Hand des Fremden, welch aus unerklärlichen Gründen nicht im geringsten unbekannt war.
Er legte seinen Manuskript auf den Tisch und verschwand, so unerwartet schnell, wie die Strahlen der Sonne, sobald der Wind denen wieder mit den Wolken blockiert.
An einem Tag war ich damit schon fertig. Paolo hielt sich den ganzen Abend
ziemlich ungerührt. Gegen Mitternacht setzte er sich bei mir nieder. Ich lächelte ihm kurz zu und vertiefte mich hinwieder in den Text.
Es dämmerte, als ich die letzte Seite zu Ende laß. Ermüdet, rieb ich mir die Wangen, wo noch die kalte Trännenflusse fühlbar waren. Paolo war nicht im Haus. Genauso, wie sein Besitz.
***
Fortsetzung folgt...