Der Morgen danach
Es ist ein magischer Moment wenn sich der Himmel golden färbt und die ersten Sonnenstrahlen des Tages langsam und noch etwas verschlafen über den Boden kriechen und mit ihrer hoheitlichen und gleichzeitig penetranten Art die ersten Bewohner aus ihren Betten scheuchen. Die ersten Strahlen der Sonne zwischen den Wolkenkratzern, das muss man gesehen haben. Natürliche Schönheit gepaart mit futuristischer Eleganz.
Ein Geschäftsmann steht durchgehend unter Stress und Spannung. So viele Termine, so viele Zahlen, das kann
manchmal zu viel werden! Wir haben versucht wenigstens das Aufstehen entspannt zu gestalten! Unsere Edition Manhattan Sunrise sorgt mit natürlichem Sonnenlicht (künstlich erzeugt) und gedämpften Natur- und Stadtgeräuschen für einen ausgeruhten Start in den Tag. Überzeugen sie sich selbst.
Natürlich fehlte dem Sonnenaufgang aus dem Hause Phillips die gesamte Magie des echten Manhattan Sunrise, aber er erfüllte auch seine Funktion, zumindest wenn man die gedämpften Geräusche auf die höchste Lautstärke stellte. Man wurde wach. Und er hatte
auch einen Vorteil gegenüber dem Original. Man konnte ihn natürlich auf jede beliebige Uhrzeit einstellen. So ging um Punkt zehn Uhr in Alex’ Appartement die Sonne zum zweiten Mal an diesem Tag auf. Langsam waberte das Sonnenlicht durch das Zimmer, während das echte Sonnenlicht von den dicken Vorhängen abprallte. Es kroch über die hastig ausgezogenen Klamotten, die ausgebreitet auf dem Boden lagen und den kantigen Designertisch auf dem ein MacBook leise vor sich hin summte, bis auf das Bett. Bevor das Licht Alex perfekt getöntes Gesicht erreichte waren seine Augen bereits geöffnet. Er runzelte die
Stirn und fuhr sich durch die Haare. Er hatte furchtbar geschlafen, da half auch kein Manhattan Sunrise. Seine Träume waren wirr und verstörend gewesen. Er versuchte mit einer kühlen Dusche seinen Kopf frei zu bekommen, zu vergessen. Es gelang ihm ein bisschen und bei seiner ersten Tasse Voluto hatte er fast wieder gute Laune. Doch diese verflog schnell. Er konnte sein Handy nicht finden. Es war weder in seiner Anzugshose, noch auf seinem Schreibtisch. Als er langsam anfing sich aufzuregen fiel es ihm wieder ein. Natürlich! Der Mantel! Er hatte seinen Mantel im „Mandarin Oriental“ liegen gelassen. Da war sein Handy drinnen.
Schnell zog er sich an und stoppte das nächste Taxi. Hätte er sein Handy gehabt, wären ihm wohl auch nicht die vierundzwanzig Anrufe entgangen, aber er war an diesem Morgen komplett abgeschottet von der Welt gewesen und das mitten in ihrem Herzen.
Es war elf Uhr vier als das Taxi vor dem „Mandarin Oriental“ vorfuhr. Bereits von einiger Entfernung fiel ihm auf, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hatte erwartet das Restaurant geschlossen vorzufinden, jedoch waren die Türen weit offen und Menschen strömten rein und raus. Polizisten aller möglichen Zuständigkeitsbereiche. Das
Areal vor dem Restaurant war abgesperrt und einige Schaulustige sammelten sich hinter dem Absperrband. Mit mulmigem Gefühl stieg er aus dem Taxi und mischte sich auf etwas wackeligen Beinen unter die wartenden Menschen. „Gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen. Weiter gehen!“, posaunte ein Polizist, der vor der Absperrung stand und die Schaulustigen weiter scheuchte. „Was ist denn hier passiert?“, fragte Alex einen Mann mittleren Alters der sich gerade etwas auf einem Notizblock aufschrieb „Warum ist hier alles abgesperrt?“ „Eine Frau ist hier gestern Nacht kollabiert. Das Restaurant war bis
zum Rand voll, ein ziemlicher Schock für alle. Ein Notarzt hat sie gestern Nacht geholt. Aber ganz unter uns, die war mehr ein Fall für den Leichen als für den Krankenwagen.“ Ein schiefes lächeln huschte über seine Lippen, aber es verflog schnell als er in Alex kreidebleiches Gesicht schaute. Er räusperte sich „Auf jeden Fall sehr tragisch. Bei ihnen alles okay? Das kann einen ganz schön mitnehmen. Junges Ding, wahrscheinlich bis zu den Haarspitzen vollgepumpt mit Drogen, ich bin auch schon ganz fertig.“, sagte er lächelnd und ohne im Geringsten fertig auszusehen. „Ich bin übrigens Matt Stowe, aber sie können mich gerne
Matt nennen oder Stowy, aber so nennt mich sonst nur meine Frau.“ Er lachte. Alex lachte nicht. „Morning News übrigens“ Er klopfte stolz auf eine Anstecknadel auf der die Initialen MN zu sehen waren. „Schon fünf Jahre. Aber ich sage ihnen das ist kein leichter Job. Ich warte schon seit Stunden, dass jemand wichtiges vorbeikommt, weinende Familie oder der Leiter der Ermittlungen oder so, aber nichts da. Scheint so als hätte sie keine Freunde gehabt. Und weshalb sind sie hier?“ „Ich…Ich bin hier nur zufällig vorbeigekommen.“ Alex Maske bröckelte. Er wandte sich halb ab, stolperte bei dem Versuch sich ein paar
Schritte zu entfernen. „Kann ihnen leider nicht helfen, sorry.“
Er blickte sich nicht mehr nach dem Reporter um. Einen Fuß nach dem anderen setzend bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmengen bis zu seinem Taxi. Er ließ sich in die weichen Lederpolster fallen, sein Herz raste wie verrückt. Warum? Das hatte er nicht gewollt! Er war vielleicht ein bisschen hart gewesen, aber die Schlampe hatte ihm auch keine andere Wahl gelassen. Wenn die Öffentlichkeit von seiner Beteiligung an der ganzen Angelegenheit erfahren würde wäre er
geliefert. Ihn ergriff Panik. Was würde sein Vater sagen? Sein Vater. Er war der einzige der ihm helfen konnte. Er musste zu seinem Vater. Wenn Alex in seinem Leben eines gelernt hatte, dann war es: Geld regiert die Welt. Und Geld, davon hatte sein Vater mehr als genug.