Mein Parfüm
Irgendwie muss es man doch schaffen zu Geld zu kommen. Kann doch gar nicht so schwer sein. Täglich machen es uns Banker vor. Ich las alle möglichen Fachbücher über wirtschaftliche Kniffe, bis mir der Kopf rauchte.
Abends wollte ich nicht Fernsehen und las stattdessen das „Parfüm“ von Patrick Süskind. Darin ist Jean-Baptiste Grenouille mit einem phänomenalem Zinken (einer Nase) ausgestattet. Er will der größte Parfümeur aller Zeiten werden.
Wenn ich mir die Preise von Parfüms in den Schaufenstern ansehe, dann habe ich meine Berufung gefunden.
Ich werde der neue Grenoille. Na gut, in dem
Roman mordet der Geruchsakrobat auch ordentlich, aber diese Begabung kann ich ja weg lassen.
Gesagt, getan.
Ich kaufte mir eine Grundausrüstung für mein Chemielabor im Keller („Der kleine Chemiker“).
Fast immer werden bei gekauften Parfüms synthetische Duftstoffe verwendet. Ich aber wollte den reinen, ultimativen, natürlichen Duft kreieren. Einer, der die Nase inspiriert, die Hirnlappen befällt und unglaublich anziehend (ausziehend) wirkt.
Man braucht dazu eigentlich nur wenige Ingredienzien. Alkohol (96%) aus der Apotheke, naturreine, ätherische Öle,
leere Flakons.
Nach 3 Wochen glaubte ich das ultimative Parfüm erschaffen zu haben. Ich hatte es mit einer geheimen Kombination aus Jasmin, Patschuli, Lavendel und Sandelholz, sowie ein paar Tropfen Weingeist angerührt. Betörend, sage ich ihnen! Nun kommt der Clou. Ich fügte ein paar Tropfen Iris hinzu. Außerdem hatte ich noch irgendwo im Hausputzmittelramsch ein Fläschchen mit einer chinesischen Aufschrift gefunden. Als ich die Duftkomposition zusammen hatte, füllte ich mit Alkohol auf. Alkohol unterstützt die Duftwirkung, während die Öle der Haltbarkeit des Duftes dienen.
Jeden Tag galt es den geschlossenen Flakon zu schütteln.
Zwei weitere Wochen waren vergangen. Ich
stopfte den Flakon Hals ins Nasenloch und roch. Sagenhaft. Schwindel ergriff mich! Trance-Symptome stellten sich ein. Das war der Kracher!
Nachdem ich mich wieder eingekriegt hatte, fragte ich mich, ob man denn das Ganze noch mehr toppen könnte.
Ich fügte noch ein Tropfen Neroli hinzu und 3 Tropfen aus diesem merkwürdigen, chinesischen Fläschchen.
Jeden Tag schütteln.
Meine bessere Hälfte rümpfte schon die Nase, weil ich mich so oft im Keller aufhielt. Soll sie rümpfen, umso besser würde sie den Duft aufnehmen können.
Es war soweit. Wie würde sich Kopf-, Herz- und Basisnote machen? Wieder aus der Kluft
aufgetaucht, sagte meine bessere Hälfte, dass ich mich rasieren sollte. Ich sähe aus, wie eine Kellerassel. Ich rasierte mich also, nahm eine Rasur Milch, um den Hautirritationen entgegen zu wirken. Ich prüfte vorher, ob diese Milch nicht so stark roch. Wäre doch fatal, wenn es meine Kreation verderben würde.Ich glaube, ich hatte diese Milch noch nie benutzt, weil sie eben so "geräuschlos" war. Sie hätte wenigstens ein bisschen frisch daher kommen sollen. In diesem Fall war die Sache natürlich das Beste.
Mein Parfüm durfte unter keinen Umständen überdeckt werden. Dann öffnete ich den selbstgebrauten, herauf geschmuggelten Flakon. Ich tupfte hinter meine Ohren, etwas an den Hals und innen an die Handgelenke.
Ich roch am Handgelenk. Komisch. Auf meiner Haut roch es nach gar nichts. Einfach nichts! Wie enttäuschend!. Ich ließ den Kopf hängen und verstaute das Fläschchen im Spiegelschrank. Alle Mühe umsonst.
Das so arbeitsintesive Destilat war auf der Haut einfach geruchslos!
Kaum war ich aus dem Bad, als meine bessere Hälfte über mich herfiel. So stürmisch hatte ich sie seit Jahren nicht erlebt. Wir schafften es nicht einmal bis zum Bett.
Völlig erschöpft strich sie mir über die ergrauten Brusthaare. "Du riechst herrlich! Ich musste Dich haben." Ich tätschelte.
"Ja, ja, ich habe eben Ausstrahlung!"
Erfolg in jeder hinsicht, was will man mehr!
Mann, Mann, ich hatte das ultimative Parfüm entdeckt!
Verbrecher brauchen keine K.o. Pillen mehr, um sich heimlich zu verlustieren. Ein paar Tropfen von meinem Parfüm und die Frauen geben sich ihnen reihenweise hin. Was für eine Aussicht! Wenn ich die Sache gut vermarkten würde, dann wären mir Milliarden Euro gewiss!
Am nächsten Tag täuschte ich wichtige Termine vor und begab mich außer Haus. Das Parfüm musste weiter getestet werden.
Kaum war ich um die Ecke gebogen, hatte das mitgenommene Fläschchen wieder seinen Auftritt. Ein Tüpfelchen hier, ein Tüpfelchen da aufgetragen, sollte reichen. Ich verteilte großzügig. Danach verstaute ich das
Fläschchen in der Hosentasche.
Beschwingt schlenderte ich weiter. Ausgerechnet Frau Zapotek kam mir entgegen. Die alte Wetterhexe mit der Warze auf der Stirn, die ein Ausbund von Hässlichkeit war, geiferte im ganzen Viertel herum.
Um Gottes Willen! Bloß nicht!
Sie ging vorbei und grüßte nur abfällig, mehr nicht.
Puh!
Ich begab zum Supermarkt, ein Eldorado an weiblichen Opfern. Da tummeln sich Frauen zuhauf. Da würde ich bestimmt belagert werden.
Immer wieder sah ich mich um. Ein streunender Hund folgte mir.
Kurz darauf waren es schon zwei. Der eine schleppte noch seine Leine hinterher. Er musste sich losgerissen haben. Ich ging schneller. Dann bog ich in die Schrebergartensiedlung ein. Vielleicht konnte ich die Köter ablenken. Ich war inzwischen in Trab übergegangen, während 12 Hunde hinter mir her waren. Aus den Schrebergärten wurde wie verrückt gekläfft. Mein Gott, was haben die nur alle? Drei Hunde kamen mir entgegen und sprangen mir freudig an den Beinen hoch. Fast wäre ich gestolpert. Ich bog zum Stadtpark ab, als eine Wildschweinbache aus dem Unterholz hervorbrach und göttlich mit der Schnauze klapperte und ihr Schwänzchen rotieren ließ.
Ich raste, wich noch zwei Füchsen, vier Fähen
aus und gelangte endlich zum Parkplatz des Supermarktes. Die Hunde, die in den Autos warteten, waren plötzlich von Raserei befallen. Irgendjemand hatte per Handy einen Notruf abgesetzt, nachdem sich auf dem Parkplatz inzwischen mehrere Wildschweine tummelten.
Die Polizei hatte Mühe mich von dem Knäul von Tieren zu befreien, zumal sich die Wildschweindamen sträubten von Liebkosungen abzulassen.
Ich wurde schließlich in ein Polizeiauto eingeschlossen, während hunderte Hunde wie verrückt am Lack des Einsatzwagens kratzten. Ein Schaf war noch dabei, sogar eine Kuh und mehrere Hasen. Die inzwischen eingetroffenen drei Bachen stießen Beulen in den Wagen. Mit Blaulicht brachte man mich
nach Hause.
Der Fall blieb ungelöst.
Manchmal scheinen Tiere einfach durchzudrehen.
Meine Frau staunte nicht schlecht, als ich die Ereignisse schilderte.
„Und ich hatte so gehofft das ultimative Parfüm entwickelt zu haben“, endete ich.
„Du bist doch auch angesprungen“, murmelte ich.
„Ich hatte nur einfach mal wieder Lust“, erklärte sie. „Außerdem hat mich dein dezenter Rasierduft angemacht.“
Den Flakon packte ich mehrfach ein und entsorgte ihn. Auch meine Kleidung, die ich angehabt hatte, verbrannte ich.
Viel war in dem Fläschchen sowieso nicht mehr übrig gewesen. Das Parfüm war nämlich in meiner Hosentasche ausgelaufen.
Von der Rasiermilch hingegen kaufte ich eine ganze Palette.