Kurzgeschichte
UNERMÜDLICH

UNERMÜDLICH

„Ich kann nicht mehr“, sagt sie und bleibt stehen, weil ihre Füße vom Laufen schmerzhaft pochen und ihre Augen tränen, weil sie schon viel zu lange nicht mehr im Schatten ihrer Lider ruhen durften. „Wir können nicht stehen bleiben“, antwortet er nur knapp, zerrt sanft an ihrem Arm, dessen Hand er in seiner hält, um sie wieder in Bewegung zu bringen, „Wir müssen weiter.“ Natürlich weiß sie, dass er recht hat, dass sie nicht rasten können, nicht hier, nicht irgendwo, bis sie an ihrem Ziel angekommen sind - aber sie ist so erschöpft, dass sie es einfach nicht

schafft noch einen einzigen Schritt zu gehen, rührt sich nicht, obwohl sie es will. Also nimmt er sie Huckepack und geht mit ihr auf seinem Rücken weiter - selbst wenn der Schmerz in seinen Beinen genauso unerträglich wie der ihre ist.

TAG 60, 30.Juni 2016