VERGEBLICH
„Bitte, bitte lassen Sie mich gehen, ich tue alles was Sie von mir wollen, wenn Sie mich nur gehen lassen - alles!“, schluchzt sie mit bebenden Schultern und hämmert weiter auf den kalten Stahl der Tür ein, die zwischen ihr und der Freiheit liegt, der Freiheit außerhalb dieses dunklen, kalten Raumes, in dem es nach etwas riecht, über dass sie sich selbst verbietet näher nachzudenken.
Ihr Gesicht ist vom Weinen ganz geschwollen, die Wangen sind mit den schwarzen Streifen ihrer verlaufenen Wimperntusche beschmiert, die einen tiefen Schatten unter ihre Augen gezeichnet hat - selbst die sonst so sauber
manikürten Nägel sind über den blutigen Fingerkuppen eingerissen und abgebrochen, während ihres verzweifelten Versuches Halt zu finden und sich aus dem Griff des Fremden zu befreien, der sie an den Haaren in ihr Gefängnis gezerrt hatte.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie schon in diesem Raum eingesperrt war, wie lange sie schon ihre Hände taub schlug, doch allmählich verließen sie ihre Kräfte. „Bitte“, wimmerte sie noch ein letztes Mal, bevor sie bewusstlos auf dem Boden zusammenbrach, „ich will nicht sterben.“
TAG 56, 26.Juni 2016