Journalismus & Glosse
Forget it!

Oh wie schade, dass so schöne Grausamkeiten aus den Zeiten, als die Inquisition noch am Daumenschräubchen drehte, verschwunden sind! Wie eindeutig doch die Gewichte damals noch verteilt waren. Da entschied eine schmale Überheblichkeit über Wohl und Wehe, Leben und Tod von Untertanen. Und alle, alle beugten sich, sicherlich mit zusammengebissenen Zähnen und weiß vor glühender Wut, dem Ukas des Großinquisitors.

Heute nun haben die Knallbriten sich von der EuEuEu getrennt. Wollen nicht mehr. Wollten ja eigentlich sowieso nie, halten sich ja immer für was Anderes, Besseres. Jetzt hat halt der halbgebildete Brite, der dumpfe white trash

und der grenzdebile Rentner oder wie immer die Doodles wohl noch genannt werden, mal Schicksal gespielt. Meint er zumindest, denn er hat ja leave angekreuzt. Sicher eine Ent-Scheidung, die als demokratisch akzeptiert werden muss. Auch wenn sie ungerecht ist. Blind. Einseitig. Da haben Alte die Zukunft der Jungen am Roulettetisch verscherbelt. Und trinken jetzt ein Schlückchen englisches Labberbier drauf.

Aber das eigentliche Ärgernis ist dieses: Wieder einmal haben populistische Meinungsmache, Lügen und eiskalte Taktiererei (thanks, Mr. Cameron) der knappen Mehrheit der Wahlesel das bisschen Hirn vernebelt, das ihnen The Sun und Malle

noch gelassen haben. Und auch die Frage sei erlaubt: Warum ist bei derart weitreichenden Entscheidungen nicht eine Dreiviertelmehrheit erforderlich?

Friedrich Schiller war bekanntermaßen ein Bewunderer Britanniens. Aber von ihm stammt auch die folgende Reflexion.

Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn. Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt, um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen. Der Staat muß untergehn, früh oder

spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet. Quelle: Demetrius-Fragment

Dem

ist

nichts

hinzu

zufügen.