Was bisher geschah:
Ein Mann durchwandert die deutschen Lande. In einer Schenke östlich des Rheins findet er einen Reisegefährten. Zusammen ziehen sie los. Doch ob gutem Essen und Wein trödeln sie. Als sie sich der Grafschaft Werrentheim nähern, dunkelt es. In einem Wald, nahe der Stadt, werden sie von Räubern überfallen und der Reisegefährte des Mannes verletzt. Das Ende scheint nahe zu sein.
Keiner von uns hatte den Hufschlag des Pferdes gehört. Wie aus dem Nicht preschte ein Reiter heran und sprengte die Räuber auseinander. Dabei hieb er mit einem Säbel, wie ihn Husaren zu tragen pflegen, auf die Unholde ein. Um mich und meinen verwundeten Gefährten machte er eine eleganten Bogen. Dann wendete er sein Pferd auf der Stelle und kam zurück. Ich
bin mir ganz sicher, dass er dem Chef der Bande die Hand mit den Schwert vom Arm trennte. Unter wildem Gebrüll, angsterfüllt und voller Schmerzen, flüchteten die Räuber in den Wald. Der Reiter zügelte sein Pferd. Ich beugte mich zu meinem Gefährten hinab. Er jammerte leise vor sich hin, doch er war am Leben. Dann ergriff ich eine der Fackeln, welche das Gesindel auf seiner Flucht fallen gelassen hatte und beleuchtete den Reiter. Sein Pferd war großer Rappe, dessen schwarzes Fell im Schein der Fackel glänzte. Das Tier schwitzte, doch es schien ihm nichts auszumachen. Den Mann will ich näher beschreiben. Er trug eine bunte Hose, die viel gebraucht, aber noch gut in Schuss war. Die Füße steckten in blitzblanken Stulpenstiefeln. Ich wusste, was solches Schuhwerk kostete. Allein von dem Preis für das Leder würde ich ein ganzes Jahr lang gut leben können. Über einer schwarzen, fein geschnittenen Jacke trug er einen Harnisch, der
die Brust des Reiters schütze. Das Metall war hauchdünn, doch es war stark und widerstandfähig. Ein erfahrener Plattner musste dieses Stück getrieben haben. Das Schwert war, wie ich jetzt sah, doch keine leichte, sondern eine schwere Waffe. Am mächtigen Heft reichlich verziert und glänzte sie silbern und ich hatte keinen Zweifel, dass sie - wenigstens in Teilen - auch aus Silber gemacht war. Die Klinge war breit und nur vom Ansehen konnte einem Mann Angst und Bange werden. Das Gesicht des Mannes war fein geschnitten. Er hatte kleine Augen und schmale Lippen. Bei allen anderen Menschen hätte ich von einer Hackennase gesprochen, doch diese erinnerte eher an den Schnabel eines Adlers. Kantige Wangenknochen vervollständigten den Eindruck eines entschlossenen Mannes. Am Ende einer hohen Stirn waren die Haare nach hinten gekämmt und im Nacken von einem Knoten gezähmt. Das war heute gar nicht mehr in Mode.
"Wie geht es eurem Gefährten?" wollte der Mann wissen. Er sprach in einem befehlsgewohnten Ton.
Erneut beugte ich mich zu meinem Gefährten hinab. Der schaffte es sogar mich anzulächeln. "Ich glaube, das Schwert ist an einer Rippe abgeglitten. Die Verwundung scheint nicht schwer. Er hat Glück gehabt."
"Ja. Glück gehabt, das kann man wohl sagen. Ich komme nicht oft hier vorbei."
"Habt vielen Dank, mein Herr. Ich dachte schon, unser letztes Stündchen hat geschlagen." Das auszusprechen fiel mir nicht schwer, denn ich war dankbar.
"Da habt Ihr wohl recht. Dies Gesindel macht schon viel zu lange diesen Wald unsicher. Leider kann ich mich nicht das ganze Jahr darum kümmern. Um so mehr erfreulicher ist es, das ich diesmal etwas Gutes tun konnte."
"Das habt Ihr in der Tat."
"Könnt ihr alleine weiter? Nach weniger als
einer Meile kommt auf der rechten Seite ein Herberge. Dort wird man sich eurer annehmen."
Es war ein wenig mühsam, meinem Reisegefährten aufzuhelfen. Er stöhnte immer noch, doch glaube ich, dass es mehr dem Schrecken als dem Schmerz gezollt war. Vorsichtig legte ich seinen Arm um meine Schulter. Dankbar lächelte er mich an.
"Ich denke, das werden wir schaffen."
"Dann ist es gut. Denn ich werde diese Räuber verfolgen. Hofft mit mir, dass ich sie noch in dieser Nacht zur Strecke bringe."
Er wollte seinen Rappen schon antreiben da rief ich: "Herr, verratet mir noch euren Namen."
Über diese Frage schien der Reiter sehr glücklich. Das ernste Gesicht lächelte uns freundlich an. "Ich bin Hrimbold von Werrentheim. Wenn Euch jemand fragt, dann sagt, Hrimbold von Werrentheim habe euch gerettet, er habe etwas Gutes getan."
"Habt keine Sorge, Herr. Einem jedem, der
diese Geschichte hören will, werde ich sie erzählen und den anderen auch. Lebt wohl, Hrimbold von Werrentheim!"
- Fortsetzung folgt -