Wind bläst mit voller Kraft über den Friedhof und wirbelt kleine Äste durch die Luft.
Die Sonne versucht immer wieder hinter den Wolken hervorzuschauen, manchmal gelingt ihr das sogar. Aber wärmen kann sie nicht, nur etwas Licht kann sie bringen.
Der alte Mann sitzt einsam in der ersten Reihe, seine linke Hand hält einen Gehstock, die rechte umklammert drei rote Rosen. Sein Blick ist auf den aufgebahrten Sarg gerichtet, rote Rosen und Gerbera bedecken ihn wie ein Wasserfall. Daneben ein Kranz, ebenfalls mit den Blumen geschmückt,
rot wie Blut, In Dankbarkeit Dein Mann
Gedankenfetzen wirbeln im Kopf des Mannes, wie die Ästchen die draussen über die Gräber tanzen.
48 Jahre hat er mit seiner Frau verbracht, schlechte Tage, auch gute Augenblicke. Gemeinsam haben sie vor 14 Jahren ihren Sohn zu Grabe getragen, gemeinsam hatten sie ihn 32 Jahre lang gepflegt. Behindert war der Junge, durch einen Fehler während der Geburt, damit hat er sich abgefunden. Damals, zusammen mit seiner Frau, hat er es geschafft nicht zu verzweifeln. Zu zweit standen sie am Grab, begleitet von Verwandten und Freunden die ihnen
beistanden. Immer seltener kamen sie , immer weniger hörten die beiden Trauernden etwas von denen die ihr Beileid bekundet haben.
Jetzt begleitet niemand der Familie den alten Mann. Allein sitzt er dort in der ersten Reihe, danach zwei leere Reihen wo die Verwandten sitzen sollten. Niemand von ihnen ist erschienen.
Nachbarn und Bekannte haben im hinteren Teil der kleinen Kapelle Platz genommen. Jedesmal wenn die Tür geöffnet wird dreht sich der alte Mann um, möchte sehen wer eingetreten ist.
Die Trauerfeier beginnt , und immer noch sind die Plätze um ihn herum leer.
Er legt die Blumen auf den Platz neben sich und sucht in seiner Jackentasche nach einem Taschentuch, wischt sich , verlegen um sich schauend, die Tränen aus dem Gesicht und schnäuzt sich geräuschvoll die Nase.
Der letzte Weg schließt sich an die Predigt an, alleine geht er schwankend und zitternd hinter dem Sarg her, es folgt mit Abstand der Rest der Trauergemeinde.
Vaterunser.................als das verklungen ist wirft er die Rosen in das offene Grab und stellt sich ein Stück
entfernt daneben.
Jeder nimmt nun Abschied von seiner Frau, ein Händedruck für ihn, ein tröstendes Wort, das kommt nicht von jedem. Die meisten gehen in entgegengesetzter Richtung davon.
Er irrt über den Friedhof, alleine, einsam. Am Grab seines Sohne stehen zwei Frauen , zu denen sagt er: Hier liegt unser Thomas." Wieder kämpft er mit den Tränen und will sie nicht zulassen, dreht sich um und geht zurück zum offenen Grab seiner Frau.
Die beiden Frauen schauen sich an und haben beide denselben Gedanken, sie
nehmen den alten Mann mit nach Hause, kochen Kaffee, holen Kuchen. Sein Anblick wie er da so allein gesessen hat, hat bei den zweien schon in der Kapelle die Tränen fließen lassen. Jetzt können sie nicht anders als sich ein wenig um ihn zu kümmern.
Dankbar geht er mit und wird während des Kaffeetrinkens ruhiger. Erzählt . Vielleicht freut er sich sogar, dass sich jemand seiner angenommen hat . Zeigen kann er es nicht.
Er ist ein alter Mann , er kann nicht verstehen dass sein Sohn vor ihm gegangen ist, dass seine Frau die doch um einige Jahre jünger war als er vor
ihm gestorben ist, jetzt ist er allein .
Nach Hause fährt er , dort wartet noch sein 17 Jahre alter Hund auf ihn.
Wann wird der ihn auch allein lassen?